Norm
§8 B-GlBGDiskriminierungsgrund
GeschlechtDiskriminierungstatbestand
Sexuelle BelästigungText
Die Gleichbehandlungskommission des Bundes
Senat I
hat in der Sitzung am ... über den Antrag von A (= Antragstellerin), in einem Gutachten nach § 23a Bundes-Gleichbehandlungsgesetz (B-GlBG), BGBl. I Nr. 65/2004 i.d.g.F., festzustellen, dass sie von B gemäß § 8 B-GlBG sexuell belästigt wurde, folgendes
Gutachten
beschlossen:
B hat durch das dreimalige Schlagen mit der flachen Hand auf ihre rechte Gesäßhälfte A gemäß § 8 B-GlBG sexuell belästigt.
Begründung
Der Antrag von A langte am ... bei der Bundes-Gleichbehandlungskommission (B-GBK) ein. Die Antragstellerin führte aus, sie sei Exekutivbedienstete der Landespolizeidirektion (LPD) X und im Rahmen ihres Dienstes sexuell belästigt worden.
Normalerweise verrichte sie ihren Dienst in der Polizeiinspektion (PI) ..., aber am Tag des Vorfalls, am ..., sei sie aus Anlass eines … zur Sicherung der ... am ... kommandiert worden. Üblicherweise würden zu solchen Diensten Inspektorinnen und Inspektoren von verschiedenen Dienststellen zusammengezogen, und so habe sie sich mit zwei Kollegen im ... eingefunden. B habe bereits gewartet, er sei an diesem Tag als Kommandant der neuen Abteilung ... (...) ihr Vorgesetzter gewesen.
Schon bei der Einweisung in die Tätigkeiten habe er sie - im Beisein der Kollegen und anderer Anwesenden … – „mit Blicken taxiert“ und gesagt: „‘Bei euch Frauen muss ich besonders aufpassen, ich habe ja schon ... Disziplinarverfahren‘“. Tatsächlich sei
B schon ...mal von der Disziplinarbehörde wegen sexueller Belästigung verurteilt worden. Er sei dafür bekannt, dies während seiner Kommandierungen Kolleginnen und Kollegen unaufgefordert mitzuteilen und alle Anschuldigungen von sich zu weisen.
Im Laufe des Vormittages habe ihr Kollege ... von der PI ... gefragt, ob es möglich sei, sich mit Kaffee zu versorgen. B habe dies bejaht und sie in das Foyer ... geführt, wo zwei Kaffeeautomaten auf einem Tisch in einer Ecke aufgestellt worden seien. Sie haben sich vor die Maschine, ihr Kollege links von ihr und B rechts von ihr, gestellt. B habe angemerkt, dass sie ihre Maske nicht aufhabe und habe ihr im Zuge dessen mit der flachen linken Hand dreimal auf die rechte Gesäßhälfte und zweimal auf die Schulter geschlagen. Sie sei darüber so schockiert gewesen, dass sie es einfach geschehen habe lassen. Sie sei auch nicht in der Lage gewesen, einen Kommentar abzugeben, zum einen weil es sich bei B um ihren Vorgesetzten gehandelt habe und auch, um kein Aufsehen zu erregen, da sich an diesem Tag … an dieser Örtlichkeit aufgehalten haben.
Nachdem sich B entfernt habe, habe ihr Kollege gesagt, er habe gesehen, was passiert sei. Da sie den ganzen Tag mit der Erfüllung ihrer Aufgaben beschäftigt gewesen sei, sei ihr erst im späteren Tagesverlauf das Ausmaß des Geschehenen bewusst geworden. Sie habe sich gleich nach ihrem Dienst in die PI ... begeben, um ihren Vorgesetzten über den Vorfall zu unterrichten. Es sei unverzüglich eine „Meldung“ verfasst worden, und in weiterer Folge seien disziplinarrechtliche Schritte eingeleitet worden. Sie habe außerdem eine Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung nach § 218 StGB erteilt.
