TE Lvwg Erkenntnis 2022/2/3 LVwG-AV-883/001-2021

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.02.2022
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Entscheidungsdatum

03.02.2022

Norm

GewO 1994 §74 Abs2
GewO 1994 §360
GewO 1994 §366

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch den Richter Hofrat Mag. Gindl über die Beschwerde des A, vertreten durch , B Rechtsanwältin in ***, ***, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg vom 5. April 2021, Zl. ***, betreffend Maßnahmen zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes gemäß § 360 Abs. 1 GewO 1994, zu Recht:

1.   Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 keine Folge gegeben und diese abgewiesen.

2.   Gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe:

Mit dem angefochtenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg (in der Folge: belangte Behörde) vom 5. April 2021, Zl. ***, wurde gegenüber Herrn A (in der Folge: Beschwerdeführer) gemäß § 360 Abs. 1 und 5 Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) die unverzügliche Schließung der genehmigungspflichtigen Betriebsanlage in Form einer Anlage zur Zwischenlagerung und händischer Sortierung von Abfällen im Standort ***, ***, Grst. Nr. ***, KG ***, verfügt.

Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 9. April 2021 zugestellt.

Der Beschwerdeführer, vertreten durch seine ausgewiesene Rechtsvertreterin, hat gegen diesen Bescheid fristgerecht mit Schreiben vom 7. Mai 2021 Beschwerde erhoben. In dieser führte er wie folgt aus:

„Die Bezirkshauptmannschaft Korneuburg verfügt in dem angefochtenen Bescheid die unverzügliche Schließung der genehmigungspflichtigen Betriebsanlage des Beschwerdeführers in Form einer Anlage zur Zwischenlagerung und händischen Sortierung von Abfällen in Standort ***, ***.

Die Behörde geht in dem angefochtenen Bescheid davon aus, dass der Beschwerdeführer an gegenständlichen Standort eine laufende Betriebsanlage betreibt, wobei die Behörde davon ausgeht, diese Annahme wäre gerechtfertigt, zumal sie zwei Arbeiter mit Schuttmanipulationen beschäftigt gesehen haben will. Die Behörde hat dazu ausgeführt, dass eine massive Gefährdung des Betriebsinhabers und der im Betrieb tätigten Personen sowie der Anrainer gegeben sei.

Die Behörde will die Gefährdung in - hier nun exemplarisch angeführten Maßnahmen: mangelhafte Elektroinstallationen, Einsatz von nicht geeigneten Werkzeugen oder Maschinen und Betriebsmittel, die Lagerung ohne entsprechende sicherheitstechnische und brandschutztechnische Maßnahmen, durch die beim Betrieb entstehende Staubentwicklung hervorgerufen werden kann, erkennen. Auch eine Grundwassergefährdung hält die Behörde für denkbar.

Bei diesen Ausführungen übersieht die Behörde jedoch zur Gänze, dass sich gegenständliche Liegenschaft in einem Industriegürtel befindet, das gesamte Areal zum Betrieb diverser Betriebsanlagen benützt wird. Zu den von der Behörde behaupteten Gefährdungen konnte sie keine entsprechenden konkreten Beweismittel anführen, derartige Gefährdungen wurden also nicht festgestellt, sondern basieren auf einer wagen Vermutung.

Die Behörde legt ihren Feststellungen viel mehr von ihren Handakt zugrunde, unterlässt es aber, dem Beschwerdeführer die Möglichkeit zur Äußerung zu geben. Dieser wurde im gesamten Verfahren nicht befragt, sohin seinem Äußerungsrecht entzogen.

Im Hinblick auf die Komplexität der Sachlage wäre es jedenfalls notwendig gewesen, dem Beschwerdeführer die Möglichkeit des rechtlichen Gehörs einzuräumen und auch ihn zu den vorliegenden Sachverhalten zu befragen.

