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90 Straßenverkehrsrecht, KraftfahrrechtNorm
B-VG Art139 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Zurückweisung der Individualanträge von Versicherungsnehmern auf Aufhebung einer an den Verordnungsgeber gerichteten Bestimmung des Kraftfahrzeug-HaftpflichtversicherungsG 1987 sowie der an die Versicherungsunternehmer gerichteten TarifgliederungsV mangels unmittelbaren Eingriffs in die Rechtssphäre der AntragstellerSpruch
Die Anträge werden zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1. Die Einschreiter begehren mit ihren auf Art139 und Art140 (jeweils Abs1, letzter Satz) B-VG gestützten Anträgen vom 4. Oktober 1993, der Verfassungsgerichtshof möge
"a) die Bestimmung des §8 Abs3 Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsgesetz 1987 als verfassungswidrig aufheben; in eventu
b) die Verordnung des Bundesministers für Finanzen vom 27. Juli 1987 über die Gliederung des Tarifes in der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung, insbesondere deren 'Anlage' als gesetz- bzw. verfassungswidrig aufheben".
Weiters wird begehrt, den Bund zum Ersatz der Prozeßkosten zu verpflichten.
Die Antragsteller sind ihren Angaben zufolge Inhaber von Taxikonzessionen und üben das Taxigewerbe in Linz aus.
Ihre Eingabe wendet sich gegen die - ihres Erachtens - für Taxifahrzeuge gegenüber anderen PKW nachteilige Gestaltung des Tarifes in der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung.
Zur Zulässigkeit des Gesetzes- und Verordnungsprüfungsverfahrens führen sie aus:
"Die Voraussetzungen der Art139 und 140 B-VG für die Zulässigkeit des gegenständlichen Antrags sind gegeben. Sowohl das KHVG 1987 als auch die angefochtene Verordnung des Bundesministers für Finanzen vom 28.7.1987 greifen unmittelbar in unsere Rechte ein, da sie die unmittelbare Rechtsgrundlage für die Prämiengestaltung hinsichtlich der Haftpflichtprämie für Taxifahrzeuge sind. Die genannten Rechtsgrundlagen werden für uns ohne Zwischenschaltung eines Urteils bzw. Bescheides rechtswirksam, der Umweg über ein Verwaltungsverfahren bzw. gerichtliches Verfahren ist nicht möglich bzw. für uns nicht zumutbar.
Zur Frage der Zulässigkeit des gegenständlichen Antrages verweisen wir im übrigen auf die Entscheidungen des VfGH vom 17.12.1977, G44/77, V32,33/77 (VfSlg. Nr. 8212/1977) und vom 24.6.1985, V7/84 (Evidenzblatt Nr. 167/1986 = VfSlg. 10492/1985), deren Kriterien auch im gegenständlichen Fall vollinhaltlich anwendbar sind."
2. Die zur Beurteilung der vorliegenden Anträge maßgebende Rechtslage stellt sich wie folgt dar:
a) Das Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsgesetz 1987 - KHVG 1987, BGBl. 296, (geändert durch die KHVG-Novelle 1992, BGBl. 770), behandelt in seinem III. Abschnitt (§§7-16) den Tarif:
§7 leg.cit. legt die Versicherungssummen fest, die dem Tarif zugrundezulegen sind.
§8 leg.cit. enthält Bestimmungen über den Aufbau des Tarifes:
"Aufbau des Tarifes
§8. (1) Der Bundesminister für Finanzen hat die Gliederung des Tarifes gemäß den Abs2 bis 4 entsprechend der unterschiedlichen vom Versicherer getragenen Gefahr mit Verordnung zu bestimmen.
(2) Eigene Hauptgruppen sind jedenfalls für folgende Fahrzeuge zu bilden:
1.
Krafträder (§3 Abs1 Z1 KFG 1967),
2.
Personen- und Kombinationskraftwagen (§3 Abs1 Z2 lita und b KFG 1967),
3.
Omnibusse (§3 Abs1 Z2 litc KFG 1967)
und Omnibusanhänger (§2 Z25a KFG 1967),
4.
Lastkraftwagen, Zugmaschinen und Motorkarren (§3 Abs1 Z2 litd-f KFG 1967),
5.
Anhänger (§3 Abs1 Z4 KFG 1967) außer
Omnibusanhängern,
6.
Kraftfahrzeuge und Anhänger, die zur Beförderung gefährlicher Güter bestimmt sind oder mit denen gefährliche Güter befördert werden (§1 Abs1 Z2 GGSt).
