Entscheidungsdatum
04.02.2022Norm
FSG 1997 §24 Abs4Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Mag. Lindner als Einzelrichterin über die Beschwerde des Herrn A, vertreten durch B, Rechtsanwälte in ***, ***, gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Niederösterreich vom 2. August 2021, Zl. ***, betreffend Zurückweisung des Rechtsmittels gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Niederösterreich vom 14. Juni 2021, Zl. ***, zu Recht:
1. Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass im Spruch anstelle der Wortfolge “als verspätet zurückgewiesen” es zu lauten hat “als unzulässig zurückgewiesen”.
2. Gegen diese Entscheidung ist eine ordentliche Revision nicht zulässig (§ 25a VwGG).
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
Mit Bescheid der Landespolizeidirektion Niederösterreich vom 14. Juni 2021, Zl. ***, wurde der nunmehrige Beschwerdeführer aufgefordert, sich innerhalb von einem Monat, gerechnet ab dem Zeitpunkt der Zustellung dieses Bescheides, im Hinblick auf seine gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klasse/n AM, B und BE amtsärztlich untersuchen zu lassen.
Mit Schreiben der Landespolizeidirektion Niederösterreich, Polizeiärztlicher Dienst, vom 15. Juli 2021, GZ: ***, wurde mitgeteilt, dass Herr A nicht zur amtsärztlichen Untersuchung erschienen sei.
Mit Bescheid der Landespolizeidirektion Niederösterreich vom 19. Juli 2021, Zl. ***, wurde die dem Beschwerdeführer von der Bezirkshauptmannschaft erteilte Lenkberechtigung für Kraftfahrzeuge der Klasse(n) AM, B und BE bis zur Befolgung der Anordnung (Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens im Hinblick auf die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen) ab Zustellung des Bescheides entzogen. Gleichzeitig wurde der von der Fahrschule C am 03.08.2004 zur Zahl *** ausgestellte Mopedausweis, welcher einer Lenkberechtigung der Klasse AM gleichkommt, für die Dauer der Entziehung der Lenkberechtigung, jedenfalls ab Zustellung des Bescheides, entzogen. Weiters wurde ausgesprochen, dass der über die entzogene Lenkberechtigung ausgestellte Führerschein/Mopedausweis, sofern er nicht bereits abgenommen wurde, unverzüglich der Behörde abzuliefern ist, sowie dass eine eventuelle Vorstellung gemäß § 57 Abs. 2 AVG keine aufschiebende Wirkung hat.
Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer der mit rechtskräftigem Bescheid vom 14. Juni 2021, GZ ***, zugestellt am 18.06.2021, ausgesprochenen Aufforderung, sich innerhalb von einem Monat ab Zustellung des Bescheides amtsärztlich untersuchen zu lassen, keine Folge geleistet habe.
Mit Schriftsatz vom 29. Juli 2021 stellte der Beschwerdeführer den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, beantragte die Zustellung des Bescheides vom 14.06.2021 zu GZ ***, verbunden mit der Beschwerde gegen den Bescheid vom 14.06.2021. Begründend wurde ausgeführt, dass der Bescheid vom 14.06.2021 nie zugestellt worden sei.
Mit Bescheid der Landespolizeidirektion Niederösterreich vom 2. August 2021, GZ. ***, wurde der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass hinsichtlich des Bescheides vom 14.06.2021 entsprechend dem Zustellnachweis am 18.06.2021 ein Zustellversuch erfolgt, die Sendung infolge Annahmeverweigerung durch den Empfänger an der Abgabestelle zurückgelassen worden sei. Der Zustellnachweis sei eine öffentliche Urkunde, liege der Behörde der Zustellnachweis über die Zustellung des Bescheides vom 14.06.2021 vor und sei der Bescheid somit mit 05.07.2021 in Rechtskraft erwachsen.
Mit Bescheid der Landespolizeidirektion Niederösterreich vom 2. August 2021, GZ. ***, wurde die Beschwerde (gemeint Vorstellung) vom 30.07.2021 gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Niederösterreich vom 14. Juni 2021, Zl ***, gemäß § 57 Abs. 2 AVG als verspätet zurückgewiesen.
Begründend wurde ausgeführt, dass dem Zustellnachweis zu entnehmen sei, dass am 18.06.2021 ein Zustellversuch erfolgt sei und infolge Annahmeverweigerung durch den Empfänger an der Abgabestelle zurückgelassen worden sei. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei mit Bescheid der Landespolizeidirektion Niederösterreich vom 2. August 2021, Zl ***, abgewiesen worden.
Ausgehend von der Zustellung am 18.06.2021 sei die Vorstellung (fälschlich als Beschwerde bezeichnet) vom 30.07.20221 verspätet eingebracht worden.
Dagegen wurde fristgerecht Beschwerde erhoben und die Aufhebung des Bescheides nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Begründend ausgeführt, dass der Bescheid der Landespolizeidirektion Niederösterreich vom 14.06.2021 nicht zugestellt worden sei.
Die Landespolizeidirektion Niederösterreich hat die Beschwerde sowie den erstinstanzlichen Verfahrensakt mit Schreiben vom 20. August 2021 zur Entscheidung vorgelegt.
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat am 31. Jänner 2022 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durchgeführt, im Rahmen derer Beweis aufgenommen wurde durch Vorbringen des Beschwerdeführervertreters, Einvernahme des Beschwerdeführers und der Zeugen D und E sowie Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verfahrensakt und den verfahrensgegenständlichen Gerichtsakt.
