Entscheidungsdatum
02.02.2022Norm
BauO NÖ 2014 §5 Abs3Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch die Richterin Mag. Lechner, MA über die Beschwerde des A, vertreten durch B, Rechtsanwalt in ***, ***, gegen den Bescheid des Stadtsenats der Stadt Wiener Neustadt vom 7. Dezember 2021, Zl. ***, betreffend Abweisung des Antrags auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde gegen den Bescheid des Stadtsenats der Stadt Wiener Neustadt vom 29. September 2021, Zl. ***, betreffend Baubewilligung nach der NÖ Bauordnung 2014 (NÖ BO 2014), zu Recht:
1. Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) als unbegründet abgewiesen.
2. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision gemäß § 25 Verwaltungsgerichtshofgesetzes (VwGG) in Verbindung mit Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Feststellungen und Verfahrensgang
Mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wiener Neustadt vom 27. Juli 2021, Zl. *** wurde der C reg.Gen.m.b.H. die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung einer Wohnhausanlage mit 17 Wohneinheiten und einer Tiefgarage für 26 KFZ unter Vorschreibung von Auflagen, auf dem Grundstück Nr. ***, EZ ***, ***, erteilt.
Der Beschwerdeführer ist Eigentümer der dem Bauvorhaben benachbarten Liegenschaft mit der Grundstücksadresse *** und ***, ***.
Die vom Beschwerdeführer dagegen erhobene Berufung wurde vom Stadtsenat der Stadt Wiener Neustadt mit Bescheid vom 28. September 2021, Zl. *** als unbegründet abgewiesen.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich, verbunden mit dem Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 7. Dezember 2021 wurde der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, als unbegründet abgewiesen.
Die Abweisung wird damit begründet, dass der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zwar nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen würden, ein für den Antragsteller auf Grund der Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung entstehender unverhältnismäßiger Nachteile jedoch nicht vorliege. Die bloße Ausführung des bewilligten Bauvorhabens während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens für sich alleine, könne unter Hinweis auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vom 11. April 2017, Ra 2017/05/0033) nicht als unverhältnismäßiger Nachteil gesehen werden. Im Übrigen habe der Beschwerdeführer bereits im Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung den unverhältnismäßigen Nachteil nicht nur zu behaupten, sondern durch konkrete Angaben zu erhärten. Die bloße Behauptung der Rechtsverletzung durch den angefochtenen Bescheid alleine rechtfertige die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht. Einen solchen unverhältnismäßigen Nachteil habe der Beschwerdeführer nicht dargelegt.
In der dagegen erhobenen anwaltlich ausgeführten – nun verfahrensgegenständlichen - Beschwerde wird auf das Wesentliche zusammengefasst ausgeführt, es bestehe entgegen der Ansicht der belangten Behörde sehr wohl ein öffentliches Interesse an der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung, bestehe gegenständlich ja eine Bausperre, welche den Zweck verfolge, eventuell notwendige Inhalte des Flächenwidmungsplanes, die Auswirkungen auf die Zielsetzungen des Stadtentwicklungsplans *** haben können, zu sichern und mittels Bausperre eine mögliche Fehlentwicklung zu vermeiden. Das gegenständliche Bauprojekt umfasse mehr als zehn Wohneinheiten im Geschosswohnbau, würde sich inmitten eines Einfamilienhaus-Viertels befinden und sei demnach unzulässig. Auch für den Beschwerdeführer sei mit der Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden. Die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Nachbarrechte würden ad absurdum geführt werden, wenn die Antragstellerin den Bau beginnen und vollenden könnte und die beschwerdeführende Partei vor vollendete und das Nachbarrecht beeinträchtigende Tatsachen gestellt werden würde. Die antragstellende Partei hätte dann einen faktischen Zustand geschaffen, welcher nur unter Einsatz enormer finanzieller Mittel und erheblichen Zeitaufwand wieder beseitigt werden könnte. Die Nachbarrechte wären bis zur Beseitigung des Zustandes über eine lange Zeitspanne hinweg verletzt und würde auch erheblicher wirtschaftlicher Schaden für den Abbruch entstehen. Es sei insbesondere das Augenmerk auf die brandschutzrechtlichen Bedenken zu legen. Wäre der Antragsteller berechtigt, einen rechtswidrigen Zustand herbeizuschaffen, wonach das Bauobjekt im bewilligten Zustand mit brandschutzrechtlichen Bedenken bzw. Brandbelastung behaftet sei, wäre der Beschwerdeführer in seiner Sicherheit gefährdet. Das Rechtschutzinteresse des Beschwerdeführers als Nachbar wiege demnach jedenfalls höher als das wirtschaftliche Interesse des Bauwerbers an einer vorzeitigen Bauführung.
Die Beschwerde wurde dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich seitens der belangten Behörde mit Schreiben vom 7. Dezember 2021 (hg. eingelangt am 15. Dezember 2021) zur Entscheidung vorgelegt.
II. Ermittlungsverfahren und Beweiswürdigung
Seitens des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich wurde Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der belangten Behörde (Zl. ***) sowie den Gerichtsakt, wobei sich der bisherige Verfahrensablauf aus den in den Akten befindlichen Schriftstücken ergibt und im Wesentlichen unbestritten ist.
III. Rechtliche Erwägungen
Gemäß § 5 Abs. 3 NÖ Bauordnung 2014 (NÖ BO 2014) hat in Baubewilligungsverfahren die Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich keine aufschiebende Wirkung. Die Baubehörde hat jedoch auf Antrag der beschwerdeführenden Partei die aufschiebende Wirkung mit Bescheid zuzuerkennen, wenn
1. dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und
2. nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit der Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung für die beschwerdeführende Partei ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
Dasselbe gilt sinngemäß ab Vorlage der Beschwerde für das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich.