(3) Fahrzeuge mit besonderer Verwendungsbestimmung sind aus den in Abs2 angeführten Hauptgruppen auszuscheiden und in eigenen Hauptgruppen zusammenzufassen, soweit dies wegen der vom Versicherer getragenen Gefahr erforderlich ist. Fahrzeuge und Anhänger, die in Abs2 nicht erfaßt sind, sind je nach der vom Versicherer getragenen Gefahr in den Tarif einzuordnen.
(4) Soweit es einer schadengerechten Verteilung der Prämienlast auf die Versicherungsnehmer und deren Interesse an einem wirksamen Versicherungsschutz zu angemessenen Prämien dient, ist der Tarif innerhalb der Hauptgruppen für gleichartige Fahrzeuge nach den für die vom Versicherer getragene Gefahr wesentlichen Merkmalen zu gliedern. Für Fahrzeuge mit besonderer Verwendungsbestimmung kann innerhalb der Hauptgruppen im Hinblick auf die vom Versicherer getragene Gefahr die Festsetzung von Zu- und Abschlägen von den Prämien oder eine gesonderte Prämienbemessung vorgesehen werden."
§12 KHVG 1987 lautet auszugsweise:
"Unternehmenstarif
§12. (1) Die Versicherungsunternehmen müssen für alle
Kraftfahrzeuge und Anhänger innerhalb des gemäß §8 vorgeschriebenen Tarifaufbaus Prämienbeträge in Form von Jahresprämien festsetzen.
(2)-(3) ..."
§13 Abs4 KHVG 1987 verpflichtet die Versicherungsunternehmen, neue Unternehmenstarife und Änderungen von Unternehmenstarifen (binnen bestimmter Frist) im Amtsblatt zur Wiener Zeitung kundzumachen.
b) Aufgrund des §8 Abs1 bis 4 KHVG 1987 erließ der Bundesminister für Finanzen (im Einvernehmen mit dem Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr) die Verordnung vom 27. Juli 1987 über die Gliederung des Tarifes in der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung, BGBl. 368 (im folgenden kurz als "TarifgliederungsV" bezeichnet).
Deren §1 lautet:
"Allgemeines
§1. (1) Der Tarif für die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung ist in der aus der Anlage ersichtlichen Weise zu gliedern.
(2) Maßgebend für die Einstufung der Fahrzeuge ist
1.
hinsichtlich der Art des Fahrzeuges, der Motorleistung, des Hubraums, der Nutzlast oder der Anzahl der Plätze die Eintragung im Typenschein (Bescheid über die Einzelgenehmigung); Bruchteile der Angabe der Motorleistung sind auf volle Zahlen aufzurunden.
2.
hinsichtlich der Verwendungsbestimmung der Fahrzeuge die im Zulassungsschein angegebene Verwendungsbestimmung.
(3) Fahrzeuge, die nicht unter eine Position des Tarifs fallen, sind in die Position einzustufen, die ihnen nach den für die vom Versicherer getragene Gefahr maßgebenden Merkmalen am ehesten entspricht."
§2 der Verordnung behandelt die Einstufung von Fahrzeugen nach der "Motorleistung", §3 "Wechselkennzeichen", §4 "Kraftfahrzeuge zur Güterbeförderung", §5 "Landwirtschaftliche Kraftfahrzeuge" und §6 "Fahrzeuge zur Beförderung gefährlicher Güter".
Die im §1 der Verordnung erwähnte "Anlage" legt die Gliederung des Tarifes im einzelnen (auszugsweise) wie folgt fest:
"HAUPTGRUPPE I. KRAFTRÄDER
.....
HAUPTGRUPPE II. PERSONEN- UND KOMBINATIONSKRAFTWAGEN
1.