Die Behörde unterlässt es, zu prüfen, ob an gegenständlicher Adresse nicht auch andere aufrechte Betriebsanlagengenehmigungen vorliegen bzw. Feststellungen darüber zu treffen, dass seitens des Beschwerdeführers jedenfalls in erteilte Auflagen ordnungsgemäß erfüllt worden sind.

Die Voraussetzungen für eine unverzügliche Schließung eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage sind daher nicht gegeben.“

Es wurde die Aufhebung des angefochtenen Bescheides und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

Aus dem vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde ergibt sich nachstehender unstrittiger entscheidungsrelevante Sachverhalt:

Für die gewerbliche Nutzung der Liegenschaft besteht keine aufrechte gewerbebehördliche Betriebsanlagengenehmigung. Eine gewerbebehördliche Genehmigung zum Betrieb der Betriebsanlage wurde weder beantragt noch erwirkt. Der ursprünglich eingebrachte Antrag auf abfallrechtliche Anlagengenehmigung wurde zwischenzeitig zurückgezogen.

Die belangte Behörde machte am 14. Dezember 2020 eine Überprüfung am gegenständlichen Standort eine gewerbebehördliche Überprüfung.

Bei dieser wurde im Wesentlichen festgestellt, dass 3 Arbeitnehmer anwesend waren.

C gab an mit einem LKW hier zu sein und vor Kurzem diverse Materialien abgekippt zu haben. Nun werde er wieder nach Hause fahren.

Es waren frisch abgekippte Abbruchmaterialien wie Rigipsplatten, Dämmplatten, Erdaushub, Baumaterial und ein Dachstuhl vorhanden.

E gab an, er sei hier, um die vorhandenen Materialien händisch zu sortieren, es sei seine 3. Arbeitswoche.

Herr E erschien aus dem aufgestockten Container, welcher im offenbar als Wohnung dient. Der Zugang erfolgte über eine Leiter, welche nicht als Hauptstiege bzw. als Stiege iSd AStV geeignet ist. Es fehlen Absturzssicherungen und Handläufe.

Weiters war noch Herr D anwesend, er war in Arbeitskleidung und gab an als Mechaniker tätig zu sein für A. Was er genau repariere konnte er nicht angeben.

Es wurde der Außenbereich der Anlage sowie die Lagerungen im hinteren Bereich im Gebäude in Augenschein genommen. Dabei handelt es sich um diverse Abfälle, wie Fässer, Kanister (teils leer, teils nicht feststellbarer Inhalt), Gasflaschen, künstliche Mineralfasern und die bereits oben beschriebenen Abfälle.

Von den anwesenden Arbeitnehmern konnten keine Angaben zu den Inhalten der Gebinde gemacht werden.

Es wurde keine Tätigkeiten oder Lagerungen festgestellt, welche Sofortmaßnahmen an Ort und Stelle erforderlich gemacht hätten.

Der Beschwerdeführer wurde im Zuge der Überprüfung von den ebenfalls anwesenden Organen der Finanzpolizei erreicht und gab an, nicht in absehbarer Zeit an Ort und Stelle kommen zu können.

Es wurde ihm mündlich mitgeteilt, dass aufgrund mangelnder Genehmigung die Tätigkeit an der Betriebsstätte unverzüglich einzustellen ist und dies auch noch schriftlich mitgeteilt werden wird.

Zum Abschluss der Amtshandlung wurde noch das Bürogebäude betreten, dort fanden sich Aufzeichnungen über die Tätigkeiten der vergangenen Woche (Lichtbild). Ein Adventkranz war ebenfalls vorhanden und ein Weihnachtstern. Zusammengefasst zeigte sich das Bild einer im laufenden Betrieb befindlichen Anlage. Das Büro war jedoch zum Zeitpunkt der Kontrolle nicht besetzt.

Aus dem Lichtbild ergaben sich Arbeiten am 7., 9., 10., und 11. Dezember 2020. Beim 8. Dezember 2020 stand handschriftlich „FEIERTAG“ geschrieben.

