TE OGH 2022/2/23 4Ob181/21b

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Veröffentlicht am 23.02.2022
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat Hon.-Prof. PD Dr. Rassi als Vorsitzenden und die Hofräte und Hofrätinnen Dr. Schwarzenbacher, MMag. Matzka, Dr. Faber sowie Mag. Istjan, LL.M., als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ö* Gesellschaft m.b.H., *, vertreten durch Mag. Stefano Alessandro, Rechtsanwalt in St. Andrä-Wördern, gegen die beklagte Partei H* Verein *, vertreten durch Brauneis Klauser Prändl Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 270.000 EUR und Unterlassung (Streitwert im Provisorialverfahren 8.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 29. September 2021, GZ 2 R 37/21g, 2 R 61/21m, 2 R 90/21a-80, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1]       Beide Streitteile sind im Bereich der Sammlung bzw Verwertung von Alttextilien tätig und betreiben entsprechende Sammelcontainer.

[2]            Die klagende Kapitalgesellschaft brachte vor, der beklagte Verein habe Container ohne die erforderliche Bewilligung nach der StVO bzw ohne Bewilligung des jeweiligen Liegenschaftseigentümers aufgestellt und beantragte zur Sicherung ihres klageweise geltend gemachten Unterlassungsanspruchs die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, wonach dem Beklagten geboten werden möge, die an einzeln aufgelisteten 250 Standorten an den aus einer Fotobeilage ersichtlichen Stellen ohne verwaltungsbehördliche Bewilligung nach § 82 Abs 1 StVO und/oder ohne Bewilligung des jeweiligen Liegenschaftseigentümers aufgestellten Altkleider-Sammelcontainer zu entfernen, in eventu diese derart zu verschließen, dass ein Einwurf von Altkleidern durch Dritte nicht mehr möglich sei. Nach weiteren (von der Klägerin behaupteten) Containeraufstellungen durch den Beklagten dehnte die Klägerin ihr Sicherungsbegehren dahin aus, dass dem Beklagten allgemein geboten werde, zu unterlassen, Altkleidersammelcontainer aufzustellen, wenn eine dafür nötige behördliche Bewilligung fehle, insbesondere eine solche gemäß § 82 Abs 1 StVO.

[3]            Das Erstgericht gab dem ursprünglichen Sicherungsantrag im Sinne des Eventualbegehrens Folge, indem es dem Beklagten auftrug, die an aufgelisteten Standorten ohne verwaltungsbehördliche Bewilligung nach § 82 Abs 1 StVO aufgestellten Altkleider-Sammelcontainer derartig zu verschließen, dass ein Einwurf von Altkleidern durch Dritte nicht mehr möglich ist.

[4]       Nach Ausdehnung des Begehrens durch die Klägerin erließ das Erstgericht eine weitere einstweilige Verfügung, mit der es dem Beklagten allgemein auftrug, im Raum Wien ohne eine dafür nötige behördliche Bewilligung, insbesondere eine solche gemäß § 82 Abs 1 StVO, aufgestellte Altkleider-Sammelcontainer derartig zu verschließen, dass ein Einwurf von Altkleidern durch Dritte nicht mehr möglich ist.

[5]            Das Rekursgericht bestätigte diese Beschlüsse und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

[6]            Mit seinem außerordentlichen Revisionsrekurs macht der Beklagte im Wesentlichen geltend, das Rekursgericht habe die Verfahrensregeln hinsichtlich der Frage der Überprüfbarkeit der Beweiswürdigung im Sicherungsverfahren unrichtig angewendet, indem es auf die Beweisrüge im Rekurs nicht eingegangen sei, weil das Erstgericht den Sachverhalt (auch) aufgrund von vor ihm abgelegten Parteienaussagen als bescheinigt angenommen habe, obwohl diese Aussagen bloß punktuell gewesen seien und die bekämpften Bescheinigungsergebnisse gar nicht betroffen hätten. Weiters habe das Rekursgericht eine unrichtige Abgrenzung von Tat- und Rechtsfragen vorgenommen, die Vertretbarkeit der Rechtsansicht zur Genehmigungspflicht der Containeraufstellung unrichtig beurteilt und schließlich durch die Formulierung des Unterlassungsauftrags gegen § 405 ZPO verstoßen.