Personen- und Kombinationskraftwagen (einschließlich nach Leasingverträgen zum Gebrauch überlassene Kraftwagen) und Wohnmobile (Spezialkraftwagen, die überwiegend für Schlaf- oder Aufenthaltszwecke ausgestattet sind) bis zu einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von 3 500 kg
a)
mit nicht mehr als 5 Plätzen außer dem Lenkerplatz bis 12 kw (16 PS)
über 12 bis 15 kW (16 bis 20 PS)
über 15 bis 26 kw (20 bis 34 PS)
über 26 bis 37 kW (34 bis 50 PS)
über 37 bis 52 kW (50 bis 70 PS)
über 52 bis 67 kW (70 bis 90 PS)
über 67 bis 89 kW (90 bis 120 PS)
über 89 kW (120 PS)
b)
mit mehr als 5 Plätzen außer dem Lenkerplatz Einteilung nach der Motorleistung wie a)
2. Personen- und Kombinationskraftwagen mit Antrieb durch elektrische Energie
3. Personen- und Kombinationskraftwagen zur gewerbsmäßigen Vermietung ohne Beistellung eines Lenkers
Einteilung nach Anzahl der Plätze und Motorleistung wie Position 1
HAUPTGRUPPE III. PERSONEN- UND KOMBINATIONSKRAFTWAGEN
ZUR GEWERBSMÄSSIGEN BEFÖRDERUNG VON PERSONEN
1.
Taxifahrzeuge
Einteilung nach Anzahl der Plätze und Motorleistung wie Hauptgruppe II, Position 1
2.
Mietwagen
Einteilung nach Anzahl der Plätze und Motorleistung wie Hauptgruppe II, Position 1
HAUPTGRUPPE IV. OMNIBUSSE UND OMNIBUSANHÄNGER
......"
3.a) Die Bundesregierung erstattete zum vorliegenden Gesetzesprüfungsantrag eine Äußerung, in der sie die Verfassungsmäßigkeit der angefochtenen Gesetzesbestimmung (§8 Abs3 KHVG 1987) verteidigt.
Primär bestreitet sie jedoch die Zulässigkeit des Antrages. Nach einer Wiedergabe der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes, unter welchen Voraussetzungen die Antragslegitimation bei Individualanträgen vorliegt, argumentiert sie wie folgt:
"Diese Voraussetzungen liegen nicht vor:
Die angefochtene Bestimmung ordnet an, daß der Bundesminister für Finanzen in der Verordnung, in der er die Gliederung des Tarifes entsprechend der unterschiedlichen vom Versicherer getragenen Gefahr zu bestimmen hat, aus den jedenfalls zu bildenden Hauptgruppen Fahrzeuge mit besonderer Verwendungsbestimmung auszuscheiden und in eigenen Hauptgruppen zusammenzufassen hat, soweit dies wegen der vom Versicherer getragenen Gefahr erforderlich ist. Schon aus der Formulierung des §8 Abs3 erster Satz KHVG 1987 ist daher ersichtlich, daß der behauptete Eingriff in die Rechtssphäre der Antragsteller nicht 'durch das Gesetz selbst' eindeutig bestimmt ist und das Kriterium der Unmittelbarkeit nicht erfüllt wird.
Die meisten von den Antragstellern vorgebrachten Bedenken betreffen die Prämiengestaltung durch die Versicherungsunternehmen. Diese ist aber keinesfalls unmittelbar auf die angefochtene gesetzliche Regelung gestützt, woraus folgt, daß der Eingriff in die Rechtssphäre der Antragsteller eben nicht unmittelbar auf das Gesetz zurückzuführen ist. Ferner besteht zwischen den Antragstellern und den Versicherungsunternehmen ein privatrechtlicher Vertrag, auch wenn dessen Inhalt von allfälligen allgemeinen Geschäftsbedingungen der Versicherungsunternehmen bestimmt sein sollte. Für Streitigkeiten aus einem solchen Vertrag sind aber die ordentlichen Gerichte (vgl. §1 der Jurisdiktionsnorm) zuständig. Daraus folgt, daß im Sinne des Art140 Abs1 B-VG in Verbindung mit der oben wiedergegebenen Judikatur zunächst diese Gerichte anzurufen wären und gegebenenfalls ab dem zweitinstanzlichen Verfahren (vgl. Art140 Abs1 B-VG) die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Vorschrift geltend gemacht werden könnten.
In ihren Ausführungen betreffend die Zulässigkeit des Antrages weisen die Antragsteller pauschal und ohne nähere Begründung auf die Erkenntnisse VfSlg. 8212/1977 und 10492/1985 hin. Abgesehen davon, daß dieser Hinweis unerläutert bleibt und allein deshalb zur Begründung der Antragslegitimation und des Vorliegens der sonstigen Prozeßvoraussetzungen ungeeignet erscheint, wird darauf hingewiesen, daß im Erkenntnis VfSlg. 8212/1977 der Verfassungsgerichtshof die Zulässigkeit eines Individualantrages gemäß Art140 Abs1 B-VG betreffend eine Verordnungsermächtigung in §60 Abs2 und 3 des Kraftfahrgesetzes 1967 gerade deshalb abgelehnt hat, weil die behauptete Änderung eines privatrechtlichen Vertrages nicht durch diese Gesetzesbestimmung, sondern erst durch die aufgrund des angefochtenen Gesetzes erlassenen Verordnungen bewirkt wird. Weiters betont der Verfassungsgerichtshof in diesem Erkenntnis, daß die aktuelle Beeinträchtigung der rechtlich geschützten Interessen der Antragsteller erst durch die Änderung der Versicherungsbedingungen und des Tarifs eintritt.
