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23 Insolvenzrecht, ExekutionsrechtNorm
B-VG Art140 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Zurückweisung der Individualanträge von Arbeitnehmern auf Aufhebung von die (Arbeits-)Vertragsauflösung betreffenden Bestimmungen der AO; Wirksamwerden der Bestimmungen durch eine - infolge Ausschluß eines Rechtsmittels rechtskräftig gewordene - ausgleichsgerichtliche Ermächtigung des Arbeitgebers zur außerordentlichen Kündigung; Zumutbarkeit der Anrufung des Arbeitsgerichts hinsichtlich der Bestimmungen über die Folgen der KündigungSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. Die 64 Antragsteller waren Arbeitnehmer der N GesmbH, über welche am 11. November 1992 das Ausgleichsverfahren eröffnet wurde. Mit Beschluß des Ausgleichsgerichtes vom 22. Februar 1993 wurde die Ausgleichsschuldnerin gemäß §§20b und 20c Ausgleichsordnung (AO)
"ermächtigt, die Vertragsverhältnisse (der Antragsteller) ohne Rücksicht auf die vereinbarte Vertragsdauer oder eine längere Kündigungsfrist unter Einhaltung der gesetzlichen, kollektivvertraglichen oder der zulässigerweise vereinbarten kürzeren Kündigungsfrist unter Bedachtnahme auf die gesetzlichen Kündigungsbeschränkungen zu lösen ...".
Von dieser Ermächtigung hat der Arbeitgeber nach Darstellung des Antrages auch Gebrauch gemacht; mit den zur Fortführung des Unternehmens benötigten Arbeitnehmern seien neue Arbeitsverträge unter anderen Bedingungen abgeschlossen worden.
Unter Hinweis auf dieses Geschehen begehren die Antragsteller gemäß Art140 B-VG die Aufhebung der für die Vertragsauflösung einschlägigen §§20b, 20c und 20d sowie §23 Abs1 Z3 lita AO, in eventu der §§20c Abs2, 20d und 23 Abs1 Z3 lita oder nur des letzten Satzes des §20d und des §23 Abs1 Z3 lita oder wenigstens der Worte "wenn tunlich" und des letzten Halbsatzes "; gegen den Bescheid ist kein Rechtsmittel zulässig" in §20b Abs2.
1. Die angefochtenen Bestimmungen lauten (in der Fassung des Insolvenzrechtsänderungsgesetzes 1982, BGBl. 370):
"§20b. (1) Ist ein zweiseitiger Vertrag von dem Schuldner und dem anderen Teil zur Zeit der Eröffnung des Ausgleichsverfahrens noch nicht oder nicht vollständig erfüllt worden, so kann der Schuldner entweder den Vertrag erfüllen und vom anderen Teil Erfüllung verlangen oder vom Vertrag zurücktreten.
(2) Der Schuldner bedarf zum Rücktritt der vorherigen Ermächtigung des Ausgleichsgerichts. Sie muß innerhalb eines Monats nach der öffentlichen Bekanntmachung des Eröffnungsbeschlusses beantragt werden. Vor der Entscheidung hat das Gericht, wenn tunlich, den Ausgleichsverwalter und den Vertragsgegner zu vernehmen. Die Ermächtigung ist nur zu erteilen, wenn die Erfüllung oder die weitere Erfüllung des Vertrages das Zustandekommen oder die Erfüllbarkeit des Ausgleichs oder die Fortführung des Unternehmens gefährden könnte und der Rücktritt vom Vertrag dem Vertragsgegner keinen unverhältnismäßigen Schaden bringt. Der Ermächtigungsbeschluß ist dem Schuldner, dem Ausgleichsverwalter und dem Vertragsgegner zuzustellen; gegen den Beschluß ist kein Rechtsmittel zulässig.
(3) Der Schuldner kann von der Ermächtigung zum Rücktritt vom Vertrag nur innerhalb vierzehn Tagen nach der Zustellung des Ermächtigungsbeschlusses, keinesfalls aber nach dem Beginn der Abstimmung über den Ausgleichsvorschlag Gebrauch machen.
§20c. (1) Auf Bestandverhältnisse, bei denen der Schuldner Bestandgeber ist, sowie auf Arbeitsverträge, bei denen der Schuldner Arbeitnehmer ist, ist §20b nicht anzuwenden.
