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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AufG 1992 §5 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des I in G, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom 14. März 1995, Zl. Fr-5485/95, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg (der belangten Behörde) wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 6, 7 unter Bedachtnahme auf die §§ 19, 20 FrG ein bis 25. November 1999 befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Der Beschwerdeführer sei seinen Angaben zufolge unter Vorweisung eines durch Lichtbildauswechslung verfälschten Reisepasses in das Bundesgebiet eingereist. Nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten und der Sachverhaltsdarstellung in der Beschwerde besorgte sich der Beschwerdeführer in seiner Heimat von einer Organisation, die darauf spezialisiert ist, solche Dokumente gegen Geld zu verkaufen, einen verfälschten Reisepaß gegen Bezahlung von DM 5.000,--. Am 10. November 1994 sei er von der Türkei nach Rumänien gefahren und von dort am 22. November 1994 mit dem Zug über Ungarn nach Österreich, um in die Bundesrepublik Deutschland weiterzufahren. Bei der Einreise nach Österreich habe er bei der Paßkontrolle den verfälschten Reisepaß vorgezeigt, ebenso bei der versuchten Einreise in die Bundesrepublik Deutschland. Bei dieser Grenzkontrollstelle sei die Fälschung erkannt und er festgenommen worden. Durch dieses Verhalten sei der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG erfüllt und die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt.
Anläßlich seiner Anhaltung habe der Beschwerdeführer Barmittel in Höhe von DM 10 bei sich gehabt. In der Berufung vom 12. Dezember 1994 habe sich der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers für einen Zeitraum vom sechs Monaten, also bis spätestens 12. Juni 1995, verpflichtet, für alle durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich entstehenden Aufwendungen für Unterhalt, Verpflegung, Wohnung sowie Krankenversicherungsschutz aufzukommen. Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers sei verpflichtet, sämtliche Rechtsschutzmöglichkeiten zu ergreifen. Es sei daher davon auszugehen, daß bei Ausschöpfung sämtlicher ordentlicher als auch außerordentlicher Rechtsmittel das fremdenrechtliche Verfahren keinesfalls vor dem 12. Juni 1995 abgeschlossen sei. Sohin bestünde nach Ablauf des 12. Juni 1995 die Gefahr, daß der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers zu einer finanziellen Belastung der Republik Österreich führen könnte. Der Beschwerdeführer sei daher nach wie vor als mittellos im Sinne des § 18 Abs. 2 Z. 7 FrG anzusehen.
Aufgrund des illegalen Grenzübertrittes, des unrechtmäßigen Aufenthaltes sowie der Mittellosigkeit des Beschwerdeführers sei die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme auf jeden Fall gerechtfertigt.
Durch die Erlassung des Aufenthaltsverbotes finde kein Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers statt. Eine Bindung zu Österreich bestehe nicht, auch sei beabsichtigt gewesen, nicht im Bundesgebiet zu verbleiben, sondern nach Deutschland weiterzureisen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer meint, daß bei richtiger Würdigung der auf ihn zutreffenden Flucht- und Verfolgungsgründe er Flüchtling im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz sei. Gegen den negativen Asylbescheid sei eine Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof anhängig, er habe somit nach wie vor die Stellung eines Asylwerbers, selbst wenn sein vorläufiges Aufenthaltsrecht im Hinblick auf das Erfordernis einer direkten Einreise gemäß § 6 Abs. 1 Asylgesetz fraglich sei.
Mit diesem Vorbringen vermag der Beschwerdeführer schon deswegen keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen, weil gemäß § 9 Abs. 1 des Asylgesetzes 1991 in der Fassung des Art. II Z. 2 BGBl. Nr. 838/1992 die Bestimmungen der §§ 18 bis 21 FrG auch "auf Flüchtlinge, die Asyl haben, sowie auf Asylwerber, die eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung (§ 7)" haben, Anwendung finden.
Der Beschwerdeführer meint, die Verwendung eines verfälschten Reisedokumentes erfülle nicht den Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG. Es handle sich dabei vielmehr um ein strafrechtlich zu ahndendes Vergehen, welches nur dann "aufenthaltsverbotsrelevant" sei, wenn es dabei zu einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten (§ 18 Abs. 2 Z. 1 FrG) komme.