Das Erkenntnis VfSlg. 10492/1985 hatte einen Verordnungsprüfungs-Antrag zum Gegenstand, kann also zur Frage der Zulässigkeit des Individualantrages betreffend eine Gesetzesbestimmung nichts hergeben.
Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, daß der Antrag, soweit er sich auf §8 Abs3 zweiter Satz des Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsgesetzes 1987 bezieht, schon deshalb unzulässig ist, weil nur der erste Satz dieser Bestimmung präjudiziell sein kann. Hinsichtlich des zweiten Satzes ist der Antrag im übrigen auch nicht begründet."
b) Der Bundesminister für Finanzen erstattete im Verordnungsprüfungsverfahren eine Äußerung, in der er primär die Zurückweisung des auf Aufhebung der TarifgliederungsV gerichteten Antrages mit folgenden Argumenten beantragt:
"Die Antragsteller leiten die Zulässigkeit ihres Antrages aus den Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofes VfSlg 8212/1977 und VfSlg 10492/1985 ab. Diese Erkenntnisse können aber in dieser Hinsicht nicht ohneweiters auf den vorliegenden Fall angewendet werden. Die damals angefochtenen Verordnungen setzten die maßgebenden Rechtsbeziehungen zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer, insbesondere die von letzterem zu entrichtende Prämie, unmittelbar fest. Die nunmehr angefochtene Verordnung schreibt jedoch nur die Gliederung des Tarifes vor, wogegen die Prämienbemessung selbst den Versicherungsunternehmen in eigener Verantwortung überlassen bleibt. Die Versicherungsunternehmen sind verpflichtet, für die in der Verordnung angeführten Fahrzeugkategorien die Prämien gesondert, nicht aber, verschiedene Prämien festzusetzen. Ungeachtet der vorgeschriebenen Tarifgliederung wären die Versicherungsunternehmen berechtigt, für Taxis und Mietwagen dieselben Prämien wie für sonstige Personen- und Kombinationskraftwagen vorzusehen. In diesem Fall würde die von den Antragstellern behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegen. Daraus ergibt sich, daß diese behauptete Rechtsverletzung ihren Grund nicht unmittelbar in der angefochtenen Verordnung haben kann. Die Antragslegitimation ist daher nicht gegeben.
Unabhängig davon kann sich die von den Antragstellern behauptete Rechtsverletzung nur auf die Hauptgruppe III der eine Anlage zur angefochtenen Verordnung bildenden Tarifgliederung beziehen. Der Wegfall dieser Hauptgruppe würde bewirken, daß Taxis und Mietwagen zur Hauptgruppe II gehörten und keiner gesonderten Prämienfestsetzung unterliegen. Dies würde ausreichen, um die von den Antragstellern behauptete Rechtsverletzung zu beseitigen. Soweit sich der Antrag darüber hinaus auf die ganze Verordnung erstreckt, fehlt ihm auch aus diesem Grund die Legitimation."
II. Der Verfassungsgerichtshof hat zur Frage der Zulässigkeit der Anträge erwogen:
1. Voraussetzung der Antragslegitimation ist nach Art139 Abs1 letzter Satz und Art140 Abs1 letzter Satz B-VG einerseits, daß der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene generelle Norm - im Hinblick auf deren Rechtswidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, daß die generelle Norm für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides, wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist also zunächst, daß die generelle Norm in die Rechtssphäre der betreffenden Person eingreift und diese - im Falle ihrer Rechtswidrigkeit - verletzt.
Nicht jedem Normadressaten aber kommt diese Befugnis zu. Ein unmittelbar durch die generelle Norm erfolgter und (deswegen) die Antragslegitimation begründender Eingriff in die Rechtssphäre einer Person ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die generelle Norm selbst eindeutig bestimmt ist und die (rechtlich geschützten) Interessen der betreffenden Person nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt. Der erwähnte Rechtsbehelf ist dazu bestimmt, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (vgl. die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zB VfSlg. 8009/1977, 8058/1977, 8212/1977, 10492/1985, 11726/1988).