Mit Schreiben der belangten Behörde vom 28. Dezember 2021, ***, wurde dem Beschwerdeführer dies zur Kenntnis gebracht und gemäß § 360 GewO betreffend die gegenständliche Betriebsanlage im Standort ***, ***, Grundstück Nummer ***, KG ***, folgende Verfahrensanordnung getroffen:

„Das unbefugte Betreiben einer genehmigungspflichtigen Betriebsanlage, nämlich einer Anlage zur Zwischenlagerung und händischen Sortierung von Abfällen, ist UNVERZÜGLICH einzustellen.“

Diese Verfahrensanordnung wurde dem Beschwerdeführer nachweislich am 8. Februar 2021 zugestellt.

 

Die Polizeiinspektion *** teilte der belangten Behörde mit Bericht vom 5. Jänner 2021, eingelangt am 18.01.2021 mit, dass am 11.01.2021, 10:28 Uhr bis 10:42 Uhr, am 12.01.2021, 12:15 Uhr bis 12:30 Uhr, am 13.01.2021, 09:52 Uhr, am 14.01.2021, 12:03 Uhr bis 12:07 Uhr, am 15.01.2021, 10:10 Uhr, und am 15.01.2021, 11:57 Uhr, betriebliche Tätigkeiten am Betriebsstandort wahrgenommen werden konnten.

Mit Bericht vom 9. Februar 2021 teilte die Polizeiinspektion *** Wahrnehmungen über betriebliche Tätigkeiten am 08.02.2021 mit.

Am 8. März 2021 haben Organe der belangten Behörde Nachschau gehalten. Am Einfahrtstor zum Betriebsgrundstück war ein Werbeschild mit der Aufschrift „***“ und war von außen erkennbar, dass sich ein LKW mit Mulde auf dem Betriebsgrundstück befindet.

Aus dem Bericht der Polizeiinspektion *** vom 22.03.2021, GZ. ***, ergibt sich, dass im Rahmen einer routinemäßigen Verkehrskontrolle am 22.03.2021, 10:00 Uhr, auf Höhe ***, ***, der LKW mit dem amtlichen Kennzeichen *** angehalten und kontrolliert wurde. Im Zuge der Kontrolle wurde festgestellt, dass der LKW auf den Beschwerdeführer zugelassen ist und dass dieser an dessen Front die Aufschrift „Containerdienst“ trägt. Im Rahmen einer näheren Befragung des Lenkers, F, wurde erhoben, dass dieser für 40 Wochenstunden beim Beschwerdeführer beschäftigt ist und vor der Polizeikontrolle in ***, ***, war, um eine Mulde abzustellen. Der ausgestellte Lieferschein trägt den Firmennamen „G“.

Sodann wurde seitens der belangten Behörde der nunmehr angefochtene Bescheid erlassen.

Aus weiteren Polizeiberichten der Polizeiinspektion *** ergeben sich auch betriebliche Tätigkeiten auf dem gegenständlichen Grundstück bzw. dieses Grundstück betreffend.

-    Bericht vom 3. August 2021: am 30. Juli 2021 ist ein LKW mit einer Mulde (beladen mit Bauschutt) zur Betriebsanlage zugefahren.

-    Bericht vom 3. August 2021: am 5. August 2021 wollte ein LKW mit einer Mulde (beladen mit Abfall) zur Betriebsanlage zufahren. Bei der Kontrolle gab der Lenker an auch am 4. August 2021 eine beladene Mulde auf der gegenständlichen Liegenschaft abgeladen zu haben.

-    Bericht vom 19. August 2021: am 19. August 2021 wollte ein LKW mit einer Mulde (beladen mit Abfall und Unrat) zur Betriebsanlage zufahren.

-    Bericht vom 11. November 2021: am 11. November 2021 ist ein LKW mit einer Mulde (beladen mit Abfall) zur Betriebsanlage zugefahren.

-    Bericht vom 12. November 2021: am 11. November 2021 lieferte ein LKW eine Maschine zur gegenständlichen Liegenschaft.

