TE Vwgh Beschluss 2022/3/18 Ra 2022/01/0052

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Veröffentlicht am 18.03.2022
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §33 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer und die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Fasching als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision des B H, vertreten durch Mag.a Nadja Lorenz, Rechtsanwältin in 1070 Wien, Burggasse 116, gegen den am 28. Oktober 2021 mündlich verkündeten Beschluss des Verwaltungsgerichts Wien, Zl. VGW-102/012/11591/2021-8, VGW-102/V/012/12051/2021, betreffend eine Angelegenheit nach dem Sicherheitspolizeigesetz, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit dem angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts Wien (Verwaltungsgericht) wurde der Antrag des Revisionswerbers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist abgewiesen (I.), die eingebrachte Maßnahmenbeschwerde als verspätet zurückgewiesen (II.) und ausgesprochen, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei (III).

2        Begründend führte das Verwaltungsgericht zusammengefasst aus, nach dem Vorbringen des Wiedereinsetzungsantrags sei das den Beschwerdeschriftsatz beinhaltende Kuvert zwischen einen Aktenschrank und die Wand gerutscht; es sei von diesem Kuvert nur mehr „ein Eck“ sichtbar gewesen, weshalb die „langjährige, tüchtige und zuverlässige“ Kanzleimitarbeiterin L. der Revisionswerbervertreterin das Kuvert übersehen und die Beschwerde nicht am letzten Tag der Beschwerdefrist zur Post gebracht habe. Es liege ein den Grad des minderen Versehens übersteigender Organisationsmangel vor (Hinweis auf VwGH 31.3.2006, 2006/02/0003).

3        Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der zunächst eingeräumt wird, dass das von der Kanzleimitarbeiterin übersehene Kuvert „nach wie vor sichtbar“ gewesen sei.Zur Zulässigkeit wird im Wesentlichen vorgebracht, es sei einer zuverlässigen Kanzleimitarbeiterin ein einmaliger Fehler („Übersehen eines Postaufgabestücks“) unterlaufen, das Postaufgabesystem der Kanzlei sei grundsätzlich ordentlich organsiert und mit einem Kontrollsystem ausgestattet. Es liege kein die Wiedereinsetzung hindernder Grad des Verschuldens vor. Das Verwaltungsgericht habe die Frage des maßgeblichen Verschuldens in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden Weise beurteilt.

4        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

5        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

6        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7        Die Frage, ob das Verwaltungsgericht fallbezogen zu Recht das Vorliegen eines minderen Grades des Versehens verneint hat, ist keine Rechtsfrage, der über den konkreten Einzelfall hinausgehende, grundsätzliche Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG zukommt. Der Frage, ob die besonderen Umstände des Einzelfalles auch eine andere Entscheidung gerechtfertigt hätten, kommt in der Regel keine grundsätzliche Bedeutung zu. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge nur dann vor, wenn die Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (vgl. VwGH 9.2.2021, Ra 2021/01/0013, mwN).

8        Dies ist hier nicht der Fall (vgl. zum Fall des „Hineinrutschens“ eines Schriftsatzes in „herumliegende Papiere“ das zit. Erkenntnis 2006/02/0003; vgl. zum Ergreifen organisatorischer Vorkehrungen gegen das Verrutschen eines Poststückes an eine nicht wahrnehmbare Stelle auch VwGH 3.2.2021, Ra 2020/05/0056, 0057, mwN).

9        In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 18. März 2022

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022010052.L00

Im RIS seit

18.04.2022

Zuletzt aktualisiert am

26.04.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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