2. Diese Voraussetzungen fehlen sowohl beim Antrag auf Aufhebung des Gesetzes als auch beim Antrag auf Aufhebung der Verordnung.
Weder durch die bekämpfte Gesetzesstelle (§8 Abs3 KHVG 1987) noch durch die bekämpfte TarifgliederungsV (sei es durch die gesamte Verordnung, sei es durch eine bestimmte Stelle der Verordnung) wurde ein (unmittelbarer) Eingriff in die Rechtsposition der Antragsteller bewirkt:
a) Daß das Gesetz diesen Eingriff nicht herbeiführt, bedarf keiner weiteren Begründung. Es genügt, diesbezüglich auf das Erkenntnis VfSlg. 8212/1977, S 462, zu verweisen.
b) Anders als in jenen Fällen, die den von den Antragstellern zitierten Erkenntnissen VfSlg. 8212/1977 und VfSlg. 10492/1985 zugrundelagen, erfolgt nach der nunmehr geltenden Rechtslage aber auch durch die Verordnung kein solcher Eingriff:
Während nämlich die damals angefochtenen Verordnungsbestimmungen direkt die Höhe der Kraftfahrzeughaftpflicht-Tarife (Prämiensätze) festgelegt und sich damit unmittelbar auf die zwischen den damaligen Antragstellern und den Versicherungsunternehmen bestehenden Haftpflichtversicherungsverträge ausgewirkt hatten, ergibt sich nunmehr die Höhe der Prämien aus den "Unternehmenstarifen", die von den Versicherungsunternehmen festzusetzen und im Amtsblatt zur Wiener Zeitung kundzumachen sind (§12 Abs1 und §13 Abs4 KHVG 1987;
s. etwa die Veröffentlichung der Unternehmenstarife im Amtsblatt zur Wiener Zeitung vom 20. Juli 1993).
Mit dem KHVG 1987 wurde somit von der verordnungsmäßigen Festsetzung der Prämien in der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung abgegangen. Es ist der Kern der durch das KHVG 1987 getroffenen Neuregelung,
"daß die Versicherungsunternehmen die Prämien in der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung unter eigener Verantwortung und nach selbständiger Beurteilung der maßgebenden Kriterien und betriebswirtschaftlicher Kalkulation festsetzen. Es ist das vorrangige Anliegen (...), dem Betrieb der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung die Kräfte eines gesunden Wettbewerbes in einem freien Markt zu erschließen." (Erläuterungen zur Regierungsvorlage des KHVG 1987, 110 BlgNR, 17. GP, S. 11)
Wenngleich den Versicherungsunternehmen für die Tarifstruktur durch die TarifgliederungsV bestimmte Rahmenbedingungen vorgegeben werden, ist trotzdem nicht die Verordung, sondern der weitestgehend autonom - ohne behördliche Genehmigung, sondern im freien, marktwirtschaftlich orientierten Wettbewerb - vom jeweiligen Versicherungsunternehmen gestaltete "Unternehmenstarif" die Grundlage für die einzelnen Haftpflichtverträge. Nicht die Versicherungsnehmer (die Antragsteller treten als solche auf), sondern die Versicherer sind Adressaten der TarifgliederungsV (vgl. hiezu die - wenngleich andere Rechtsgebiete betreffende, in der hier maßgebenden Hinsicht dennoch beachtliche - Judikatur: VfSlg. 9163/1981, 8698/1979, 8187/1977). Die Verordnung greift also nicht in die Rechtssphäre der Antragsteller ein. Für die Bekämpfung der Verordnung steht unter diesen Umständen den Antragstellern nicht das Instrumentarium der Verordungsprüfung iS des Art139 B-VG zur Verfügung.
3. Die Anträge waren somit schon aus den erwähnten Überlegungen mangels Legitimation zurückzuweisen, ohne daß zu untersuchen war, ob noch weitere Zurückweisungsgründe vorliegen, so etwa, ob der Anfechtungsumfang zutreffend umschrieben wurde.
Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
VfGH / Individualantrag, Kraftfahrrecht Haftpflichtversicherung, Haftpflichtversicherung (Kfz)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1994:G224.1993Dokumentnummer
JFT_10059377_93G00224_00