TE OGH 2022/3/16 13Os122/21x

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Veröffentlicht am 16.03.2022
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Der Oberste Gerichtshof hat am 16. März 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz-Hummel LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Mag. Socher BA in der Finanzstrafsache gegen DI * M* wegen Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 und 13 FinStrG idF BGBl I 2005/103, BGBl I 2012/112 und BGBl I 2015/163 über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 20. August 2021, GZ 24 Hv 19/20f-23, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Dr. Geymayer, der Vertreterin der Finanzstrafbehörde, Dr. Schartl, sowie des Verteidigers Rechtsanwalt Mag. Imre zu Recht erkannt:

Spruch

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Graz verwiesen.

Text

Gründe:

[1]            Mit dem angefochtenen Urteil wurde DI * M* „gemäß § 214 Abs 1 FinStrG wegen Unzuständigkeit der Gerichte zur Ahndung der angeklagten Finanzvergehen“ von dem wider ihn erhobenen Vorwurf freigesprochen, er habe im Zuständigkeitsbereich des Finanzamts Graz-Stadt (§ 20 AVOG 2010) als Einzelunternehmer gewerbsmäßig (im Sinn der jeweils geltenden Fassung des § 38 FinStrG) vorsätzlich unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflichten, nämlich durch die Abgabe unrichtiger Jahressteuererklärungen, in denen er privat veranlasste Ausgaben zu Unrecht als Betriebsausgaben absetzte sowie Einkünfte (betreffend das Jahr 2015) gegenüber dem Finanzamt nicht erklärte, eine Verkürzung an Einkommensteuer bewirkt und (betreffend die Jahre 2016 und 2017) zu bewirken versucht, und zwar

a) am 3. September 2009 für das Jahr 2008 um 10.322,56 Euro,

b) am 28. Februar 2014 für das Jahr 2012 um 13.365 Euro,

c) am 12. April 2015 für das Jahr 2013 um 14.328 Euro,

d) am 25. Juli 2016 für das Jahr 2014 um 17.519 Euro,

e) am 27. April 2017 für das Jahr 2015 um 18.207 Euro,

f) am 11. April 2018 für das Jahr 2016 um 18.254,60 Euro und

g) am 11. April 2018 für das Jahr 2017 um 14.977 Euro,

sohin insgesamt um 106.973,16 Euro.

Rechtliche Beurteilung

[2]            Dagegen wendet sich die auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, der Berechtigung zukommt.

[3]            Nach den Urteilskonstatierungen setzte das Finanzamt Graz-Stadt mit Bescheid vom 31. August 2009, dessen Zustellung automationsunterstützt erfolgte, die vom Angeklagten für das Jahr 2008 zu entrichtende Einkommensteuer fest (US 3).

[4]            In rechtlicher Hinsicht ging das Erstgericht davon aus, dass das (allenfalls) hinsichtlich der Einkommensteuer 2008 begangene Finanzvergehen „gemäß § 31 Abs 5 erster Satz FinStrG im Jahr 2019 verjährt“ und bei der Berechnung des strafbestimmenden Wertbetrags „nicht zu berücksichtigen“ sei (US 5).

[5]            Die Staatsanwaltschaft zeigt zutreffend dem Freispruch entgegenstehende Feststellungsmängel auf, indem sie auf in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse hinweist, die Feststellungen in Richtung vorsätzlicher Verkürzung an Einkommensteuer im Zuständigkeitsbereich des Finanzamts Graz-Stadt durch den Angeklagten als Einzelunternehmer für das Jahr 2008 und fortlaufend für die Jahre 2012 bis 2017 um insgesamt 106.973,16 Euro indizieren.

[6]       Nach § 31 Abs 5 erster Satz FinStrG ist absolute Verfolgungsverjährung nur (mehr) für Finanzvergehen vorgesehen, deren Ahndung den Finanzbehörden zukommt.