-    Bericht vom 25. November 2021: am 23. November 2021 fuhr ein LKW auf dem Betriebsareal und waren zwei Arbeiter vor Ort.

-    Bericht vom 29. November 2021: am 26. November 2021 ist ein LKW zugefahren.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat erwogen:

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 Bundes-Verfassungsgesetz erkennt das Verwaltungsgericht über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Medaille

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht - sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist - über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden. Das Verwaltungsgericht hat dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen und nach § 28 Abs. 2 VwGVG grundsätzlich in der Sache zu entscheiden (§ 27 VwGVG). Relevant ist dabei im Bescheidbeschwerdeverfahren – nach h. M. (in diesem Sinn auch VwGH 21.10.2014, Ro 2014/03/0076) – regelmäßig die in seinem Entscheidungszeitpunkt geltende Sach- und Rechtslage, sodass diesbezügliche Änderungen – zum Vor- und Nachteil des Beschwerdeführers (VwGH 27.3.2007, 2007/18/0059) zu berücksichtigen sind. In seinem Verfahren hat das Verwaltungsgericht – soweit sich nicht aus dem VwGVG anderes ergibt – die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1-5 sowie des IV. Teiles, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem, dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (§ 17 VwGVG).

Die Verwaltungsgerichte entscheiden nicht bloß kassatorisch, sondern grundsätzlich in der Sache selbst. Ausnahmen von diesem Grundsatz – insbesondere die Möglichkeit zur Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3 Satz 2 – sind nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes „strikt auf den ihnen gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken". [Hans Peter Lehofer, Die Prüfung des angefochtenen Bescheids durch die Verwaltungsgerichte, ÖJZ 2015/73 (541)]. Der Verwaltungsgerichtshof hat klargestellt, dass die frühere Rechtsprechung zur "Sache" des Berufungsverfahrens auch auf das verwaltungsgerichtliche Verfahren zu übertragen ist. Sache des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht ist demnach jedenfalls nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde gebildet hat. Das Verwaltungsgericht darf auch nicht über Anträge absprechen, die von der belangten Behörde nicht behandelt wurden, ebenso wenig darf es ein zusätzliches Begehren zum Gegenstand seiner Entscheidung machen (Hans Peter Lehofer, Die Prüfung des angefochtenen Bescheids durch die Verwaltungsgerichte, aaO).

„Sache“ des Beschwerdeverfahrens ist – ungeachtet des durch § 27 VwGVG vorgesehenen Prüfungsumfanges – jedenfalls nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde gebildet hat (vgl. VwGH vom 17.12.2014, Ra 2014/03/0049).

Die Prüfungsbefugnis der Verwaltungsgerichte ist keine unbegrenzte; der äußerste Rahmen für die Prüfbefugnis ist die "Sache" des bekämpften Bescheides; innerhalb des so eingeschränkten Prüfungsumfanges findet noch einmal eine weitere Beschränkung insofern statt, als Parteibeschwerden iSd Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG nur insoweit zu prüfen sind, als die Frage einer Verletzung von subjektiv-öffentlichen Rechten Gegenstand ist (vgl. VwGH 17. Dezember 2014, Ro 2014/03/0066).

Gemäß § 360 Abs. 1 GewO 1994 hat die Behörde unabhängig von der Einleitung eines Strafverfahrens den Gewerbeausübenden bzw. den Anlageninhaber mit Verfahrensanordnung zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes innerhalb einer angemessenen, von der Behörde zu bestimmenden, Frist aufzufordern, wenn der Verdacht einer Übertretung gemäß § 366 Abs. 1 Z 1, 2 oder 3 besteht; eine solche Aufforderung hat auch dann zu ergehen, wenn der Verdacht einer Übertretung gemäß § 367 Z 25 besteht und nicht bereits ein einschlägiges Verfahren gemäß § 79c oder § 82 Abs. 3 anhängig ist. Kommt der Gewerbeausübende bzw. der Anlageninhaber dieser Aufforderung innerhalb der gesetzten Frist nicht nach, so hat die Behörde mit Bescheid die zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes jeweils notwendigen Maßnahmen, wie die Stilllegung von Maschinen oder die Schließung von Teilen des Betriebes oder die Schließung des gesamten Betriebes zu verfügen.

