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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde des B, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 14. Februar 1995, Zl. 4.345.773/1-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 14. Februar 1995 wurde in Erledigung der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 24. Jänner 1995 der vom Beschwerdeführer - einem Staatsangehörigen der "Jugosl. Föderation" aus dem Kosovo mit albanischer Nationalität, der am 22. Jänner 1995 in das Bundesgebiet eingereist ist - gestellte Asylantrag vom 24. Jänner 1995 abgewiesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Der Beschwerdeführer hat bei seiner niederschriftlichen Vernehmung am 24. Jänner 1995 hinsichtlich seiner Fluchtgründe angegeben, im März 1994 sei ihm der Auftrag erteilt worden, sich beim Militärkommando in Suha Reka zu melden. Er sei dieser Einberufung nicht nachgekommen und habe die ihm zugekommene Uniform zurückgeschickt. In der Folge habe er sich etwa einen Monat bei seinem Onkel aufgehalten und sei dann nach Hause zurückgekehrt, wobei er sich jedoch "sehr vorsichtig" verhalten habe, um nicht mit der Polizei bzw. den Militärbehörden in Kontakt zu kommen. Er sei bereits seit 1991 Mitglied der "Demokratischen Partei des Kosovo". Am 15. September 1994 habe er an einer Versammlung dieser Partei teilgenommen und sei am selben Tag gemeinsam mit den neun anderen Teilnehmern dieser Versammlung festgenommen und auf die Polizeidienststelle gebracht worden. Diese Personen seien dort acht Stunden zu Belangen ihrer Partei einvernommen und dabei auch mißhandelt worden. Seit diesem Zeitpunkt werde die Partei von der Polizei überwacht, um keine weiteren Versammlungen mehr abhalten zu können. Am 20. Dezember 1994 seien auch Polizisten in sein Haus gekommen, um eine Hausdurchsuchung durchzuführen. Dabei sei der Beschwerdeführer und dessen Eltern gefesselt und mißhandelt worden. Von den Beamten seien keine Waffen vorgefunden, jedoch ein Geldbetrag von DM 2.000 sichergestellt und mitgenommen worden. Die Beamten hätten ihm mitgeteilt, er müsse mit einer Maschinenpistole zum Polizeirevier kommen, widrigenfalls er wiederum "geholt" würde. Im Anschluß an diese Hausdurchsuchung habe er sich bis zu seiner Ausreise aus Angst bei seinem Onkel aufgehalten. Während dieser Zeit sei in seinem Haus von der Polizei wöchentlich nach ihm gefahndet worden.
Die belangte Behörde hat zu Recht ausgeführt, daß eine allenfalls drohende Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung nur dann aslyrelevant wäre, wenn der Beschwerdeführer aufgrund seiner Zugehörigkeit zur albanischen Volksgruppe (bzw. seiner politischen Gesinnung) einer strengeren Bestrafung ausgesetzt wäre (vgl. dazu insbesondere das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 29. Juni 1994, Zl. 93/01/0377).
Der Beschwerdeführer hat seine Furcht vor Verfolgung jedoch nicht auf eine allfällige Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung gestützt, sondern vor allem auf seine Mitgliedschaft zur "Demokratischen Partei des Kosovo" und die damit im Zusammenhang stehende Verhaftung und Hausdurchsuchung sowie die bei diesen Gelegenheiten erlittenen Mißhandlungen und Bedrohungen. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde hat der Beschwerdeführer bei seiner Vernehmung auch einen Zusammenhang zwischen seiner politischen Tätigkeit und den Vorfällen anläßlich der Hausdurchsuchung in seinem Elternhaus hergestellt. Dies ergibt sich schon aus dem Kontext seiner Aussage, wonach im Anschluß an seine Verhaftung infolge Teilnahme an einer Parteiversammlung am 15. September 1994 die Partei überwacht und (offenbar gemeint: im Zuge dessen) am 20. Dezember 1994 auch bei ihm eine Hausdurchsuchung durchgeführt worden sei.
Die belangte Behörde hat die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers deswegen verneint, weil sie seiner Aussage keinen Glauben schenkte.
Insoweit die belangte Behörde dies damit begründet, der Beschwerdeführer habe sein Vorbringen hinsichtlich des Grundes der Parteiversammlung, des Grundes seiner Verhaftung, der Art der Mißhandlungen und des Ablaufs der Hausdurchsuchung nicht konkretisiert, ist ihr zu entgegnen, daß aus dem Protokoll über die niederschriftliche Befragung nicht hervorgeht, daß der Beschwerdeführer aufgefordert worden wäre, entsprechend konkrete Angaben zu diesen Themen zu machen.
Das weitere Argument der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe nicht dargetan, warum er von der Polizei aufgefordert worden sei, gerade eine - von Privatpersonen auf legalem Weg nicht zu erwerbende - Maschinenpistole beizubringen, ist nicht schlüssig. Es kann nämlich - vor dem Hintergrund der allgemein bekannten politischen Lage im Kosovo - gerade in der Erteilung eines nahezu unerfüllbaren Auftrages durch die Polizei in Verbindung mit der Drohung, den Beschwerdeführer bei Nichterfüllung zu "holen", eine bewußte Einschüchterungsmaßnahme seitens der staatlichen Behörden gesehen werden. Die Ansicht der belangten Behörde, die Aussage des Beschwerdeführers sei auch deswegen unglaubwürdig, weil er nicht dargetan habe, wieso sich in seinem Haus ein Geldbetrag von DM 2.000 befunden habe, entbehrt der Schlüssigkeit, weil für den Beschwerdeführer - der im übrigen auch dazu nicht konkret befragt wurde - keine Veranlassung bestand, im Rahmen der Darstellung seiner begründeten Furcht vor Verfolgung genaue Angaben über die Herkunft eines Geldbetrages zu machen. Daß der Beschwerdeführer keine plausible Erklärung dafür bieten konnte, warum er anläßlich der Hausdurchsuchung nicht wegen der Verweigerung des Einberufungsbefehles zu einer Waffenübung von der Polizei verhaftet worden sei, spricht nicht für dessen Unglaubwürdigkeit, weil er naturgemäß über den Informationsfluß zwischen den Militärbehörden und der Polizei nicht informiert sein konnte.
Die Beweiswürdigung der belangten Behörde hält somit der vom Verwaltungsgerichtshof vorzunehmenden Schlüssigkeitsprüfung (vgl. dazu insbesondere das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) nicht stand.
Da die belangte Behörde bei Unterbleiben dieses aufgezeigten Mangels aufgrund des oben wiedergegebenen Vorbringens des Beschwerdeführers zu einem anderen (für den Beschwerdeführer günstigen) Ergebnis hätte gelangen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Kostenspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung BeweislastEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995010075.X00Im RIS seit
20.11.2000