(2) Auf Bestandverträge, bei denen der Schuldner Bestandnehmer ist, sowie auf Arbeitsverträge, bei denen der Schuldner Arbeitgeber ist, ist §20b mit der Änderung anzuwenden, daß an die Stelle der Befugnis zum Rücktritt vom Vertrag die Ermächtigung tritt, das Vertragsverhältnis ohne Rücksicht auf die vereinbarte Vertragsdauer oder eine längere Kündigungsfrist unter Einhaltung der gesetzlichen, kollektivvertraglichen oder der zulässigerweise vereinbarten kürzeren Kündigungsfrist unter Bedachtnahme auf die gesetzlichen Kündigungsbeschränkungen zu lösen.
§20d. Tritt der Schuldner nach §20b vom Vertrag zurück oder wird ein Bestand- oder Arbeitsverhältnis nach §20c gelöst, so kann der Vertragsgegner Ersatz des verursachten Schadens verlangen. Er ist mit dem Ersatzanspruch am Ausgleichsverfahren beteiligt und wird vom Ausgleich betroffen."
"§23. (1) Ein Vorrecht genießen im Ausgleichsverfahren:
1. ...
2. ...
3. Forderungen der Arbeitnehmer (arbeitnehmerähnlichen Personen) für die Zeit nach der Eröffnung des Ausgleichsverfahrens,
a) wenn das Beschäftigungsverhältnis vor der Eröffnung des Ausgleichsverfahrens eingegangen worden war und weder nach der Eröffnung des Augleichsverfahrens wegen dieser (nach §20b oder §20c) durch den Schuldner oder den für ihn handelnden Ausgleichsverwalter gelöst wird noch bereits vor der Eröffnung des Ausgleichsverfahrens gelöst worden war, gleichviel, wann das Beschäftigungsverhältnis beendet ist;
b) wenn das Beschäftigungsverhältnis während des Ausgleichsverfahrens durch den Schuldner oder den für ihn handelnden Ausgleichsverwalter neu eingegangen wird;
4. ...
5. ..."
2. Die Antragsteller begründen ihre Legitimation zur Anfechtung des Gesetzes mit der Behauptung, es greife unmittelbar in ihre Rechte ein; es verkürze nämlich ihre Ansprüche aus dem Arbeitsvertrag auf fortlaufendes Entgelt ab Ausgleichseröffnung, auf Kündigungsentschädigung, Abfertigung und Entgeltsicherung nach dem Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz; teilweise werde sogar ein bereits verdienter Entgeltanspruch wieder vernichtet, und die Arbeitnehmer würden genötigt, ihre Tätigkeit bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses gegen Bezahlung eines verminderten Entgeltes fortzusetzen. Im Verfahren seien die betroffenen Arbeitnehmer zwar Partei, aber nur wenn tunlich zu vernehmen; praktisch geschehe das regelmäßig nicht. Ein Rechtsmittel sei ausgeschlossen; daher komme auch die Anregung einer amtswegigen Anfechtung (durch ein Gericht zweiter Instanz) nicht in Betracht.
Die Regelung sei gleichheitswidrig, verhalte zu verbotener Pflichtarbeit (Art4 EMRK), diskriminiere gewisse Arbeitnehmer (Art14 EMRK und Art1 des ersten Zusatzprotokolles), bedeute eine verfassungswidrige Enteignung (Art5 StGG) und verletze (in §20b AO) schließlich das Recht auf Pareiengehör (Art6 Abs1 EMRK).
3. Die Bundesregierung hält den Antrag für unzulässig. Die bekämpften Bestimmungen seien erst durch die Entscheidung des Gerichtes für die Antragsteller wirksam geworden. Im übrigen könnten sie ihre Ansprüche in voller Höhe einklagen und die behauptete Verfassungswidrigkeit der sie verkürzenden Bestimmungen im arbeitsgerichtlichen Verfahren zur Sprache bringen.
In der Sache selbst sieht die Bundesregierung von einer Stellungnahme zur behaupteten Verfassungswidrigkeit des §20b Abs2 und des §23 Abs1 Z3 lita AO ab und beschränkt sich auf die Feststellung, daß die Verfassungswidrigkeit des §20b Abs2 durch die Aufhebung der Wortfolge "wenn tunlich" beseitigt werden könnte. Was die Möglichkeit der außerordentlichen Kündigung betrifft, verwies die Bundesregierung in ihrer ersten Äußerung auf die Erwägungen in ihrer Stellungnahme im Verfahren G15,16/93 ua. (betreffend §25 KO), die in gleicher Weise für §20c AO Geltung habe.