Gemäß § 360 Abs. 1a GewO 1994 hat in den Fällen des Verdachts einer Übertretung gemäß § 366 Abs. 1 Z 2 oder Z 3 oder § 367 Z 25 ein Bescheid gemäß Abs. 1 nicht zu ergehen, wenn und solange im konkreten Einzelfall

1. für die Behörde keine Bedenken vom Standpunkt des Schutzes der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen oder der Vermeidung von Belastungen der Umwelt (§ 69a) hervorkommen, und

2. innerhalb einer von der Behörde gleichzeitig mit der Verfahrensanordnung gemäß Abs. 1 bestimmten, angemessenen und nicht erstreckbaren Frist ein diesem Bundesgesetz entsprechendes Ansuchen (§ 353) um die erforderliche Genehmigung eingebracht und sodann auf Grund dieses Ansuchens ein entsprechender Genehmigungsbescheid erlassen wird.

Abs. 1a gilt nicht für in der Anlage 3 zu diesem Bundesgesetz angeführte Betriebsanlagen.

Aus der zitierten gesetzlichen Regelung ist eindeutig abzuleiten, dass der Normadressat von Maßnahmen gemäß § 360 GewO nur der Gewerbeausübende bzw. der Anlageninhaber sein kann. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sind darunter der eine gewerbliche Tätigkeit Ausübende oder eine Betriebsanlage Betreibende zu verstehen. Es können auch juristische Personen oder Personengesellschaften des Handelsrechtes die Normadressaten von Maßnahmen nach § 360 GewO sein. Im verfahrensgegenständlichen Fall war der Normadressat sowohl hinsichtlich der Verfahrensanordnung als auch des bekämpften Bescheides der Beschwerdeführer, welcher entsprechend der Aktenlage Betreiber der gegenständlichen Betriebsanlage im verfahrensgegenständlichem Standort ist. Dies ergab sich aus der Aktenlage und wird vom Beschwerdeführer auch nicht bestritten.

Gemäß § 366 Abs. 1 Z. 1, 2 und 3 GewO 1994 begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu € 3.600,00 zu bestrafen ist, wer

1. ein Gewerbe ausübt, ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung erlangt zu haben;

2. eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage (§ 74) ohne die erforderliche Genehmigung errichtet oder betreibt und

3. eine genehmigte Betriebsanlage ohne die erforderliche Genehmigung ändert oder nach der Änderung betreibt (§ 81).

Aufgrund der unbestrittenen Aktenlage (Akt der belangten Behörde) ergab sich zweifelsfrei, dass für den gegenständlichen Standort gewerbliche Tätigkeiten (Zwischenlagerung und händische Sortierung von Abfällen) vorgenommen werden und hierfür keine (notwendige) betriebsanlagenrechtliche Genehmigung erteilt war bzw. lag keine derartige vor. Es lag daher der Verdacht einer im § 360 Abs. 1 leg. cit genannten Übertretung vor. Der Beschwerdeführer wurde mit Verfahrensanordnung der belangten Behörde vom 28. Dezember 2020 aufgefordert, den der Rechtsordnung entsprechenden Zustand innerhalb einer angemessenen Frist herzustellen.

Die Aktenlage ist unstrittig und wird auch seitens des Beschwerdeführers in der Beschwerde nicht bestritten.

