Entscheidungsdatum
20.12.2021Index
66/01 Allgemeines SozialversicherungsgesetzNorm
ASVG §33Text
IM NAMEN DER REPUBLIK !
gekürzte Ausfertigung
gemäß § 29 Abs. 5 iVm § 50 Abs. 2 VwGVG
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Mag. Hohenegger über die Beschwerde des Herrn A. B. gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt …, vom 09.11.2020, Zl. MBA/...5/2020, betreffend Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG), nach Durchführung zweier öffentlicher mündlicher Verhandlungen am 08.10.2021 und 09.11.2021
zu Recht e r k a n n t:
Zu VGW-041/068/16480/2020:
I. Gemäß § 50 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 38 VwGVG iVm § 45 Abs. 1 Z 2 VStG eingestellt.
Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat die beschwerdeführende Partei keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.
II. Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 25a VwGG eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG durch die belangte Behörde unzulässig.
Zu: VGW-041/068/16481/2020:
I. Gemäß § 50 Abs. 1 VwGVG wird zu den Spruchpunkten 1., 2. und 4. der Beschwerde Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 38 VwGVG iVm § 45 Abs. 1 Z 2 VStG eingestellt. Hinsichtlich der Spruchpunkte 3., 5. und 6. wird der Beschwerde insoweit Folge gegeben, als die Strafbeträge unter Anwendung von § 111 Abs. 2 letzter Satz ASVG hinsichtlich der Spruchpunkte 3. und 5. auf jeweils € 450,00 und hinsichtlich Spruchpunkt 6 auf € 550,00 herabgesetzt werden. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.
Entsprechend der Herabsetzung der Strafe hinsichtlich der Spruchpunkt 3., 5. und 6. des angefochtenen Straferkenntnisses hat der Beschwerdeführer als Beitrag zu den Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens gemäß § 64 VStG statt € 438,00 insgesamt € 140,00 zu bezahlen.
Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat die beschwerdeführende Partei keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.
II. Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 25a VwGG eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
I. E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Das Beschwerdeverfahren und insbesondere die Einvernahmen in der öffentlichen mündlichen Verhandlung haben Folgendes zutage gefördert:
Anlässlich einer Kontrolle nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, Einkommensteuergesetz und Lohn- und Sozialdumpinggesetz durch Organe der Finanzpolizei wurde am 18.2.2020 um 10:00 Uhr in C., D.-Straße im Verteilerzentrum der Firma E. Austria GmbH die Dienstnehmer dieser Firma und ihrer zwölf Vertragspartner (Paketdienstleister) überprüft.
Im Zuge von weiteren Erhebungen konnte festgestellt werden, dass weitere 96 Sub-Unternehmen und 24 Sub-Sub-Unternehmen samt Dienstnehmer mit der Paketverteilung bzw.-Zustellung befasst waren. Die Firma E. Austria GmbH übermittelte der Finanzpolizei für den Zeitraum von 1.7.2019 bis 29.2.2020 die gespeicherten Scanner Daten, in welchen u.a. das Datum, der Name des Fahrers, die Route des Vertragspartners, die Routenidentifikationsnummer, die Anzahl der Pakete, Start und Ende der Tour ersichtlich sind. Diese Daten wurden von Organen der FinPol in Excel Tabellen gefasst und um einige weitere Daten, wie z.B. die Gesamtstunden, ergänzt. In den von der Firma E. Austria GmbH übermittelten Unterlagen waren Daten ersichtlich, welche nach Ansicht der Finanzpolizei und des Magistrats der Stadt Wien, MBA 13/14 (im Folgenden: belangte Behörde) nahegelegt haben, dass
1. Herr F. G., geb. …, irak. StAng., am 2.12.2019,
2. Herr H. J., geb. …, irak. StAng, am 9.12.2019,
3. Herr K. L., geb. …, österr. Stb, am 10.12.2019,
4. Herr M. L., geb. …, österr. Stb, vom 19.11.2019 bis 18.2.2020,
5. Herr N. P., geb. …, österr. Stb, am 16.12.2019,
6. Herr R. S., geb. …, österr. Stb, am 10.12.2019
für die Fa. B. KG, . Wien, T.-str., deren unbeschränkt haftender Gesellschafter Herr B. A., geb. … (im Folgenden: Beschwerdeführer, BF) damals war, als Paketzusteller unselbständig beschäftigt gewesen seien.