Auf Einladung des Verfassungsgerichtshofes, die Äußerung im Hinblick auf das inzwischen ergangene Erkenntnis im Verfahren G15,16/93 ua. (vom 1. Juli 1993) zu ergänzen und für den Fall, daß eine angegriffene Norm durch Fällung einer nicht anfechtbaren gerichtlichen Entscheidung für die Antragsteller wirksam geworden sei, zur Frage Stellung zu nehmen, ob Art140 B-VG nach seinem Zweck interpretiert dahin verstanden werden könne, daß unter einer gerichtlichen Entscheidung nur eine anfechtbare zu verstehen ist, oder die Verfassung für diesen Fall eine Lücke enthalte, hat die Bundesregierung auf die Ergänzung verzichtet und die zuletzt genannte Frage wie folgt beantwortet:
"Als Hilfsmittel für die Ermittlung des historischen Gesetzgebers sind die Materialien zur B-VG-Novelle BGBl. Nr. 302/1975, durch die Art140 Abs1 letzter Satz B-VG in seiner noch heute geltenden Fassung eingeführt wurde, wenig aufschlußreich. Die Regelungen über die Erweiterung der Zuständigkeiten des Verfassungsgerichtshofes scheinen erst im Ausschußbericht (1600 BlgNR 13. GP) auf; dieser enthält lediglich den Hinweis, daß der vom Unterausschuß erarbeitete Entwurf die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes erweitere. Die zugrundeliegende Regierungsvorlage (131 BlgNR 13. GP) enthielt keine entsprechenden Regelungen.
Nähere Aufschlüsse über die Vorgeschichte der in Rede stehenden Verfassungsänderung gewähren insbesondere Arbeiten von Ermacora (Verfassungsänderungen 1975, JBl 1976, 79), Haller (Der Individualantrag zur Verordnungs- und Gesetzesprüfung, ZfV 1976, 230; Die Prüfung von Gesetzen (1979) 209ff) und Marcic (Zur Reform der österreichischen Verfassungsgerichtsbarkeit, in FS Gebhard Müller (1970), 218). Der Unterausschuß stützte sich auf zwei Entwürfe, die bereits dem Bericht der Bundesregierung an den Nationalrat vom 1. Oktober 1968, III-162 BlgNR 11. GP, angeschlossen gewesen waren. Im gegebenen Zusammenhang ist bemerkenswert, daß der eine dieser Entwürfe (Entwurf B) die in Art140 Abs1 B-VG eingegangene Formulierung 'sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist', der andere (Entwurf A) die Formulierung 'sofern die Prüfung des Gesetzes weder auf Antrag eines Gerichtes noch im Zusammenhang mit einer Beschwerde gemäß Art144 B-VG in Betracht kommt' enthielt. Der Unterausschuß entschied sich für die Fassung des Entwurfs B. Der Entwurf B stellt sich als Ergebnis der allgemeinen Begutachtung (dazu näher der Bericht der Bundesregierung III-162 BlgNR 11. GP) des Entwurfs A (auch: 'März-Entwurf') sowie eines weiteren Begutachtungsverfahren über den sog. 'November-Entwurf' dar, die noch eine Anfechtungsbefugnis aller Gerichte ('März-Entwurf') bzw. aller in letzter Instanz zur Entscheidung berufenen Gerichte ('November-Entwurf') vorgesehen hatten.
Offenkundig träte das hier zu behandelnde Auslegungsproblem nicht auf, wenn sich der Unterausschuß für die Fassung des Entwurfs A entschieden hätte. Dies ist jedoch aus unbekannten Gründen nicht geschehen.
In systematischer Hinsicht läßt sich die Einschränkung 'sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist' als Ausdruck des Gedankens deuten, daß eine betroffene Person im Falle der Erlassung eines Bescheides auf die ihr nach Art144 B-VG, im Falle einer gerichtlichen Entscheidung auf die den Gerichten nach Art140 Abs1 i.V.m. Art89 Abs2 B-VG offenstehende Anfechtungsmöglichkeit verwiesen sein soll. In diesem Sinne hat der Verfassungsgerichtshof in seinem für seine spätere Rechtsprechung zur Antragslegitimation richtungsweisenden Beschluß VfSlg. 8009/1977 unter - nicht näher ausgeführtem - Hinweis auf die Entstehungsgeschichte den Standpunkt eingenommen, daß der durch Art139 Abs1 und 140 Abs1 B-VG dem einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht. Als einen solchen zumutbaren Weg hat der Verfassungsgerichtshof, sofern nicht außergewöhnliche Umstände vorliegen, ein anhängiges gerichtliches oder verwaltungsbehördliches Verfahren angesehen, in dem Gelegenheit zur Anregung einer amtswegigen Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof bestand. Andernfalls gelange man zu einer Doppelgeleisigkeit des Rechtsschutzes, die mit dem Prinzip des Individualantrages als eines bloß subsidiären Rechtsbehelfes nicht im Einklang stünde. Dies hänge mit der vom Verfassungsgesetzgeber getroffenen Grundsatzentscheidung zusammen, die Initiative zur generellen Normenkontrolle - vom Standpunkt des Betroffenen aus gesehen - zu mediatisieren sowie erst dem Gericht in zweiter Instanz die Befugnis zur Einbringung von Gesetzesprüfungsanträgen einzuräumen (VfSlg. 8156/1977, 8187/1977, 8212/1977, 8312/1978, 8404/1978, 8552/1979, 8594/1979, 8700/1979, 8890/1980, 9154/1981, 10632/1985, 11114/1986, 11481/1987, 11684/1988 u. a.). Damit vermeidet der Verfassungsgerichtshof insoweit eine ausschließlich am Wortlaut orientierte Verfassungsinterpretation, bei der zu fragen wäre, ob die Einleitung eines Verfahrens etwas daran ändert, daß ein Gesetz oder eine Verordnung für eine bestimmte Person unmittelbar wirksam geworden ist.