Rechtliche Beurteilung

[7]            Damit zeigt der Beklagte jedoch keine erheblichen Rechtsfragen auf. Der Revisionsrekurs ist daher nicht zulässig und somit zurückzuweisen:

[8]            1.1. Das Erstgericht hat den Gesamtkomplex des von ihm als bescheinigt angenommenen Sachverhalts im Zusammenhang mit den Containerstandorten auf die Aussagen des Geschäftsführers der Klägerin gestützt. Bei dieser Vernehmung des Klägers handelt es sich um eine unmittelbare Beweisaufnahme.

[9]       1.2. Im Sicherungsverfahren ist die Überprüfung der Beweiswürdigung des erkennenden Richters durch das Rekursgericht insoweit ausgeschlossen, als dieser den Sachverhalt aufgrund vor ihm abgelegter Zeugenaussagen oder Parteienaussagen als bescheinigt angenommen hat (RS0012391). Dies gilt auch dann, wenn für eine bestimmte Feststellung darüber hinaus auch mittelbar aufgenommene Bescheinigungen verwertet wurden (RS0012391 [T5]).

[10]           1.3. Das Rekursgericht führte zur Beweisrüge der Beklagten aus, dass das Erstgericht den bescheinigten Sachverhalt hinsichtlich sämtlicher der in der ersten Sicherungsverfügung aufgelisteten Standorte, an denen der Beklagte Sammelcontainer aufgestellt habe, auf die Aussage gestützt habe und die Beweiswürdigung demgemäß keiner Überprüfung durch das Rekursgericht zugänglich sei. Das Rekursgericht ist von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs gerade nicht abgewichen.

[11]     2. Ein rechtlicher Feststellungsmangel, der durch die unrichtige Abgrenzung von Tat- und Rechtsfragen hervorgerufen wurde (vgl RS0122475), ist entgegen der Zulassungsbeschwerde nicht erkennbar, wenn das Rekursgericht den erstgerichtlich als bescheinigt angenommenen Sachverhalt, wonach sich Container in einem bestimmten Abstand vom öffentlichen Gehsteig befinden und ein Einwerfen von Altkleiderspenden in diese ohne Betreten der Grünfläche vom Gehsteig aus möglich ist, als Tat- und nicht als Rechtsfrage behandelt, gehört doch zur Tatfrage die Feststellung der den Sachverhalt bildenden Tatsachen einschließlich aller Schlussfolgerungen (RS0111996).

[12]     3. Auch die von der angefochtenen Entscheidung angenommene Unvertretbarkeit des Rechtsbruchs bedarf keiner Korrektur, denn das Erfordernis der Bewilligung für die Benützung von öffentlichen Verkehrsflächen im Zusammenhang mit dem Aufstellen und Betreiben von Altkleider-Sammelcontainer ergibt sich unzweideutig aus der klaren Anordnung (vgl 4 Ob 206/19a) des § 82 Abs 1 StVO und die näheren Umstände hinsichtlich der Benützung der Container sowie der Benützung der Verkehrsflächen an den klagsgegenständlichen Standorten ergeben sich aus dem von den Vorinstanzen als bescheinigt angenommenen Sachverhalt. Die Ausführungen der Revisionsrekurswerberin, wonach in den konkreten Fällen keine Bewilligungspflicht anzunehmen sei, sind ohne Substanz.

[13]           4.1. Auch im Provisorialverfahren begründet ein Verstoß gegen § 405 ZPO eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens (4 Ob 108/20s = RS0041089 [T4]).

[14]           4.2. Wird allerdings ein Verstoß gegen § 405 ZPO von der zweiten Instanz – wie hier – verneint, kann er in dritter Instanz nicht mehr angefochten werden (RS0041117).

[15]           4.3. Auch insoweit der Beklagte eine aktenwidrige Behandlung ihrer Verfahrensrüge releviert (vgl RS0043166), weil der Beklagte entgegen der Begründung des Rekursgerichts sehr wohl behauptet habe, dass der Spruch auch vom Antrag nicht umfasste Container miteinbeziehen könnte, kann das die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht begründen. Bei der Prüfung der behaupteten Überschreitung des Sicherungsbegehrens hat das Rekursgericht notwendigerweise nur (vgl RS0041254, RS0041023) auf das Vorbringen der Klägerin abgestellt und aus diesem abgeleitet, es sei (von der Klägerin) nicht behauptet worden, dass mehrere Container an einzelnen Standortadressen aufgestellt seien.

Textnummer

E134445

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2022:0040OB00181.21B.0223.000

Im RIS seit

19.04.2022

Zuletzt aktualisiert am

19.04.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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