TE Vwgh Erkenntnis 2017/2/21 Ra 2016/18/0137

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Veröffentlicht am 21.02.2017
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Index

E000 EU- Recht allgemein
E3L E19103010
E6J
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
19/05 Menschenrechte
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1 Z2
B-VG Art133 Abs4
EURallg
MRK Art2
MRK Art3
32011L0095 Status-RL Art15 litc
62007CJ0465 Elgafaji VORAB
62012CJ0285 Diakite VORAB

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Mag. Nedwed, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober, den Hofrat Dr. Sutter und die Hofrätin Mag. Hainz-Sator als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schweda, über die Revision des H M in O, vertreten durch Dr. Benno Wageneder, Rechtsanwalt in 4910 Ried/Innkreis, Promenade 3, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20. Mai 2016, Zl. L502 2119019-1/13E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1        Mit dem angefochtenen, im Säumnisbeschwerdeverfahren ergangenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) den Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz in Österreich hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Irak (Spruchpunkt II.) ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß den §§ 55 und 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III.), erließ gegen den Revisionswerber eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.), stellte fest, dass seine Abschiebung in den Irak zulässig sei (Spruchpunkt V.), und setzte die Frist für die freiwillige Ausreise des Revisionswerbers mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Entscheidung fest (Spruchpunkt VI.). Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof ließ das BVwG nicht zu.

2        Begründend führte das BVwG aus, der Revisionswerber sei irakischer Staatsangehöriger der arabischen Volksgruppe sowie der schiitisch-muslimischen Glaubensgemeinschaft zugehörig und ledig. Er sei in Bagdad im Stadtteil Al Sadr geboren worden, wo er zwischen 1989 und 1998 die Grund- und die Hauptschule sowie in der Folge bis 2001 eine höhere Schule besucht habe. Im Anschluss sei er für ca. ein Jahr als Helfer in einer Autowerkstätte und in weiterer Folge für ca. ein halbes Jahr in einem Textilgeschäft erwerbstätig gewesen. In den Folgejahren sei er ohne Beschäftigung gewesen, ehe er Ende September 2011 freiwillig den Dienst in der irakischen Armee angetreten habe. Nach Absolvierung einer mehrmonatigen Grundausbildung bei einer Einheit am Flughafen Bagdad sei er in eine Garnison am Rande der Stadt Tikrit versetzt worden, wo er einer Kommunikationseinheit angehört habe und als Funker eingesetzt worden sei. Ende Juli 2014 habe er Urlaub von seiner Einheit in Tikrit erhalten, sei nach Bagdad geflogen, und von dort nicht mehr zu seiner Einheit zurückgekehrt, sondern habe sich bis zur Ausreise im Haus seiner Eltern in Bagdad, Stadtteil Al Shab, Bezirk „Ur“ aufgehalten, wo seine Eltern und zwei minderjährige Brüder noch immer leben würden. Mehrere erwachsene und verheiratete Brüder und Schwestern würden in einem anderen Haus der Familie im Stadtteil Al Sadr leben, eine weitere Schwester lebe in Ägypten. Die erwachsenen Brüder des Revisionswerbers betrieben mehrere Autowerkstätten in Bagdad. Der Vater beziehe eine staatliche Rente. Der Revisionswerber sei schließlich am 20. August 2014 auf dem Landweg aus dem Irak in die Türkei ausgereist und in der Folge mit Unterstützung durch Schlepper auf illegale Weise nach Österreich gelangt, wo er am 31. August 2014 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz eingebracht habe.

3        Es könne nicht festgestellt werden, dass der Revisionswerber im Irak vor seiner Ausreise - wie von ihm behauptet - einer landesweiten individuellen Verfolgung durch Dritte aufgrund seiner militärischen Tätigkeit in der irakischen Armee ausgesetzt gewesen sei oder er im Falle einer Rückkehr dorthin der Gefahr einer solchen ausgesetzt wäre. Ebenso könne keine anderweitige landesweite individuelle Gefährdung des Revisionswerbers, insbesondere im Hinblick auf allgemeine kriegerische Ereignisse oder extremistische Anschläge im Irak, festgestellt werden.

4        Der Revisionswerber beziehe seit der Antragstellung in Österreich Leistungen der staatlichen Grundversorgung für Asylwerber und bewohne eine organisierte Unterkunft. Er sei nicht legal erwerbstätig, habe in Österreich keine Angehörigen oder Verwandten, sei alleinstehend und pflege normale soziale Kontakte. Er besuche einen Deutschkurs sowie einen Erste-Hilfe-Kurs und habe sonst keine anderweitigen Integrationsmaßnahmen ergriffen; strafgerichtlich sei er unbescholten.