Es ist einzuräumen, daß eine Ergänzung des Wortlautes des Art140 Abs1 B-VG im Sinne einer 'anfechtbaren Entscheidung' eines Gerichtes gleichsam eine Anwendung desselben Gedankens in umgekehrter Richtung wäre. In systemkonformer Weise wäre die aufgewiesene Rechtsschutzlücke allerdings in der Weise zu schließen, daß die Anfechtungsbefugnis einem 'zur Entscheidung in letzter oder zweiter Instanz berufenen Gericht' eingeräumt würde (Haller, Die Verfassungsnovelle 1975, 2. Teil (1976) 4f).
Damit wäre nicht nur dem Gedanken eines lückenlosen Rechtsschutzes, sondern auch dem der Mediatisierung des Rechtsschutzes Genüge getan. Ob ein solches Ergebnis im Auslegungsweg erreichbar ist, erscheint zweifelhaft; dies gilt freilich auch für die vom Verfassungsgerichtshof zur Erwägung gestellte umgekehrte Lösung, die überdies weniger systemkonform erscheint. Die Bundesregierung vermag sich daher dieser zuletzt genannten Lösung nicht anzuschließen."
4. Die Antragsteller halten der Einlassung der Bundesregierung, die Wirkungen der angegriffenen Bestimmungen seien Gegenstand zulässiger arbeitsgerichtlicher Verfahren, entgegen, daß in solchen Verfahren die nach den §§20b Abs2 und 20c Abs2 erteilte Ermächtigung nicht mehr in Frage gestellt und daher auch die für das Ausgleichsgericht geltenden Verfahrensvorschriften nicht mehr angewendet werden könnten. Die Klagen müßten vielmehr wegen entschiedener Sache oder überhaupt mangels Zulässigkeit zurückgewiesen werden; die Frage der Verfassungsmäßigkeit der bekämpften Bestimmungen könne daher auch auf diesem Weg nicht an den Verfassungsgerichtshof herangetragen werden. Eine Trennung der Frage der Verfassungswidrigkeit der Verfahrensvorschriften von der Frage der Verfassungswidrigkeit der materiellrechtlichen Vorschriften würde dem Zweck des Individualantrages nach Art140 B-VG widersprechen (weshalb zB auch §8 Behinderteneinstellungsgesetz zur Gänze aufgehoben worden sei; VfSlg. 12933/1991). Die bloße Aufhebung der verfassungswidrigen Wortfolge in §20b (Abs2) AO würde die Verfassungswidrigkeit der bereits gesetzten Akte bestehen lassen und der weiteren Anfechtung entziehen. Eine verfassungsrechtliche Beurteilung dieser Bestimmung sei aber ohne Anwendung und Prüfung der übrigen bekämpften Bestimmungen gar nicht möglich.
II. Der Antrag ist unzulässig.
Art140 Abs1 B-VG sieht die Anfechtung von Gesetzen durch eine Person, die unmittelbar durch die geltend gemachte Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, nur vor, "sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist".