Mangels entsprechender Bewilligungen bzw. Anmeldungen legte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer als Verantwortlichen der Fa. B. KG mit verfahrensgegenständlichem Straferkenntnis MBA/...5/2020 zur Last, dass diese Firma den Ausländer G. F. ohne eine Genehmigung zur Ausländerbeschäftigung am 2.12.2019 als Paketzusteller beschäftigt habe und mit verfahrensgegenständlichem Straferkenntnis MBA/...0/2020 zur Last, dass diese Firma 1. Herrn F. G., geb. …, irak. StAng., am 2.12.2019, 2. Herrn H. J., geb. …, irak. StAng, am 9.12.2019, 3. Herrn K. L., geb. …, österr. Stb, am 10.12.2019, 4. Herrn M. L., geb. …, österr. Stb, vom 19.11.2019 bis 18.2.2020, 5. Herrn N. P., geb. …, österr. Stb am 16.12.2019 und 6. Herrn R. S., geb. …, österr. Stb, am 10.12.2019 als Paketzusteller beschäftigt habe, ohne diese vor Arbeitsantritt bei der ÖGK zur Pflichtversicherung anzumelden bzw. im Falle des M. L. vor Arbeitsantritt richtig zur Pflichtversicherung anzumelden, da dieser nur geringfügig beschäftigt gemeldet gewesen und die höchstzulässige Gesamtarbeitszeit für geringfügig Beschäftigte überschritten worden sei.
Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer zu den ihm zur Last gelegten Zeiten unbeschränkt haftender Gesellschafter der Firma B. KG war. Tätigkeitsfeld dieser Firma war unter anderen die Übernahme von Aufträgen zur Paketzustellung von der Firma U. GMBH, welche wiederum ihre Aufträge vornehmlich von der Firma E. Austria GmbH erhielt.
Über die Software – z.B. Applikationen für Mobiltelefone - wurden Aufträge der Firma E. Austria GmbH von U. GMBH übernommen, welche wiederum über Applikationen die von E. ausgebildeten Lenker ihrer Subunternehmer direkt anforderte und für Touren am nächsten Tag über ihre Disponenten einteilte. Toureinteilungen von bei der B. KG beschäftigten Fahrern erfolgten ausschließlich über den Disponenten der U. GMBH, welcher diese in das System von E. einmeldete.
Sobald diese Daten an E. übermittelt waren, konnten sie von U. GMBH oder deren Subunternehmern nicht mehr ohne negative Konsequenzen geändert werden, weshalb es dann zu falschen Datensätzen kommen konnte, wenn es kurzfristige Änderungen wie Krankenstände etc. gab. Es kam auch häufig vor, dass Vertragspartner von E., wie z.B. die U. GMBH, nicht alle am Vortag bestellten Fahrer einsetzen konnte, da weniger Pakete angeliefert wurden, als angekündigt waren. In solchen Fällen wurden die überschüssigen Fahrer dann nicht eingesetzt oder wurden als sog. Rescue Mitarbeiter eingesetzt, für den Fall, dass ein eingeteilter Fahrer sein Pensum nicht zeitgerecht erfüllte. Dies alles konnte zur Konsequenz haben, dass Fahrer, die nicht im System eingemeldet waren die Routen fuhren und ausgefallene Fahrer im System gespeichert verblieben, obwohl sie gar nicht gefahren sind.
Die Einvernahmen von Zeugen – auch in Parallelverfahren - förderten auch zutage, dass solche Fehler darüber hinaus häufig wegen des Zeitdrucks sich ereigneten und von einvernommenen Zeugen für möglich und häufig gehalten werden. Der ehemalige Geschäftsführer eines anderen Vertragspartners von E. (…) war in einem Parallelverfahren sogar überzeugt, dass Disponenten aus Kalkül die Namen von Anfängern verwendet haben, um Vereinfachungen bei der Festsetzung der Touren zu haben, da bekannt war, dass E. Lvl. 1 und Lvl. 2 Fahrer als förderungswürdigen Nachwuchs bevorzugte.