Persönlich habe ihr dieser Vorfall sehr zu schaffen gemacht, da kurze Zeit später Zeitungsberichte darüber kursiert seien, welchen zu entnehmen gewesen sei, in welcher PI sie Dienst versehe. Dadurch sei sie für einen großen Kreis von Kolleginnen und Kollegen identifizierbar gewesen. Das sei ihr sehr unangenehm gewesen, da der Vorfall sehr verletzend gewesen sei und sie zusätzlich mit Gerüchten konfrontiert worden sei.
B gestand in seiner schriftlichen Stellungnahme zu As Antrag die ihm vorgeworfene Handlung ein, schilderte in gleicher Weise wie A, wie es zu diesem Vorfall gekommen sei, wobei er ergänzend ausführte, dass der Raum, in welchem die Kaffeemaschine gestanden habe, sehr klein gewesen sei, weswegen er A ermahnt habe, weil sie ihre Maske nicht getragen habe. Er habe das nicht fassen können, da er sich strikt an die Corona-Maßnahmen gehalten und auch die Kollegen in der Früh angewiesen habe, die Masken zu tragen. Im Zuge der Ermahnung habe er in seiner Fassungslosigkeit offensichtlich unbewusst, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, „ihren Gesäßbereich“ berührt, aber „lediglich oberflächlich, ganz leicht somit von geringster Intensität“. Es sei möglich, dass es sich um drei Berührungen gehandelt habe. Er habe erst nach den Berührungen seine unbewusst gesetzte Handlung realisiert. Er bedaure den Vorfall „zutiefst“ und übernehme dafür die volle Verantwortung.
Die LPD X teilte auf Ersuchen des Senates I der B-GBK (im Folgenden kurz Senat) um eine Stellungnahme betreffend allfällige disziplinäre Maßnahmen mit, dass seitens der Personalabteilung, Disziplinarreferat, der LPD X am ... eine Disziplinaranzeige wegen des Verdachts der Verletzung der Bestimmungen der §§ 43 Abs. 1 und 2, 43a, 44 Abs. 1, 45 Abs. 1 BDG 1979, § 8 Abs. 2 Z 1 und § 9 B-GlBG sowie des Verstoßes gegen Dienstanweisungen der LPD X erstattet worden sei. Die „Übernahme“ durch die Bundesdisziplinarbehörde sei ... erfolgt.
Die B-GBK hat erwogen:
Gemäß § 8 Abs. 1 liegt eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes vor, wenn die Dienstnehmerin oder der Dienstnehmer im Zusammenhang mit ihrem oder seinem Dienst- oder Ausbildungsverhältnis
1. von der Vertreterin oder vom Vertreter des Dienstgebers selbst sexuell belästigt wird,
2. durch die Vertreterin oder den Vertreter des Dienstgebers dadurch diskriminiert wird, indem sie oder er es schuldhaft unterlässt, im Falle einer sexuellen Belästigung durch Dritte eine angemessene Abhilfe zu schaffen oder
3. durch Dritte sexuell belästigt wird.
Gemäß § 8 Abs. 2 Z 1 B-GlBG liegt eine sexuelle Belästigung vor, wenn ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten gesetzt wird, das die Würde einer Person beeinträchtigt oder dies bezweckt, für die betroffene Person unerwünscht, unangebracht, entwürdigend, beleidigend oder anstößig ist und eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schafft oder dies bezweckt.
Nach den Erläuterungen zum B-GlBG sind unter einem „der sexuellen Sphäre zugehörigen Verhalten“ „körperliche, verbale und nicht verbale Verhaltensweisen“ zu verstehen.
Der Begriff der Würde stellt darauf ab, dass der Umgang von Mitarbeiter/innen und Vorgesetzte/n untereinander von gegenseitigem Respekt gekennzeichnet sein sollte. Ob die Würde einer Person beeinträchtigt ist, ist nach einem objektiven Maßstab zu beurteilen.