§ 74 Abs. 2 GewO 1994 lautet:

„Gewerbliche Betriebsanlagen dürfen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind,

1.   das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 450/1994, in der jeweils geltenden Fassung, unterliegenden mittätigen Familienangehörigen oder des nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 450/1994, in der jeweils geltenden Fassung, unterliegenden mittätigen eingetragenen Partners, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden; als dingliche Rechte im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten auch die im § 2 Abs. 1 Z 4 lit. g angeführten Nutzungsrechte,

2.   die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen,

3.   die Religionsausübung in Kirchen, den Unterricht in Schulen, den Betrieb von Kranken- und Kuranstalten oder die Verwendung oder den Betrieb anderer öffentlichen Interessen dienender benachbarter Anlagen oder Einrichtungen zu beeinträchtigen,

4.   die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs an oder auf Straßen mit öffentlichem Verkehr wesentlich zu beeinträchtigen oder

5.   eine nachteilige Einwirkung auf die Beschaffenheit der Gewässer herbeizuführen, sofern nicht ohnedies eine Bewilligung auf Grund wasserrechtlicher Vorschriften vorgeschrieben ist.“

Aus dem Akt der belangten Behörde ergab sich zweifelsfrei, dass der gegenständliche Betrieb (Zu- und Abfahrten, Ab- und Ladevorgänge, Sortierung des Abfalles) insbesondere hinsichtlich der Lärm- Geruchs- und Staubentwicklung geeignet ist, die im § 74 Abs. 2 GewO 1994 umschriebenen Interessen zu beeinträchtigen. Es liegt daher eine Genehmigungspflicht der gegenständlichen Änderung bzw. liegt jedenfalls der Verdacht einer Übertretung gemäß § 366 Abs. 1 Z 2 GewO 1994 vor.

Ergänzend wird hierzu ausgeführt, dass eine Genehmigungspflicht einer gewerblichen Betriebsanlage (auch eine Genehmigung einer Änderung) bereits bei grundsätzlicher Eignung, einen (oder mehrere) der Tatbestände der Z 1 bis 5 des § 74 Abs. 2 GewO 1994 zu erfüllen, gegeben ist. Um dies zu beurteilen, genügt es in der Regel, auf das allgemeine menschliche Erfahrungsgut zurückzugreifen (VwGH vom 20.9.1994, 94/04/0068).

Ob im konkreten Einzelfall tatsächlich Gefährdungen usw. bestehen, ist im Genehmigungsverfahren (nach § 81 bzw. § 77) zu überprüfen (vgl. u.a. VwGH vom 20.12.1994, 94/04/0162; 8.11.2000, 2000/04/0157).

Die Genehmigungspflicht ist immer schon dann gegeben, wenn solche Auswirkungen (Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen, nachteilige Einwirkungen) auf bestimmte Personen nicht auszuschließen sind.

Der Betrieb der gegenständlichen Anlage stellt aus Sicht des erkennenden Gerichtes eine genehmigungspflichtige Maßnahme dar. Die Tätigkeiten sind geeignet die im § 74 Abs. 2 GewO 1994 umschriebenen Interessen zu beeinträchtigen.

Es konnte daher davon ausgegangen werden, dass jedenfalls zumindest der Verdacht der Übertretung gemäß § 366 Abs. 1 Z 2 GewO vorliegt.

§ 360 Abs. 1 GewO 1994 sieht bei Bestehen eines Verdachtes einer Übertretung nach § 366 Abs. 1 Z 2, unabhängig von der Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens, ein stufenweises Vorgehen vor. Dieses hat nach dem ersten Satz des § 360 Abs. 1 GewO den Gewerbetreibenden bzw. Anlageninhaber mittels Verfahrensanordnung zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes aufzufordern und erforderlichenfalls, wenn dieser Aufforderung nicht nachgekommen wird, mittels Bescheid die erforderlichen Maßnahmen zur Herstellung dieses Zustandes zu verfügen.

