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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
FrG 1993 §17 Abs1;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 95/21/1253Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde 1. der M,
2. des C, beide in F, beide vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in G, gegen die Bescheide der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 8. November 1995, Zl. Fr 286/1991, und vom 2. November 1995, Zl. Fr 291/1991, jeweils wegen Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,ersetzen.
Begründung
Mit den im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheiden der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark wurde gegen die Beschwerdeführer, polnische Staatsangehörige, gemäß § 17 Abs. 1 FrG die Ausweisung verfügt.
In der Begründung dieser Bescheide ging die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verwaltungsverfahrens und der anzuwendenden Gesetzesstellen von folgendem Sachverhalt aus:
Die Erstbeschwerdeführerin halte sich seit 1. Juli 1994 unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. Sie habe verspätet, nämlich am 23. Dezember 1994 einen Antrag auf Verlängerung der ihr zuletzt vom 1. Juli 1993 bis 30. Juni 1994 erteilten Aufenthaltsbewilligung eingebracht.
Der Zweitbeschwerdeführer halte sich seit 7. April 1994 unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. Er habe erst nach Ablauf der ihm zuletzt erteilten gültigen Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz mit 6. April 1994 extrem verspätet, nämlich am 23. Dezember 1994 einen Verlängerungsantrag eingebracht.
Die Beschwerdeführer verwirklichten damit den Tatbestand des § 17 Abs. 1 FrG.
In beiden angefochtenen Bescheiden führte die belangte Behörde zu § 19 FrG aus, daß die Unzulässigkeit der Ausweisung nicht gegeben sei, weil § 17 Abs. 1 FrG lediglich auf den unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet abstelle und gemäß § 19 FrG das Privat- und Familienleben des Fremden dann zu berücksichtigen sei, wenn aufgrund einer solchen Maßnahme massiv in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen werde und dieser Eingriff für den Fremden einen Entzug der Aufenthaltsberechtigung zur Folge hätte. In den Fällen der Beschwerdeführer sei jedoch mit dieser Maßnahme kein Entzug einer bereits erteilten Aufenthaltsberechtigung verbunden. Der Ausweisung stünden auch keine nach § 19 FrG zu berücksichtigenden Umstände entgegen. Die Beschwerdeführer seien aufgrund der Kürze des gesamten Aufenthaltes nicht als integriert anzusehen.
Gegen diese Bescheide richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, sie aus diesen Gründen kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet. Von der Erstattung einer Gegenschrift wurde Abstand genommen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführer sind mit ihren (unklaren) Ausführungen zu § 37 FrG darauf zu verweisen, daß mit der Ausweisung nicht ausgesprochen wird, wohin der von dieser Maßnahme betroffene Fremde auszureisen hat oder allenfalls abgeschoben wird.
Die Beschwerdeführer verweisen darauf, daß sie Anträge auf Verlängerung ihrer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz gestellt hätten, der Zweitbeschwerdeführer darüber hinaus einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, über welche noch nicht entschieden worden sei. Sie hielten sich daher noch immer rechtmäßig im Bundesgebiet auf.
Diesem Vorbringen ist zu entgegnen, daß nur ein rechtzeitig gestellter Antrag auf Verlängerung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz eine Entscheidung über eine Ausweisung gemäß § 17 Abs. 4 FrG hindert. Daß die Beschwerdeführer keinen rechtzeitigen Antrag auf Verlängerung ihrer Aufenthaltsbewilligung gestellt haben, wird in der Beschwerde nicht bestritten. Eine analoge Anwendung dieser Bestimmung auch im Falle eines nicht rechtzeitig gestellten Antrages auf Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung - welcher als (Erst-)Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zu werten ist - kommt mangels Vorliegens einer "echten Lücke" nicht in Betracht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. November 1995, Zl. 94/18/0904). Auch der Hinweis auf den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist des § 6 Abs. 3 AufG durch den Zweitbeschwerdeführer ist nicht zielführend, weil nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 6 Abs. 3 AufG sowohl in dessen Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 351/1995 als auch in der seither geltenden Fassung die Fristversäumnis den materiell-rechtlichen Verlust der Möglichkeit bedeutet, einen Verlängerungsantrag zu stellen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1996, Zl. 95/19/1703) und daher eine solche Fristversäumnis einen Wiedereinsetzungsantrag nicht zuläßt.
