TE Vwgh Beschluss 2022/3/18 Ra 2022/01/0051

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Veröffentlicht am 18.03.2022
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
41/01 Sicherheitsrecht

Norm

AVG §45 Abs2
B-VG Art133 Abs4
SPG 1991 §92a Abs1a Z1
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer und die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Fasching als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision des M R in L, vertreten durch Mag. Alexander Fuchs, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Lüfteneggerstraße 4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 16. Dezember 2021, Zl. LVwG-752163/5/KLi/EP, betreffend Kostenersatzpflicht nach § 92a SPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Oberösterreich), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der Revisionswerber in der Sache gemäß § 92a Abs. 1a Z 1 Sicherheitspolizeigesetz, BGBl. Nr. 566/1991 idF BGBl. I Nr. 29/2018 (SPG), iVm § 4a Sicherheitsgebühren-Verordnung, BGBl. Nr. 389/1996 idF BGBl. II Nr. 104/2018 (SGV), verpflichtet, als Ersatz für die Aufwendungen des Bundes einen näher bezeichneten Betrag zu bezahlen, weil er zu einer näher bezeichneten Zeit am 5. April 2021 in L vorsätzlich eine falsche Notmeldung ausgelöst und dadurch ein Einschreiten von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes verursacht habe, indem er auf offener Straße mit einer näher bezeichneten Schreckschusspistole hantiert und mehrmals in die Luft geschossen habe (II.). Eine Revision wurde für unzulässig erklärt (II.).

2        Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, es sei nach § 92a Abs. 1a Z 1 SPG nicht gefordert, dass der Ersatzpflichtige selbst eine falsche Notmeldung abgebe. Nach den Erläuterungen zu dieser Bestimmung liege eine falsche Notmeldung unter anderem vor, wenn jemand eine Gefahrensituation etwa mittels täuschend echten „Spielzeugwaffen“ vortäusche und dadurch eine Notmeldung durch Dritte auslöse. Dies sei in gegenständlicher Angelegenheit unzweifelhaft der Fall. Der Revisionswerber habe auf öffentlicher Straße mit einer - täuschend echt aussehenden - (Schreckschuss-)Pistole hantiert, damit mehrmals in die Luft geschossen und dadurch einen Beobachter veranlasst, die Polizei zu alarmieren. Der Revisionswerber habe auf diese Weise eine falsche Notmeldung ausgelöst und so einen Polizeieinsatz verursacht, der das Einschreiten von insgesamt 67 Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie den Einsatz eines Diensthundes und eines Polizeihubschraubers zur Folge gehabt habe.

3        Zur Frage, ob die Notmeldung vorsätzlich ausgelöst worden sei, verwies das Verwaltungsgericht auf den Begriff des dolus eventualis nach § 5 StGB. Dolus eventualis falle demjenigen zur Last, der wisse, dass seine Handlung möglicherweise die tatbestandmäßig festgelegte Konsequenz habe und diese billigend in Kauf nehme (Verweis auf OGH 16.11.1972, 9 Os 58/72, 11 Os 201/77). Da der Revisionswerber vorliegend Schüsse aus einer täuschend echt aussehenden Schreckschusspistole abgegeben habe, obwohl er es ernstlich für möglich gehalten habe, dass dies andere Personen dazu veranlassen könne, die Polizei zu alarmieren, sei die Voraussetzung des vorsätzlichen Auslösens der Notmeldung gegeben. Es sei kein Rauschzustand vorgelegen, der die Zurechnungsfähigkeit des Revisionswerbers ausgeschlossen hätte. Der Revisionswerber sei trotz seiner Alkoholisierung in der Lage gewesen, die Folgen seines Handelns einzusehen.