5        Zur Lage im Irak, insbesondere in der Heimatregion des Revisionswerbers, traf das BVwG insbesondere folgende Sachverhaltsfeststellungen:

6        Die Sicherheitslage im Irak habe sich Mitte 2014 dramatisch verschlechtert. Schwerpunkte terroristischer Aktivitäten seien Bagdad sowie die Provinzen Anbar, Ninawa, Salah al-Din und Diyala im Norden und Westen des Landes. Weite Teile dieser Provinzen seien nicht unter Kontrolle der Zentralregierung. Die Gewalt gehe überwiegend von der terroristischen Organisation „Islamischer Staat“ (IS) sowie von ba’athistischen Elementen aus. Als Reaktion auf den Vorstoß der extremistischen sunnitischen Kräfte hätten auch schiitische Milizen im Irak wieder mobilisiert, Gewalttaten gegen Zivilisten gingen nach Berichten von Menschenrechtsorganisationen und der Vereinten Nationen zunehmend auch von schiitischen Milizen aus. Auch im Jahr 2015 sei die Sicherheitslage im Irak weiterhin höchst instabil gewesen. Konflikte und bewaffnete Gewalt hätten sich weitgehend auf die Provinzen Anbar, Ninawa und Salah al-Din konzentriert. In Bagdad gingen Anschläge in erster Linie von der terroristischen Gruppierung IS aus und würden sich im Wesentlichen gegen die schiitische Bevölkerung und staatliche Sicherheitskräfte richten. Am 12. September 2015 seien bei einem IS-Selbstmordanschlag acht Personen in der Nähe einer schiitischen Moschee getötet worden, Ende Oktober 2015 habe es einen Selbstmordanschlag bei einer schiitischen Prozession im Norden von Bagdad gegeben; am 13. November 2015 seien bei einem Selbstmordanschlag in Bagdad mindestens 18 Menschen getötet und weitere 41 verletzt worden, indem ein Täter bei der Beerdigung eines schiitischen Kämpfers im Südwesten der Hauptstadt einen Sprengstoffgürtel gezündet habe. Im Jänner 2016 sei es nach Medienberichten zur Explosion einer Autobombe und zu anschließenden Gefechten nahe einem Einkaufszentrum mit zahlreichen Toten und Verletzten im schiitischen Osten der Stadt gekommen.

7        Ausgehend von diesem Sachverhalt folgerte das BVwG, dass es dem Revisionswerber nicht gelungen sei, eine asylrelevante Verfolgung seiner Person im Herkunftsstaat glaubhaft zu machen. Aus dem festgestellten Sachverhalt ergebe sich auch nicht, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten an ihn gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 vorlägen: Zum einen handle es sich beim Revisionswerber um einen arbeitsfähigen und gesunden jungen Mann; er verfüge über eine mehrjährige Schulbildung und sei schon vor seiner Ausreise in verschiedener, oben festgestellter Form erwerbstätig gewesen. Es könne daher davon ausgegangen werden, dass er im Herkunftsstaat grundsätzlich wieder in der Lage sein werde, sich ein ausreichendes Einkommen zu erwirtschaften. Darüber hinaus könne davon ausgegangen werden, dass ihm bei der Rückkehr auch im Rahmen seines Familienverbandes eine ausreichende wirtschaftliche und soziale Unterstützung zuteil werde. Zum anderen habe der Revisionswerber weder substantiiertes Vorbringen erstattet noch lasse sich aus den länderkundlichen Informationen des BVwG ableiten, dass er alleine schon aufgrund seiner bloßen Anwesenheit in Bagdad oder im Süden des Iraks mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer individuellen Gefährdung durch Sprengstoffanschläge oder allgemeine kriegerische Ereignisse ausgesetzt wäre. Zwar gebe es in Bagdad wiederkehrend Sprengstoffanschläge extremistischer Elemente, insbesondere der Organisation IS, die sich im Speziellen gegen die schiitische Bevölkerungsgruppe und gegen staatliche und quasi-staatliche Sicherheitsorgane richteten. Das quantitative Ausmaß solcher Anschläge - trotz erheblicher Opferzahlen im konkreten Einzelfall - sei aber nicht so hoch, dass ein Rückkehrer bereits wegen seiner bloßen Ortsanwesenheit mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Gefahr laufe, ebenso ein Opfer eines Anschlags zu werden. Dafür spreche auch, dass sich die Familienangehörigen des Revisionswerbers weiterhin in Bagdad aufhielten und der Revisionswerber kein konkretes Vorbringen dahingehend erstattet habe, dass diese einem substantiellen Anschlagsrisiko ausgesetzt wären oder gar aus diesem Grund die Stadt verlassen hätten bzw. wollten. Es sei auch auf den Umstand zu verweisen, dass die südlichen Provinzen des Iraks den verfügbaren länderkundlichen Informationen zufolge jedenfalls kein maßgebliches Risikogebiet für allfällige Anschläge darstellten.