Es wird festgestellt, dass R. S., geb. …, zumindest am 10.12.2019 bei einer Paketauslieferungstour im Rahmen einer Praxisfahrt beim Bruder des Beschwerdeführers bzw. einem anderen Lenker der B. KG mitfuhr, nachdem er sich ursprünglich auf der V.-straße bei W. gemeldet hatte, um den damals dort angestellten Beschwerdeführer seine Papiere für die Anmeldung zu übergeben. Diese Tour diente lediglich seiner Schulung, weshalb er nicht selbst Zustellungen vornahm, sondern lediglich mitfuhr, um zu lernen. Trotz seiner Forderung wurde dieser zu bezahlende Praxistag nicht bezahlt. Bei dieser Praxis wurden 15-20 minütige Pausen zum Essen im Auto gemacht.
Diese Feststellungen erfolgten auf Grund der diesbezüglich glaubhaften Aussagen sowohl des Zeugen S., welche durch Anrufe während der mündlichen Verhandlung an den Beschwerdeführer und den Geschäftsführer der Fa. W., Hrn W. X., verifiziert werden konnten. Dass es betreffend dem 11.12.2019 für 3 Tage eine Anmeldung zur Sozialversicherung des S. durch einen gewissen Y. Z. gab, obwohl S. zeugenschaftlich angab 3-4 Tage bei Paketauslieferungstouren mitgefahren zu sein, kann daran liegen, dass S. nicht für alle 3 bzw. 4 Tage über den Disponenten der U. GMBH ins System von E. eingemeldet worden war, da er ohnehin nur als Begleiter mitfuhr und nicht der eigtl. Fahrer der Tour war, weshalb dem Argument des BFV, dass dieser Widerspruch ausreichende Zweifel begründen müsse, dass S. auch nicht am 10.12.2019 mitgefahren sei, nicht zu folgen ist, zumal die Versicherungszeiten des S. bei Y. Z., nämlich 11.12.2019 bis 13.12.2019 (MBA/...0/2020 – AS 11), nicht mit jenem dem BF zur Last gelegten 10.12.2019 im Widerspruch stehen und S. glaubhaft angab mit dem Bruder von M. mitgefahren zu sein und auch M. mehrfach beim Beladen getroffen zu haben, welchen er als groß beschrieb. In diesem Zusammenhang wird festgehalten, dass der BF dazu telefonisch angab, 1,82m groß zu sein. Für das VGW bestehen somit keine Zweifel, dass S. seinen Dienst beim BF angetreten hatte und dementsprechend der von E. angegebene 10.12.2019 in diesem Fall korrekt ist.
Im Gegensatz dazu ist festzustellen, dass G. F. und J. H. die Beschäftigung erst gar nicht angetreten haben. Dies gründet einerseits auf den diesbezüglich glaubhaften Aussagen des Beschwerdeführers, dass der Steuerberater noch vor Dienstantritt bemerkt hatte, dass F. G. über keine Beschäftigungsbewilligung verfügte und dass J. noch vor Dienstantritt absagte und auf den Umstand, dass diese Personen im System von E. lediglich einen Tag aufscheinen, was dafürspricht, dass sie tatsächlich nicht zum Dienst angetreten sind und lediglich ihre Namen nicht aus dem System gelöscht wurden, wie das auch in hg. Parallelverfahren der Fall war. Mag dies auch hinsichtlich der Daten von S. der Fall sein, so steht hier dieser Annahme seine klare Aussage entgegen, dass er mehrere Tage beim Paketausliefern dabei war und der Beschwerdeführer auch selbst sagte, dass er zwar glaube, dass S. nicht zum Dienst erschienen sei, er sich aber nicht mehr sicher sei.
Festgestellt wird, dass N. P. – Dienstantritt am 16.12.2019 (MBA/...0/2020 – AS 19), SV-Anmeldung per 17.12.2019 (MBA/...0/2020 – AS 8) und K. L. – Dienstantritt am 10.12.2019 (MBA/...0/2020 – AS 19), SV-Anmeldung per 11.12.2019 (MBA/...0/2020 – AS 12), längere Zeit für die B. KG als Paketzusteller beschäftigt und zur Sozialversicherung angemeldet waren. Allerdings wurde bei beiden die Anmeldung zur Sozialversicherung erst nach ihrem Dienstantritt vorgenommen, sodass sie im AJ-Web erst mit dem zweiten Tag ihrer Beschäftigung zur Sozialversicherung angemeldet waren. Dies mag daran liegen, dass der Beschwerdeführer den ersten Tag der Beschäftigung, welcher der praktischen Schulung dient, nicht als Teil des Beschäftigungsverhältnisses ansah, was jedoch keinen verschuldensausschließenden Rechtsirrtum darstellt, da dieses Unrecht für jedermann leicht erkennbar ist und der Beschwerdeführer als Geschäftsführer sich mit den einschlägigen Vorschriften vertraut hätte machen müssen.
