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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AVG §45 Abs2Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer sowie die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Fasching als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision des M D in W, vertreten durch die MMag.Dr. Kazim Yilmaz Rechtsanwalts GmbH in 1010 Wien, Volksgartenstraße 3, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 1. September 2021, Zl. VGW-152/058/6448/2021-16, betreffend Staatsbürgerschaft (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Wiener Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Dem Revisionswerber war mit Bescheid der belangten Behörde vom 8. Februar 1996 die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen worden, nachdem er gemäß Entlassungsurkunde entsprechend dem türkischen Ministerratsbeschluss vom 9. Oktober 1995 aus dem türkischen Staatsverband entlassen worden war.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde in der Sache gemäß § 39 iVm § 42 Abs. 3 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) festgestellt, dass der Revisionswerber die österreichische Staatsbürgerschaft gemäß § 27 Abs. 1 StbG durch den Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit mit Wirkung vom 30. April 2018 verloren hat und nicht österreichischer Staatsbürger ist (I.) Eine Revision wurde für nicht zulässig erklärt (II.).
3 Das Verwaltungsgericht führte - umfänglich begründet - im Wesentlichen aus, aus, dass sich aus der von der belangten Behörde durchgeführten Abfrage über die offizielle Homepage der Hohen Wahlkommission der Türkei ergeben habe, dass der Revisionswerber für die türkische Präsidentschafts- und Parlamentswahl am 24. Juni 2018 in der türkischen Wählerevidenz eingetragen gewesen sei. Bei dieser Abfrage seien die persönlichen Daten des Revisionswerbers - insbesondere das türkische Personenkennzeichen, nämlich die mit der vom Revisionswerber vorgelegten Mavi-Kart idente Kimlik-Nummer - eingegeben worden, sodass kein Zweifel an der Authentizität der aus dem offiziellen Wählerverzeichnis abgefragten Daten bestehe. Nach der - näher dargestellten - türkischen Rechtslage sei Voraussetzung für die Eintragung in das Wählerverzeichnis die türkische Staatsbürgerschaft und habe der Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit seit dem Ausscheiden des Revisionswerbers aus dem türkischen Staatsverband im Jahr 1995 nur nach dessen Antrag erfolgen können. Dem gerichtlichen Auftrag, einen Personenstandsregisterauszug vorzulegen, sei der Revisionswerber nicht nachgekommen. Das Verwaltungsgericht sehe es als erwiesen an, dass der Revisionswerber durch eigene Willenserklärung die türkische Staatsangehörigkeit im Zeitraum zwischen 1996 und April 2018 - spätestens mit Stichtag 30. April 2018 - wiedererworben habe.
4 In der Folge führte das Verwaltungsgericht eine Verhältnismäßigkeitsprüfung im Sinne der Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache Tjebbes ua durch und kam dabei - nach abermals umfänglichen Erwägungen - zu dem Ergebnis, dass sich der nach § 27 Abs. 1 StbG ex-lege eintretende Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft für den Revisionswerber als verhältnismäßig erweise.
5 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (VfGH). Mit Beschluss vom 29. November 2021, E 3859/2021-8, lehnte der VfGH die Behandlung der Beschwerde ab und trat die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Begründend führte der VfGH ua. aus, dass „[s]pezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen [...] zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen, insbesondere der Frage, ob das Verwaltungsgericht Wien die Feststellung, dass der Beschwerdeführer die türkische Staatsangehörigkeit (zunächst) wiedererworben hat, zu Recht auf von der Staatsbürgerschaftsbehörde eingesehene Einträge in das von der Hohen Wahlkommission der Türkei online zur Verfügung gestellte Wählerverzeichnis stützt, nicht anzustellen“ seien.
6 In der Folge erhob der Revisionswerber die vorliegende außerordentliche Revision, die sich als unzulässig erweist.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Unter der Überschrift „3. Zulässigkeit der außerordentlichen Revision“ enthält die Revision auf insgesamt 27 Seiten umfangreiche Ausführungen, die zum einen sowohl Revisionsgründe als auch Zulässigkeitsgründe im eigentlichen Sinn darstellen (Pkte. 3.1.1 bis 3.1.13, 3.2) und die zum anderen unter der Überschrift „4. Revisionspunkte/Revisionsgründe“ wiederholt werden (Pkte. 4.1.1 bis 4.1.13, 4.2).
11 Dem Gebot der gesonderten Darstellung der Gründe nach § 28 Abs. 3 VwGG wird insbesondere dann nicht entsprochen, wenn die zur Zulässigkeit der Revision erstatteten Ausführungen der Sache nach Revisionsgründe (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) darstellen oder das Vorbringen zur Begründung der Zulässigkeit der Revision mit Ausführungen, die inhaltlich (bloß) Revisionsgründe darstellen, in einer Weise vermengt ist, dass keine gesonderte Darstellung der Zulässigkeitsgründe im Sinne der Anordnung des § 28 Abs. 3 VwGG vorliegt (vgl. etwa VwGH 24.3.2021, Ra 2021/01/0086, mwN).
12 Der Verwaltungsgerichtshof hat auch bereits wiederholt ausgesprochen, dass dem Erfordernis der gesonderten Darlegung von in § 28 Abs. 3 VwGG geforderten Gründen, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts die Revision für zulässig erachtet wird, nicht entsprochen wird, wenn eine außerordentliche Revision die Ausführungen zur Begründetheit der Revision wortident auch als Ausführungen zur Zulässigkeit der Revision enthält (vgl. etwa VwGH 26.6.2019, Ra 2019/01/0219; 6.10.2020, Ra 2019/16/0033, mwN).
13 Im Übrigen wenden sich die genannten Revisionsausführungen im Wesentlichen gegen die zur Feststellung nach § 27 StbG führende Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts.
14 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes soll sich das Revisionsmodell nach dem Willen des Verfassungsgesetzgebers an der Revision nach den §§ 500 ff ZPO orientieren (vgl. ErläutRV 1618 BlgNR 24. GP 16). Ausgehend davon ist der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz tätig, zur Überprüfung der Beweiswürdigung ist er im Allgemeinen nicht berufen. Auch kann einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. zu § 27 StbG etwa VwGH 26.6.2019, Ra 2019/01/0230, mwN).
15 Derartiges zeigt die Revision nicht auf (vgl. insbesondere zur „Wählerabfrage“ über die offizielle Homepage der Hohen Wahlkommission der Türkei als taugliches Beweismittel VwGH 12.3.2020, Ra 2019/01/0484, in einem dem gegenständlichen Revisionsfall ähnlich gelagerten Fall).
16 Gegen die vom Verwaltungsgericht im Sinne der Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache C-221/17, Tjebbes u.a. durchgeführte, unionsrechtlich gebotene Verhältnismäßigkeitsprüfung (vgl. dazu etwa VwGH 18.2.2020, Ra 2020/01/0022, mwN) bringt die Revision nichts vor.
17 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 21. März 2022
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022010065.L00Im RIS seit
18.04.2022Zuletzt aktualisiert am
26.04.2022