Zunächst ist festzuhalten, dass das Landesverwaltungsgericht keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen diese von § 13 VwGVG abweichende Regelung hat (vgl. zur insofern gleichgelagerten Rechtslage nach der Oö. Bauordnung 2014 VfGH vom 12. März 2015, E 58/2015, VfSlg. 19.969/2015).
Im vorliegenden Fall hat der Stadtsenat der Stadt Wiener Neustadt über den zusammen mit der Beschwerde gestellten Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, entschieden. Beim Stadtsenat handelt es sich um die gemäß § 5 Abs. 3 zweiter Satz NÖ BO 2014 hierzu – bis zur Vorlage der Beschwerde – zuständige „Baubehörde“ (zur insoweit vergleichbaren Rechtslage nach der Oö. BauO 1994 vgl. VfSlg. 19.969/2015), gegen deren Entscheidung Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erhoben werden kann.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geht es im Provisorialverfahren betreffend die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung (vor dem Verwaltungsgerichtshof) nicht um die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung, sondern einzig und allein um die Auswirkungen eines (möglichen) sofortigen Vollzugs (vgl. etwa VwGH vom 15. März 2018, Ra 2018/06/0016, mwN). Dabei kann die bloße Ausübung der mit einer Bewilligung eingeräumten Berechtigung während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens für sich alleine nicht als unverhältnismäßiger Nachteil angesehen werden (z.B. VwGH vom 21. August 2014, Ro 2014/06/0003; VwGH vom 11. April 2017, Ra 2017/05/0033). Darüber hinaus muss der Antragsteller bereits im Antrag den ihn treffenden unverhältnismäßigen Nachteil durch konkrete Angaben erhärten. Die Beurteilung, ob die geltend gemachten Nachteile die Schwelle der Unverhältnismäßigkeit erreichen, hängt von den im Aufschiebungsantrag vorgebrachten konkreten Angaben ab, inwieweit die Folgen des Eingriffes im Fall der Aufhebung des angefochtenen Bescheides beseitigt werden können (vgl. etwa VwGH vom 19. August 2019, Ra 2019/04/0094, VwGH vom 21. März 2013, AW 2013/05/0011, jeweils mwN). Auch kann mit einem Vorbringen, das keine subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte betrifft, kein Grund für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung aufgezeigt werden (vgl. VwGH vom 11. April 2017, Ra 2017/05/0033). Diese einhellige Judikatur ist zwar jeweils auf die Frage der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof bezogen, ist jedoch aufgrund der mit § 30 Abs. 2 VwGG inhaltlich gleichlautenden Bestimmung des § 5 Abs. 3 NÖ BO 2014 auf diese Bestimmung übertragbar (vgl. VwGH vom 26. April 2005, 2004/03/0190).
Zudem kommt es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung von Nachbarbeschwerden im Bauverfahren auch darauf an, ob die Nachbarn im Falle ihres Obsiegens die Möglichkeit haben, einen Vollstreckungstitel zu erwirken, den sie dann nach § 1a Abs. 2 VVG vollstrecken lassen können (vgl. hierzu VwGH vom 13. Februar 2019, Ra 2019/05/0002, zur Rechtslage nach der Bauordnung für Wien). Dies ist betreffend die NÖ BO 2014 – nämlich die in § 35 Abs. 2 leg.cit. getroffene Regelung – der Fall.
Vor diesem Hintergrund lassen sich dem Beschwerdevorbringen keine Umstände entnehmen, die auf das Vorliegen eines unverhältnismäßigen Nachteils für den Beschwerdeführer hindeuten.
Sollte der Beschwerdeführer mit seiner Beschwerde durchdringen, hätten alleine die Bauwerber die Folgen einer dann allenfalls vorliegenden Konsenslosigkeit des Baus und demnach insbesondere auch die damit verbundenen finanziellen Nachteile zu tragen. Sollten in diesem Fall die Bauwerber nicht von sich aus einen Rückbau vornehmen, stehen dem Beschwerdeführer entsprechende rechtliche Möglichkeiten offen, einen solchen zu erzwingen. Daher wäre ein allenfalls eintretender Nachteil bloß vorübergehend und nicht unwiederbringlich (vgl. etwa VwGH vom 8. Juli 2015, Ra 2015/05/0040; VwGH vom 13. Februar 2019, Ra 2019/05/0002).
Auch kann dem Hinweis auf eine bestehende Bausperre die Behauptung der Verletzung in einem subjektiv-öffentlichen Nachbarrecht im Sinne des § 6 NÖ BO 2014 nicht entnommen werden, weshalb auch damit kein Grund für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung aufgezeigt wird.
Die öffentliche mündliche Verhandlung konnte entfallen, weil die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, zumal im vorliegenden Fall der für die rechtliche Beurteilung für die Frage der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde entscheidungswesentliche Sachverhalt aufgrund der Aktenlage feststeht. Zudem werden auch keine Rechtsfragen aufgeworfen, deren Erörterung in einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht erforderlich wäre.
Die Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil die Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im Besonderen wird auf die zitierte Judikatur verwiesen und kommt der gegenständlichen Entscheidung keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu.
Schlagworte
Bau- und Raumordnungsrecht; Baubewilligung; Bausperre; Verfahrensrecht; aufschiebende Wirkung;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2022:LVwG.AV.2135.001.2021Zuletzt aktualisiert am
13.04.2022