[7]            Die Trennlinie zwischen (originärer) gerichtlicher und finanzbehördlicher Zuständigkeit wird im Fall vorsätzlich begangener Finanzvergehen durch den strafbestimmenden Wertbetrag bestimmt. Treffen mehrere Finanzvergehen zusammen (§ 21 FinStrG) und fallen diese – wie hier (US 3) – in die örtliche und sachliche Zuständigkeit derselben Finanzstrafbehörde (siehe dazu die Fassungen des § 53 Abs 1 FinStrG vor BGBl I 2020/99), ist für die Zuständigkeitsabgrenzung gemäß § 53 Abs 1 erster Satz FinStrG die Summe der strafbestimmenden Wertbeträge maßgebend (Lässig in WK2 FinStrG § 53 Rz 4). Das Gericht ist zur Ahndung von Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung zuständig, wenn diese 100.000 Euro übersteigt (§ 53 Abs 1 FinStrG).

[8]            Die von der Rechtsrüge aufgezeigten Verfahrensergebnisse, nämlich die Berichte der Finanzstrafbehörde (ON 22 S 5 iVm ON 2 und ON 3), die Aussage des als Zeuge vernommenen Betriebsprüfers (ON 22 S 4 f) und die dem Grunde nach geständige Verantwortung des Angeklagten (ON 22 S 2 ff), indizieren Feststellungen in Richtung vorsätzlicher Verkürzung von Einkommensteuer für die Jahre 2008 und fortlaufend für die Jahre 2012 bis 2017 um insgesamt 106.973,16 Euro:

[9]       Die Verjährungsfrist für die in Rede stehenden Finanzvergehen beträgt fünf Jahre (§ 31 Abs 2 FinStrG). Bei Erfolgsdelikten beginnt die Verjährungsfrist gemäß § 31 Abs 1 dritter Satz FinStrG mit dem Eintritt des (zum Tatbestand gehörenden) Erfolgs zu laufen. Dieser Fristenlauf beginnt nach § 31 Abs 1 letzter Satz FinStrG nie früher als jener der Verjährungsfrist für die Festsetzung der jeweils betroffenen Abgabe.

[10]           Zur Erfüllung des Tatbestands der Abgabenhinterziehung (hier § 33 Abs 1 FinStrG) muss eine Abgabenverkürzung bewirkt werden und solcherart ein – von der Tathandlung trennbarer – Erfolg eintreten. Nach § 33 Abs 3 lit a erster Fall FinStrG ist die Verkürzung mit der Bekanntgabe des Bescheids oder Erkenntnisses, mit dem bescheidmäßig festzusetzende Abgaben (hier Einkommensteuer) zu niedrig festgesetzt wurden, bewirkt (zu alldem eingehend Lässig in WK2 FinStrG § 31 Rz 4 sowie § 33 Rz 31 und 33 f).

[11]     Bei Tatmehrheit verjähren einzelne Taten zwar grundsätzlich für sich (RIS-Justiz RS0128998 [insbesondere T3]), § 31 Abs 3 FinStrG normiert aber eine (Ablauf-)Hemmung durch später begangene vorsätzliche Finanzvergehen bis zum Ablauf der Verjährungsfrist auch für die letzte dieser Taten.

[12]           Legt man den durch die von der Beschwerde genannten Verfahrensergebnisse indizierten Sachverhalt zugrunde, trat somit in Ansehung keiner der vom Anklagevorwurf umfassten Taten Strafbarkeitsverjährung im Sinn des § 31 Abs 1 und 2 FinStrG ein. Hievon ausgehend kommt mit Blick auf die Anordnung des § 53 Abs 1 erster Satz FinStrG, zur Abgrenzung der (originären) Zuständigkeit des Gerichts von jener der Finanzstrafbehörde die maßgeblichen strafbestimmenden Wertbeträge aus mehreren vorsätzlich begangenen Finanzvergehen zusammenzurechnen, sowie die indizierte Wertbetragssumme (106.973,16 Euro) Verjährung der Strafbarkeit im Sinn des § 31 Abs 5 erster Satz FinStrG nicht in Betracht.

[13]       Es war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Graz zu verweisen.

Textnummer

E134451

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2022:0130OS00122.21X.0316.000

Im RIS seit

19.04.2022

Zuletzt aktualisiert am

19.04.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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