Es kann dahingestellt bleiben, ob die im vorliegenden Antrag angegriffenen Bestimmungen der §§20b, 20c und 20d AO für die Antragsteller schon vor der ausgleichsgerichtlichen Ermächtigung des Arbeitgebers zur außerordentlichen Kündigung Wirkungen erzeugt haben. Die Wirkungen jedenfalls, die sie nunmehr ins Treffen führen (können), sind nicht ohne Fällung dieser Entscheidung eingetreten. Daß solche Wirkungen nicht mit einem Gesetzesprüfungsantrag bekämpft werden können, hat seinen Grund nicht nur in der Subsidiarität des Individualantrages nach Art140 B-VG, sondern ist auch die Folge der Unanfechtbarkeit gerichtlicher Akte beim Verfassungsgerichtshof. Es liegt an den Gerichten, die von ihnen anzuwendenden Normen auf ihre Rechtmäßigkeit zu prüfen und bei Bedenken einen das Verfahren unterbrechenden Antrag auf Aufhebung zu stellen. In einem laufenden gerichtlichen Verfahren kann daher die Anwendung verfassungswidriger Gesetze regelmäßig nicht durch einen Individualantrag nach Art140 B-VG verhindert werden.
Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß gegen die gerichtliche Entscheidung - wie im vorliegenden Fall - kein Rechtsmittel eröffnet ist. Abgesehen davon, daß die Vorschrift über den Ausschluß des Rechtsmittels regelmäßig von einem Gericht zweiter Instanz anzuwenden ist (weil der das Rechtsmittel zurückweisende Beschluß der ersten Instanz seinerseits bekämpft werden kann), zeigt gerade der vorliegende Fall, daß die vom Gericht in einem anhängigen Verfahren bereits angewendete Vorschrift auch durch ein aufhebendes Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes für das abgeschlossene Verfahren nicht mehr wirksam gemacht werden könnte, da der Verfassungsgerichtshof selbst durch einen Ausspruch über die Nichtanwendung der aufgehobenen Vorschrift auf bereits verwirklichte Tatbestände (Art140 Abs7 Satz 2 B-VG) nur auf noch laufende Verfahren Einfluß nehmen könnte. Die Bedenken wegen fehlender Pflicht zur Anhörung der betroffenen Arbeitnehmer bei gleichzeitigem Ausschluß des Rechtsmittels hätten daher von dem gegen die Zurückweisung des Rechtsmittels angerufenen Rechtsmittelgericht durch Anfechtung des das Rechtsmittel ausschließenden letzten Halbsatzes des §20b Abs2 AO an den Verfassungsgerichtshof herangetragen werden können.
Daß ein zur Entscheidung in zweiter Instanz berufenes Gericht den Ausschluß des Rechtsmittels mangels Erhebung eines Rekurses gegen den das Rechtsmittel zurückweisenden Beschluß des Ausgleichsgerichtes gar nicht anfechten konnte, sodaß die Ermächtigung des Ausgleichsschuldners rechtskräftig wurde, kann nicht dazu führen, daß nun jene Bestimmungen unmittelbar anfechtbar würden, welche nicht die rechtskräftig gewordene Ermächtigung, sondern die noch nicht durch den Inhalt der Ermächtigung vorweggenommenen Folgen der außerordentlichen Kündigung regeln. Die Wirkungen dieser Bestimmungen über die Folgen der Kündigung sind zwar auch nicht Gegenstand der gerichtlichen Entscheidung gewesen, die sie ausgelöst hat, können aber gerade deshalb - wie die Bundesregierung zutreffend ausführt - in zumutbarer Weise vor einem Arbeitsgericht noch in Frage gestellt und so an den Verfassungsgerichtshof herangetragen werden. Welche Bestimmungen dies sind (und welche ihrer Wirkungen sich nicht in der Ermächtigung des Arbeitgebers zur Kündigung erschöpfen), ist im vorliegenden Verfahren nicht zu untersuchen. Denn die bekämpften Vorschriften sind entweder vom Ausgleichsgericht bereits rechtskräftig angewendet worden oder noch Gegenstand der Anwendung durch das Arbeitsgericht.
Im übrigen sind die Wirkungen des §23 Abs1 Z3 lita AO seit der - im Zeitpunkt der vorliegenden Antragstellung bereits erfolgten, aber erst mit neuerlichem Antrag zu G123,124/93 bekanntgegebenen - Eröffnung des Anschlußkonkurses durch Beschluß des Konkursgerichtes vom 24. März 1993 durch die Wirkungen des im neuen Antrag angefochtenen §46 Abs2 Z2 lita KO abgelöst worden.
Der Antrag ist daher insgesamt als unzulässig zurückzuweisen (§19 Abs3 Z2 lite VerfGG).
Schlagworte
VfGH / Individualantrag, Insolvenzrecht, Arbeitsrecht, Kündigungs- und EntlassungsschutzEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1994:G69.1993Dokumentnummer
JFT_10059376_93G00069_00