Der Beschwerdeführer sowie der Zeuge D gaben übereinstimmend an, am 18. Juni 2021 nicht zu Hause, sondern von frühmorgens bis spätabends außer Haus gewesen zu sein. Die Annahmeverweigerung hinsichtlich eines Zustellversuches des Bescheides der Landespolizeidirektion Niederösterreich vom 14. Juni 2021 sei daher denkunmöglich. Dieser Bescheid sei auch nicht im Briefkasten vorgefunden worden.
Der Zeuge E gab an, dass er das Zustellorgan hinsichtlich der Sendung mit der GZ *** gewesen sei. Er habe damals die Rubrik „Annahmeverweigerung durch Empfänger“ sowie „Dokument an Abgabestelle zurückgelassen“ auf dem Zustellnachweis angekreuzt, obwohl der Empfänger die Annahme des Dokumentes gar nicht verweigert habe, ihm nicht der Zugang zur Abgabestelle verwehrt worden sei und er auch keinen Anhaltspunkt dafür gehabt habe, dass der Empfänger seine Anwesenheit verleugnet habe. Die Sendung habe er in den Briefkasten eingelegt. Er wisse gar nicht, ob der Empfänger oder jemand anderer zu Hause gewesen sei. Prinzipiell sei er der Annahme gewesen, dass der Empfänger regelmäßig an der Abgabestelle anwesend sei, weil er einen Hund im Haus gehört habe. Es sei ein Fehler gewesen, so vorzugehen, das Dokument hätte bei der Post hinterlegt werden müssen und hätte er eine Verständigung über die Hinterlegung im Briefkasten einlegen müssen. Er habe einerseits den Kontakt aus Pandemiegründen vermeiden, andererseits aus Gründen der Kundenfreundlichkeit den Empfängern den Weg zur Post ersparen wollen.
Folgende rechtliche Bestimmungen kommen im gegenständlichen Fall zur Anwendung:
„Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden.“
§ 57 AVG lautet:
„(1) Wenn es sich um die Vorschreibung von Geldleistungen nach einem gesetzlich, statutarisch oder tarifmäßig feststehenden Maßstab oder bei Gefahr im Verzug um unaufschiebbare Maßnahmen handelt, ist die Behörde berechtigt, einen Bescheid auch ohne vorausgegangenes Ermittlungsverfahren zu erlassen.
(2) Gegen einen nach Abs. 1 erlassenen Bescheid kann bei der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, binnen zwei Wochen Vorstellung erhoben werden. …..
…“
§ 20 Zustellgesetz:
(1) Verweigert der Empfänger oder ein im gemeinsamen Haushalt mit dem Empfänger lebender Ersatzempfänger die Annahme oder Vorliegen eines gesetzlichen Grundes, so ist das Dokument an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, nach § 17 ohne die dort vorgesehene schriftliche Verständigung zu hinterlegen.
(2) Zurückgelassene Dokumente gelten damit als zugestellt.
(3) Wird dem Zusteller der Zugang zur Abgabestelle verwehrt, verleugnet der Empfänger Anwesenheit, oder lässt er sich verleugnen, so gilt dies als Verweigerung der Annahme.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind die vom Zusteller erstellten Zustellnachweise öffentliche Urkunden, die den Beweis dafür erbringen, dass die Zustellung vorschriftsmäßig erfolgt ist. Der Gegenbeweis ist zulässig. Behauptet also jemand, es würden Zustellmängel vorliegen, so hat er diese (seine) Behauptung entsprechend zu begründen und Beweise anzuführen, die die vom Gesetz (§292 ZPO) aufgestellte Vermutung zu widerlegen geeignet erscheinen lassen (vgl. VwGH vom 21.01.2004, 2001/09/0140).
Im Gegenstand hat sich im Beschwerdeverfahren ergeben, dass eine Verweigerung der Annahme des Bescheides der Landespolizeidirektion Niederösterreich vom 14.06.2021, Zl. ***, nicht stattgefunden hat, die Zustellwirkung des § 20 Abs. 2 Zustellgesetz mit Zurücklassung des Dokumentes an der Abgabestelle daher nicht eingetreten sein kann.
Ob und inwieweit, allenfalls zu welchem Zeitpunkt in diesem Zusammenhang eine Heilung des Zustellmangels durch tatsächliches Zukommen des an der Abgabestelle zurückgelassenen Dokumentes gemäß § 7 Zustellgesetz bewirkt worden sein konnte, ist im vorliegenden Fall nicht erweislich.
Der Wiedereinsetzungsantrag vom 29. Juli 2021 wurde mit Bescheid der Landespolizeidirektion Niederösterreich vom 2. August 2021, Zl. ***, abgewiesen.
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat die dagegen eingebrachte Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Indem von einer Zustellung des Bescheides der Landespolizeidirektion Niederösterreich vom 14.06.2021, Zl. ***, nicht ausgegangen werden kann, ist dieser Bescheid auch nicht rechtswirksam erlassen worden, sodass dagegen auch noch kein Rechtsmittel erhoben werden konnte.
Die gegenständliche Vorstellung (fälschlich als Beschwerde bezeichnet) vom 29. Juli 2021, eingebracht am 30. Juli 2021, wurde daher zutreffend zurückgewiesen, wobei der Spruch abzuändern war, indem mangels Zustellung des angefochtenen Bescheides das Rechtsmittel nicht als verspätet, sondern als unzulässig zurückzuweisen war.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.
Die Revision ist unzulässig, da sie nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung weicht nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, und die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Zudem stellen die – hier im Einzelfall beurteilten – Fragen keine „Rechtsfragen von grundsätzlicher, über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung“ (vgl. VwGH vom 23.9.2014, Ro 2014/01/0033) dar.
Schlagworte
Verkehrsrecht; Kraftfahrrecht; Lenkberechtigung; Entziehung; Aufforderungsschreiben; Zustellung;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2022:LVwG.AV.1392.001.2021Zuletzt aktualisiert am
13.04.2022