4        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

5        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

7        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8        Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, das angefochtene Erkenntnis sei von näher bezeichneter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Verweis auf VwGH 28.2.2017, Ra 2017/01/0040) abgewichen, weil „in casu“ ein krasser Fehler der Beweiswürdigung „unterlaufen“ sei. So sei das Verwaltungsgericht vom Vorliegen eines dolus eventualis ausgegangen, obwohl aus der Beschuldigtenvernehmung (die Revision verweist auf ein näher bezeichnetes strafgerichtliches Verfahren vor dem Bezirksgericht L, welches gemäß § 200 Abs. 5 StPO eingestellt worden sei) als auch „dem Protokoll“ (gemeint der Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht) ersichtlich sei, dass der Revisionswerber zur Zeit der Tat stark alkoholisiert gewesen sei und mehrmals betont habe, „dass er sich eben nichts dachte“. Er habe zur Zeit der Tat „gar nicht“ realisiert, „was er da in Gang setzte“. Der Revisionswerber habe nicht selbst die Polizei angerufen und habe auch nicht vorsätzlich eine Notmeldung durch sein Verhalten ausgelöst, da es sich im Zeitpunkt der Abgabe der Schüsse „nichts dachte“.

9        Die von der Revision angesprochene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zur Kostenersatzpflicht nach § 92a Abs. 1 SPG (Verursachung durch eine technische Alarmeinrichtung) ergangen (vgl. so auch VwGH 25.4.2017, Ra 2016/01/0266, und VwGH 22.7.2020, Ro 2020/01/0009, mwN). Vorliegend wurde die Kostenersatzpflicht auf § 92a Abs. 1a Z 1 SPG gestützt.

10       Gemäß § 92a Abs. 1a Z 1 hat als Ersatz der Aufwendungen des Bundes einen Pauschalbetrag, der mit Verordnung des Bundesministers für Inneres festgesetzt wird, zu leisten, wer ein Einschreiten von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes verursacht, weil er vorsätzlich eine falsche Notmeldung auslöst. Die Verpflichtung zur Leistung trifft im Fall der Z 1 denjenigen, der die falsche Notmeldung ausgelöst hat.

11       Abs. 1a wurde mit der Novelle BGBl. I Nr. 29/2018 in § 92a SPG eingefügt. Nach den Materialien (vgl. ErlRV 15 BlgNR 26. GP 3)

„sollen durch die Einführung eines Abs. 1a Personen, die ein Einschreiten der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes verursachen, in zwei abschließend genannten Fällen zum Ersatz der Kosten des Polizeieinsatzes verpflichtet werden können. Zum einen dann, wenn der Einsatz durch vorsätzlich falsche Notmeldung, etwa durch Notruf oder Notzeichen, ohne Vorliegen einer Gefahrensituation ausgelöst wurde. Davon umfasst ist auch der Fall, dass jemand eine Gefahrensituation etwa mittels täuschend echten ‚Spielzeugwaffen‘ vortäuscht und dadurch eine Notmeldung (durch Dritte) auslöst. ...

In diesen Fällen soll derjenige, der vorsätzlich die falsche Notmeldung ausgelöst hat (Z 1), ... zum Ersatz der Kosten nach Maßgabe der konkret eingesetzten Mittel verpflichtet werden. Die Wahl des konkret herangezogenen Einsatzmittels richtet sich nach topographischen und sonstigen einsatzspezifischen Parametern“.

12       Die Revision wendet sich in ihrer Zulässigkeitsbegründung allein gegen die beweiswürdigenden Erwägungen des Verwaltungsgerichtes zur Annahme, dass die falsche Notmeldung vorsätzlich ausgelöst worden sei.

13       Dazu verweist die Revision selbst auf die (auch zu § 92a SPG ergangene) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nur dann vorliegt, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 28.2.2017, Ra 2017/01/0040, mwN; vgl. aus jüngerer Zeit für viele auch VwGH 27.1.2022, Ra 2021/01/0417, mwN).

14       Dass dem Verwaltungsgericht ein derartiger krasser Fehler der Beweiswürdigung unterlaufen wäre, wird in den alleine maßgeblichen Zulässigkeitsausführungen der vorliegenden Revision nicht dargelegt.

15       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 18. März 2022

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022010051.L00

Im RIS seit

18.04.2022

Zuletzt aktualisiert am

26.04.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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