Das wesentliche Merkmal einer sexuellen Belästigung ist überdies, dass das Verhalten von der betroffenen Person unerwünscht oder unangebracht, entwürdigend, beleidigend oder anstößig ist. Subjektive Elemente auf Seiten des Belästigers/der Belästigerin sind irrelevant, es ist unerheblich, ob er/sie die Absicht hatte, zu belästigten.
Das Verhalten muss weiters eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schaffen oder dies bezwecken. Die Arbeitsumwelt kann durch mehrere Belästigungshandlungen negativ verändert werden, es kann aber auch bereits durch eine einzelne Belästigungshandlung ein für die betroffene Person einschüchterndes, feindseliges oder demütigendes Umfeld geschaffen werden.
Gemäß der Beweislastregel des § 25 Abs. 2 B-GlBG hat eine Antragstellerin/ein Antragsteller im Falle einer behaupteten sexuellen Belästigung diesen Umstand lediglich glaubhaft zu machen. Es obliegt dem/der der sexuellen Belästigung Beschuldigten, dazulegen, dass bei Abwägung aller Umstände eine höhere Wahrscheinlichkeit dafürspricht, dass die von ihr/ihm glaubhaft gemachten Tatsachen der Wahrheit entsprechen.
B gestand die von A als sexuell belästigend empfundene Handlung, nämlich das dreimalige Schlagen mit der flachen linken Hand auf die rechte Gesäßhälfte, ein, versuchte aber diese zu relativieren, indem er vorbrachte, die Berührungen seien unbewusst erfolgt und lediglich „von geringster Intensität“ gewesen. Somit war der Sachverhalt klar, zu beurteilen war daher „nur“, ob mit der inkriminierten Handlung der Tatbestand der sexuellen Belästigung iSd § 8 Abs. 2 Z 1 B-GlBG verwirklicht wurde.
Zweifellos betreffen Schläge, oder auch nur ein Schlag, auf das Gesäß die sexuelle Sphäre einer Person. Auch wenn sich A nicht unmittelbar zur Wehr setzte, oder Kritik anbrachte, es versteht sich von selbst, dass ein derartiges Verhalten im Rahmen des Dienstes nicht erwünscht und nicht angebracht ist, sondern als entwürdigend, beleidigend oder anstößig empfunden wird. Dieses Empfinden brachte A noch am selben Tag, nach Ende des Dienstes, ihrem Vorgesetzten gegenüber zum Ausdruck.
Selbstverständlich hat der Vorfall auch eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für A geschaffen, da sie bis zur Entscheidung der Disziplinarbehörde bzw. bis zur Kommunikation dieser Entscheidung durch die Dienstbehörde im Ungewissen darüber bleibt, ob sie wieder mit B Dienst versehen muss. Auch schafft die Möglichkeit, von Kollegen und Kolleginnen auf den Vorfall angesprochen zu werden, nicht gerade ein angenehmes Arbeitsumfeld.
Der Senat stellt daher fest, dass B durch das dreimalige Schlagen mit der flachen Hand auf die rechte Gesäßhälfte A iSd § 8 Abs. 2 Z 1 B-GlBG sexuell belästigte.
Zur Pflicht der Dienstgeberseite gemäß § 8 Abs 1 Z 2 B-GlBG, nämlich im Fall einer sexuellen Belästigung angemessene Abhilfe zu schaffen, stellt der Senat fest, dass mit der Reaktion der LPD X (Seite 3) angemessene Abhilfe geschaffen wurde und somit keine Diskriminierung von A von Seiten der LPD X vorliegt (was die Antragstellerin auch nicht behauptete).
Auf die schadenersatzrechtlichen Ansprüche des § 19 B-GlBG wird verwiesen.
Wien, April 2022
Zuletzt aktualisiert am
19.04.2022