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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
ABGB §182;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des B in W, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. Dezember 1994, Zl. 106.971/2-III/11/94, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der am 12. April 1994 in Wege der österreichischen Botschaft in Preßburg gestellte Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz gemäß § 9 Abs. 3 AufG abgewiesen.
Gemäß § 9 Abs. 3 AufG dürften keine weiteren Bewilligungen erteilt werden, wenn die in § 2 Abs. 1 AufG und der darauf beruhenden Verordnung festgelegte Anzahl von Bewilligungen erreicht sei. Ab diesem Zeitpunkt seien anhängige Anträge, die sich nicht auf den im § 3 AufG verankerten Rechtsanspruch stützten, abzuweisen. Für das Bundesland Wien sei in der Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1994, BGBl. Nr. 72/1994, eine Höchstzahl von 4.300 Bewilligungen festgesetzt worden. Diese Höchstzahl sei nunmehr erreicht. Dem Gesamtvorbringen könne ein Rechtsanspruch entsprechend der geltenden Rechtslage nicht entnommen werden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet. Von der Erstattung einer Gegenschrift wurde Abstand genommen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
In der Beschwerde bleibt unbestritten, daß die maßgebliche Höchstzahl von 4.300 Bewilligungen "nunmehr", also im Zeitpunkt der Entscheidung durch die belangte Behörde, erreicht gewesen sei.
Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften macht der Beschwerdeführer geltend, daß er als Adoptivkind der A, einer österreichischen Staatsbürgerin, die gleichen Rechte wie ein eheliches Kind habe. Er habe das 19. Lebensjahr noch nicht vollendet und sei daher auch minderjährig. Gemäß § 3 Abs. 1 Z. 1 AufG sei einem ehelichen, minderjährigen Kind eines österreichischen Staatsbürgers eine Bewilligung zu erteilen, sofern kein Ausschließungsgrund vorliege. Ein solcher Ausschließungsgrund liege nicht vor. Selbst wenn die Behörde zu dem Schluß gekommen wäre, daß er bereits volljährig sei, hätte ihm gemäß § 3 Abs. 3 AufG die Bewilligung erteilt werden müssen. Er sei für seine (Adoptiv-)Mutter eine unentbehrliche Hilfe.
Vorweg ist festzuhalten, daß das Vorliegen eines Antrages "gemäß § 3" zufolge der eindeutigen Regelung des § 9 Abs. 3 AufG (i.d.F. vor der Novelle BGBl. Nr. 351/1995) bei Erreichen der maßgeblichen Höchstzahl an Bewilligungen (hier: 4.300) lediglich zu einer Verschiebung der Entscheidung auf das folgende Jahr führt und nicht zu einer Stattgebung des Antrages.
Gemäß § 3 Abs. 1 Z. 1 AufG ist ehelichen und außerehelichen minderjährigen Kindern von österreichischen Staatsbürgern eine Bewilligung zu erteilen, sofern kein Ausschließungsgrund (§ 5 Abs. 1) vorliegt.
Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren (sowohl bei der Antragstellung als auch in der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid) auf den Adoptionsvertrag vom 22. Juni 1994 hingewiesen, wonach die österreichische Staatsbürgerin A den Beschwerdeführer an Kindesstatt angenommen hat und diese Annahme mit dem 23. März 1994 wirksam wurde. Die Wirkungen der Annahme an Kindesstatt sind nach dem Personalstatut des Annehmenden zu beurteilen (§ 26 Abs 2 IPR-Gesetz). Die Wirkung der behaupteten Adoption richtet sich daher nach den §§ 182 ff ABGB. Mit Rechtskraft der Adoptionsbewilligung entstehen gemäß § 182 Abs. 1 ABGB rückwirkend zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zwischen dem Wahlkind und dem Annehmenden die gleichen Rechtsbeziehungen wie bei ehelicher Abstammung. Diese Rechtswirkung tritt ipso jure mit der Bewilligung ein. Die Gleichstellung des Adoptivkindes mit einem ehelichen Kind gilt für die gesamte Rechtsordnung, insbesondere in Familien- und erbrechtlicher Hinsicht. Wo das Gesetz nicht ausdrücklich von leiblichen Kindern oder Blutsverwandten spricht, sind Wahlkind und eheliches Kind gleich zu behandeln (vgl. Schlemmer in: Schwimann, ABGB I § 182 Rz. 2). Dem Beschwerdeführer kommen daher bei Zutreffen der behaupteten Adoption die Rechte eines "Kindes" im Sinne des § 3 Abs. 1 AufG, mit welchem Begriff die familienrechtliche Beziehung gemeint ist, zu. § 3 Abs. 1 AufG stellt darüber hinaus auf die Minderjährigkeit solcher Kinder ab. Die Rechts- und Handlungsfähigkeit einer Person sind nach deren Personalstatut zu beurteilen (§ 12 IPR-Gesetz), das ist das Recht des Staates, dem die Person angehört (§ 9 Abs. 1 leg. cit.). Wird demnach auch die Minderjährigkeit des Beschwerdeführers bejaht, hat er gemäß § 3 Abs. 1 AufG einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Bewilligung. Bei Verneinung der Minderjährigkeit des Beschwerdeführers ist darüber hinaus auf § 3 Abs. 3 AufG Bedacht zu nehmen. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom 20. März 1996, Zl. 95/21/0307) kommt es im Grunde des § 9 Abs. 3 AufG nämlich nicht allein darauf an, ob ein Rechtsanspruch nach § 3 Abs. 1 (und 2) AufG besteht, vielmehr schließt die Wendung "Anträge gemäß § 3" die Bedachtnahme auf die Ausnahmeregelung des § 3 Abs. 3 leg. cit. mit ein. Die Behörde hat somit - bei entsprechendem Vorbringen des Fremden im Verfahren - auch diese Bestimmung in ihre Erwägungen einzubeziehen. Gemäß § 3 Abs. 1 und 3 AufG besteht bei Nichtvorliegen eines Ausschließungsgrundes gemäß § 5 Abs. 1 AufG für volljährige Kinder von österreichischen Staatsbürgern ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Bewilligung im Regelfall dann, wenn ihnen vom betroffenen österreichischen Staatsbürger Unterhalt gewährt wird (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 21. Februar 1996, Zl. 95/21/0416).
Da die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage die für eine Beurteilung gemäß § 3 Abs. 1 und 3 AufG erforderlichen Feststellungen nicht getroffen hat, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Es erübrigt sich somit eine Entscheidung des Berichters über den neuerlichen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde.
Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG abgesehen werden.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995210098.X00Im RIS seit
02.05.2001