Die Auffassung der belangten Behörde, daß sich die Beschwerdeführer nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielten, begegnet daher keinen rechtlichen Bedenken.
Die Beschwerdeführer machen unter Bezugnahme auf § 19 FrG geltend, daß sie sich seit 1988, somit seit mehr als sieben Jahren in Österreich aufhalten. Der Zweitbeschwerdeführer habe in Österreich die Schule besucht, eine Berufsausbildung absolviert und gehe einer Beschäftigung nach.
Mit diesem Vorbringen zeigen die Beschwerdeführer im Ergebnis eine unrichtige Anwendung des § 19 FrG durch die belangte Behörde auf. Entgegen der Auffassung der belangten Behörde ist die Prüfung der Zulässigkeit der Erlassung einer Ausweisung im Grunde des § 19 FrG nicht davon abhängig, ob im Zeitpunkt der Erlassung der Ausweisung der Fremde aufenthaltsberechtigt ist. Die erst im Ausschuß (für innere Angelegenheiten) gewählte Formulierung "... so ist ein solcher Entzug der Aufenthaltsberechtigung nur zulässig ..." wurde nur als "redaktionelle Anpassung" bezeichnet (869 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen NR XVIII. GP, Seite 3 des Berichtes). Eine inhaltliche Änderung gegenüber der Formulierung in der Regierungsvorlage (... es ist seine Erlassung nur zulässig ...) wurde damit nicht vorgenommen.
§ 19 FrG stellt auf den Schutz des Privat- und/oder Familienlebens des Fremden ab. Bei Vorliegen eines im Sinne dieser Bestimmung relevanten Eingriffes in das Privat- und/oder Familienleben ist weiters zu prüfen, ob die Erlassung (unter anderem) einer Ausweisung dringend geboten ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Juli 1994, Zl. 94/18/0241). Ein relevanter Eingriff in das Privatleben ist im Fall der Beschwerdeführer schon im Hinblick auf ihren aktenkundigen, mindestens zweijährigen erlaubten Aufenthalt und der behaupteten Berufstätigkeit des Zweitbeschwerdeführers bzw. des laut Akteninhalt behaupteten Umstandes, daß die Erstbeschwerdeführerin eine Pension im Inland beziehe, gegeben (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1995, Zl. 95/21/0377). Die belangte Behörde hat ausgehend von der Verkennung der Rechtslage keine Feststellungen über die Dauer des rechtmäßigen Aufenthaltes der Beschwerdeführer und der übrigen für eine Integration relevanten - aktenkundigen - Umstände getroffen. Wenn auch nach ständiger hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom 18. Mai 1995, Zl. 95/18/0748) den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Einhaltung durch den Normadressaten aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein sehr hoher Stellenwert zukommt, sind einer Ausweisung gemäß § 17 Abs. 1 FrG das aus seinem rechtmäßigen Aufenthalt in Österreich und sonstigen Umständen resultierende Ausmaß der Integration des Fremden gegenüberzustellen und zu prüfen, ob die Ausweisung auch in diesem Falle dringend geboten ist (vgl. auch hiezu das hg. Erkenntnis vom 23. November 1995, Zl. 94/18/0904).
Da die belangte Behörde diese Rechtslage verkannte, belastete sie die angefochtenen Bescheide mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Aus diesen Gründen waren die Bescheide gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich - im Rahmen des Begehrens - auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG Abstand genommen werden.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995211252.X00Im RIS seit
11.07.2001