Daß das vom Beschwerdeführer gesetzte Verhalten dem Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG zu unterstellen ist und daß diese bestimmte Tatsache im Sinne des § 18 Abs. 1 leg. cit. auch die Annahme rechtfertigt, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung (konkret: das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen) gefährdet, entspricht der hg. Rechtsprechung (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 10. Februar 1994, Zl. 93/18/0522, vom 3. März 1994, Zl. 94/18/0011, vom 1. Dezember 1994, Zl. 94/18/0841, und vom 5. April 1995, Zl. 95/18/0057). Der Umstand, daß der Beschwerdeführer wegen des Gebrauches einer verfälschten Urkunde rechtskräftig verurteilt wurde und diese Verurteilung nicht den Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG verwirklicht, kann daran nichts ändern. § 18 Abs. 2 leg. cit. enthält eine demonstrative Aufzählung jener Tatsachen, die eine Gefährdung der im Abs. 1 leg. cit. genannten Interessen indizieren. Die Anwendung der Z. 6 des Abs. 2 hat nicht zur Voraussetzung, daß wegen eben dieses Verhaltens eine gerichtliche Verurteilung vorliegt. Kommt es aber - wie im Beschwerdefall - zu einer rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilung, so wird deswegen die Z. 6 nicht unanwendbar, weil sie im Verhältnis zur rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilung (Z. 1) die speziellere Bestimmung ist.
Gegen die Annahme der belangten Behörde, daß der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 7 FrG verwirklicht sei, bringt der Beschwerdeführer vor, sein Rechtsvertreter habe sich verpflichtet, für seinen Unterhalt bis zum 12. Juni 1994 (gemeint wohl: 1995) aufzukommen. Auch damit kann der Beschwerdeführer jedoch keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzeigen. Eine Verpflichtungserklärung im Sinne des § 10 Abs. 3 Z. 2 FrG muß sich auf die Dauer des beabsichtigten Aufenthaltes des Begünstigten erstrecken, um die vom Gesetz geforderten eigenen Mittel zum Unterhalt des Fremden ersetzen zu können. Eine nicht die beabsichtigte Dauer des Aufenthaltes abdeckende Verpflichtungserklärung kann daher die Folgen des Fehlens der eigenen Mittel nicht hintanhalten.
Aufgrund des Vorliegens einer "bestimmten Tatsache" im Sinn des § 18 Abs. 1 FrG (in zweifacher Hinsicht) und des unbestrittenermaßen unrechtmäßigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers durfte die belangte Behörde, ohne rechtswidrig zu handeln, zu dem Ergebnis gelangen, daß der (weitere) Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle.
Gegen die - in der Beschwerde unbestrittene - Auffassung der belangten Behörde, daß das Aufenthaltsverbot keinen relevanten Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers im Sinne des § 19 FrG darstellt, bestehen keine Bedenken. Im Hinblick auf dieses Ergebnis erübrigen sich aber weitere Erörterungen darüber, ob die Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Sinne des § 19 FrG dringend geboten war, sowie die Vornahme einer Interessenabwägung im Sinne des § 20 Abs. 1 FrG.
Was die vom Beschwerdeführer als zu lang empfundene Dauer des Aufenthaltsverbotes anlangt, so ist darauf zu verweisen, daß nach der hg. Rechtsprechung (vgl. das Erkenntnis vom 3. März 1994, Zl. 94/18/0011, mit weiterem Nachweis) - unter Bedachtnahme auf § 21 Abs. 1 FrG - ein Aufenthaltsverbot für jenen Zeitraum, nach dessen Ablauf vorhersehbarerweise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird, und auf unbestimmte Zeit zu erlassen ist, wenn ein Wegfall des Grundes für seine Verhängung nicht vorhergesehen werden kann. Mit seinem Hinweis auf die Gründe, die ihn zur Flucht nach Österreich veranlaßt hätten, vermag der Beschwerdeführer nicht darzutun, daß der Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes schon vor dem von der belangten Behörde angenommenen Zeitpunkt anzunehmen sei. Der Verwaltungsgerichtshof kann auf dem Boden der dargestellten Rechtsprechung nicht finden, daß die belangte Behörde in diesem Punkt rechtswidrig gehandelt hätte.
Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, die belangte Behörde hätte mit dem "gelinderen Mittel der Erlassung eines Ausweisungsbescheides" vorgehen müssen, ist ihm zu erwidern, daß die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen gemäß § 18 Abs. 1 FrG zwingend vorgeschrieben ist (arg.: "... ist ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, ..."), sodaß für die belangte Behörde kein Raum für Überlegungen in der vom Beschwerdeführer gewünschten Richtung bestand (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. November 1995, Zl. 95/21/0235).
Die Ausführungen des Beschwerdeführers über die Situation in seiner Heimat und die ihm im Falle einer Abschiebung allenfalls drohende Gefahr oder Verfolgung, sind für die Frage, ob ein Aufenthaltsverbot zu erlassen ist bzw. erlassen werden darf, ohne Relevanz (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 4. Mai 1994, Zl. 94/18/0173); zur Beurteilung der Zulässigkeit bzw. Unzulässigkeit der Abschiebung steht ein gesondertes (Feststellungs-)Verfahren zur Verfügung, das auf Antrag des Fremden einzuleiten ist (§ 54 FrG). Der Beschwerdeführer hat im übrigen nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten von dieser rechtlichen Möglichkeit Gebrauch gemacht.
Die Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995210595.X00Im RIS seit
11.07.2001