Die Verfahrensanordnung stellt selbst keinen Bescheid dar. Ihr Wesen erschöpft sich vielmehr in der Bekanntgabe der Rechtsansicht der Gewerbebehörde über die Gesetzwidrigkeit des Betriebes der Betriebsanlage, verbunden mit der nicht weiter sanktionierten Aufforderung, innerhalb der gesetzten Frist den gesetzmäßigen Zustand herzustellen. Die Gewerbebehörde hat dabei in der Verfahrensanordnung noch keine konkreten Maßnahmen zur Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes vorzuschreiben, wohl aber den Sollzustand, und zwar so hinreichend konkret zu beschreiben, dass kein Zweifel daran bestehen kann, welches Ergebnis der Anlageninhaber innerhalb der gesetzten Frist zu bewirken hat (vgl. VwGH vom 16.7.1996, 96/04/0062).

In der Verfahrensanordnung muss von der Behörde eine, zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes, angemessene Frist eingeräumt werden. Die Angemessenheit richtet sich nach dem Zeiterfordernis, das für die Durchführung der Maßnahmen, die zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes notwendig sind, erforderlich ist (vgl. VwGH vom 13.12.2000, 2000/04/0189).

Mit Verfahrensanordnung der belangten Behörde vom 28. Dezember 2020, wurde dem nunmehrigen Beschwerdeführer aufgetragen die Anlage zur Zwischenlagerung und händischen Sortierung unverzüglich einzustellen.

Die Angemessenheit richtet sich nach dem Zeiterfordernis, das für die Durchführung der Maßnahmen, die zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes notwendig sind, erforderlich ist (VwGH 8. 11. 2000, Zl 2000/04/0156; 13. 12. 2000, Zl 2000/04/0189).

Wird dieser Aufforderung innerhalb der gesetzten Frist nicht nachgekommen, hat die Behörde sodann die zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes jeweils notwendigen Maßnahmen ohne Einräumung einer weiteren Frist zu verfügen (VwGH 23. 4. 1996, Zl 96/04/00).

Seitens der belangten Behörde wurde somit zweifellos eine angemessene Frist eingeräumt, in welcher die Einstellung sämtlicher gewerblicher Tätigkeiten erfolgen hätte können und stellt diese Einstellung auch die notwendige Maßnahme dar, um den von der Rechtsordnung geforderten Zustand herzustellen. Die Einstellung der Ausübung der gewerblichen Tätigkeit (Einstellung der Arbeiten) ist jedenfalls unverzüglich möglich.

Auch stellt diese Maßnahme den „contrarius actus“ der (festgestellten) Zuwiderhandlung dar.

Auf Grund der Aktenlage, insbesondere der Erhebung der belangten Behörde vor Ort sowie der Berichte der Polizeiinspektion *** ergab sich unzweifelhaft, dass auf dem gegenständlichen Grundstück Abfälle angeliefert, zwischengelagert und sortiert werden. Dies wird vom Beschwerdeführer in der Beschwerde auch nicht bestritten.

Es war daher die Schließung der Anlage zur Zwischenlagerung und händischen Sortierung mit Bescheid zu verfügen. Auch war nicht im Sinne der Bestimmung des § 360 Abs. 1a GewO 1994 hiervon abzusehen, da die Voraussetzungen – insbesondere - der Z. 1 nicht vorlagen.

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung war gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG abzusehen, da eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht hätte erwarten lassen und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010, S.389, entgegenstanden. Es handelt sich im vorliegenden Beschwerdeverfahren ausschließlich um Rechtsfragen, zu deren Lösung im Sinne der Judikatur des EGMR eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist (vgl. VwGH vom 24. 6.2014, 2014/05/0059, 17.4.2012, 2012/05/0029 bzw. 21.12.2012, 2012/03/0038).

Zur Nichtzulassung der ordentlichen Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist.

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine Rechtsfrage im Sinne des Artikel 133 Abs. 4 B-VG, welcher grundsätzliche Bedeutung zukommt, war gegenständlich nicht zu lösen, sodass eine ordentliche Revision nicht zulässig ist.

Schlagworte

Gewerberecht; Betriebsanlage; Genehmigungspflicht; Verfahrensanordnung; Maßnahmen; gesetzmäßiger Zustand;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2022:LVwG.AV.883.001.2021

Zuletzt aktualisiert am

13.04.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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