Festgestellt wird weiters, dass der für die B. KG geringfügig beschäftigt gemeldete M. L. im November 2019 51 Stunden und im Dezember 2019 50 Stunden und 23 Minuten auf Paketzustelltouren zugebracht hat (MBA/...0/2020 – AS 2, 4v, ), wobei die Geringfügigkeitsgrenze bei 50 Stunden im Monat lag. Diese Zeiten hat die Finanzpolizei anhand der von E. zur Verfügung gestellten Beginn- und Endzeiten der Touren errechnet. Dabei wurden jedoch nicht die lt. Kollektivvertrag vorgeschriebenen unbezahlten täglichen Ruhepausen berücksichtigt.
Gemäß dem Kollektivvertrag Kleintransportgewerbe beträgt die tägliche unbezahlte Ruhepause bei einer Tagesarbeitszeit von sechs bis neun Stunden mindestens 30 Minuten, bei einer Tagesarbeitszeit von mehr als neun Stunden mindestens 45 Minuten und ist spätestens nach sechs Stunden einzuhalten.
Die tägliche unbezahlte Ruhepause kann in mehrere Teile von mindestens 15 Minuten aufgeteilt werden.
Dementsprechend waren die unbezahlten Ruhepausen nicht in die Tagesarbeitszeit einzubeziehen und kam es daher nicht zu den dem Beschwerdeführer zu Spruchpunkt 4. zur Last gelegten Überschreitungen der Geringfügigkeitsgrenze des Lenkers M. L. im Ausmaß von 1h im November 2019 bzw. im Ausmaß von 23 min im Dezember 2019.
Der Beschwerdeführer ist verwaltungsstrafrechtlich nicht unbescholten. Er wies zum Tatzeitpunkt mindestens eine Vormerkung wg. eines Verstoßes gegen die Bestimmungen des KFG (VGW – ON 6) und des ruhenden Verkehrs auf (VGW – ON 7).
Gemäß § 111 Abs. 2 letzter Satz ASVG ist unbeschadet der §§ 20 und 21 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 bei erstmaligem ordnungswidrigen Handeln nach Abs. 1 die Geldstrafe bis auf € 365 herabzusetzen, wenn das Verschulden geringfügig und die Folgen unbedeutend sind.
Ab dem vorgehaltenen Dienstantritt war N. P. bis zum 8.8.2020 und ist K. L.– mit Unterbrechungen – bis dato bei der B. KG beschäftigt. Angesichts dieser langen Beschäftigungsdauern, ist die um jeweils einen Tag verspätete Anmeldung zur Sozialversicherung als geringfügige Unterschreitung anzusehen, welche zudem auf einem Irrtum des Beschwerdeführers beruhte und somit ein geringfügiges Verschulden darstellt. Angesichts der langen Dauer der nachfolgenden unbeanstandeten Beschäftigungen und Versicherungszeiten und der Nachzahlungspflicht sind auch die Folgen für die Betroffenen, für Mitbewerber und das Sozialversicherungssystem als unbedeutend einzustufen. Dementsprechend war unter Zugrundelegung eines bei erstmaligem ordnungswidrigen Handelns des Beschwerdeführers gem. § 111 Abs. 2 letzter Satz ASVG vorzugehen.
Im Falle des S. hat das ehrliche Zugeständnis des Beschwerdeführers diesen zum Autohändler für die Einstellung gebeten zu haben zur Klärung des Falles wesentlich beigetragen, sodass dies im Zusammenhalt mit dem Irrtum über die Pflicht den Praxistag zur Sozialversicherung zu melden mit der kurzen Dauer des Verstoßes von lediglich einem Tag ebenso zu einem geringfügigen Verschulden und unbedeutenden Folgen führt – allerdings liegt in diesem Fall keine die negativen Folgen kompensierende lange nachfolgende Versicherungsdauer wie bei den obigen zwei Fällen vor, weshalb die Strafe geringer herabzusetzen ist.
Dementsprechend ist spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Ausländerbeschäftigung; Pflichtversicherung; Anmeldeverpflichtung; Meldepflicht; GeringfügigkeitsgrenzeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2021:VGW.041.068.16480.2020Zuletzt aktualisiert am
14.04.2022