8        Auch kriegerische Ereignisse im Irak würden den Revisionswerber nicht unmittelbar betreffen. Es sei allgemein bekannt, dass seit Sommer 2014 Kämpfe zwischen bewaffneten Verbänden des IS und verbündeter extremistischer Organisationen einerseits und Einheiten der staatlichen irakischen Sicherheitskräfte, verbündeter nicht-staatlicher Milizen, der sogenannte Peshmerga, der kurdischen Regionalregierung des Nordiraks sowie internationaler alliierter Streitkräfte andererseits innerhalb der zentralirakischen Provinzen Ninava, Anbar, Kirkuk, Diyala und Salah al-Din stattfänden, nicht jedoch im Stadtgebiet von Bagdad, in der nahen Umgebung der Stadt oder im Südirak. Ausgehend von dieser Lageeinschätzung bestehe für den Revisionswerber kein maßgebliches Risiko, ein ziviles Opfer solcher Kämpfe zu werden, solange er sich nicht in den oben genannten Kampfzonen aufhalte, wofür es für ihn aber auch keine Veranlassung gäbe.

9        Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würde der Revisionswerber somit insbesondere nicht in seinen Rechten nach Art. 2 und 3 EMRK verletzt werden. Auch Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für den Revisionswerber als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, seien nicht hervorgekommen. Abschließend legte das BVwG dar, dass dem Revisionswerber aus näher dargestellten Gründen kein Aufenthaltstitel aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen nach den §§ 55 und 57 AsylG 2005 zu erteilen sei und auch keine Umstände vorlägen, die gegen die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen ihn sprächen.

10       Gegen die Spruchpunkte II., IV. und V. des Erkenntnisses wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der zusammengefasst geltend gemacht wird, das BVwG habe bezogen auf den Zeitpunkt seiner Entscheidung (20. Mai 2016) ohne die gebotene Aktualität und Vollständigkeit entschieden. Es habe die aktuelle Entwicklung von Attentaten von Jänner bis Mai 2016 nicht berücksichtigt, ohne die die Frage eines maßgeblichen Risikos bei einer Rückkehr des Revisionswerbers nicht seriös überprüft werden könne.

Im Einzelnen führt die Revision aus, dass eine Recherche im Internet hervorbringe, dass es neben den vom BVwG festgestellten Attentaten auch am 28. Februar 2016 einen Anschlag des IS mit 28 Toten und 62 Verletzten gegeben habe, am 25. März 2016 einen Selbstmordanschlag bei einem Fußballspiel mit 40 Toten und etwa 105 Verletzten, am 30. April 2016 einen Anschlag mit 14 Toten und 40 Verletzten und am 15. Mai 2016 bei Bagdad einen Anschlag mit 11 Toten und 14 Verletzten. Die Welt registriere solche Anschläge gar nicht mehr, weil täglich in Iraks Hauptstadt Bagdad Bomben explodierten. Nur wenn die Zahl der Toten besonders hoch sei, werde ein Anschlag überhaupt erwähnt. Aufsehen erregten eben drei Autobombenanschläge mit mehr als 70 Toten, über die am 11. Mai 2016 berichtet worden sei. Dem BVwG gelinge es nicht, einen vollständigen Überblick über die Sicherheitssituation in Bagdad zu liefern. Ein Menschenleben zähle dort nicht viel, hindere aber offenbar eine Rückkehr nicht. Der Aufenthalt von Familienangehörigen werde als Indiz dafür gewertet, dass die Gefahr gering sei. Selbst die Länderinformationsabteilung des BFA spreche im Jahr 2015 davon, dass im Zeitraum von Jänner bis Mai 2015 5.717 Opfer zu beklagen gewesen seien, darunter 1.609 getötete Personen. Ob diese Zahl im Vergleichszeitraum 2016 gestiegen sei oder sich verringert habe, stelle das BVwG nicht fest. Völlig übersehen werde vom BVwG, dass die Familie bereits in der Vergangenheit ein Autobombenopfer zu beklagen gehabt habe. An Hand der festgestellten hohen Zahl an ermordeten bzw. bei Anschlägen verletzten Menschen sei davon auszugehen, dass jedermann in Bagdad von solchen Anschlägen betroffen sein könne.

11       Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

12       Die Revision ist zulässig, sie ist aber nicht begründet.

Zur Zulässigkeit der Revision:

13       Der Verwaltungsgerichtshof ist im Revisionsmodell nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht dazu berufen, Tatsachenfragen zu klären, sondern seine Aufgabe besteht darin, Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Ausgehend davon ist die Beurteilung der aktuellen Sicherheitslage im Herkunftsstaat eines Asylwerbers keine Frage von grundsätzlicher Bedeutung, die mit Revision an den Verwaltungsgerichtshof herangetragen werden kann. Davon zu unterscheiden ist jedoch, dass insbesondere die Prüfung des Vorliegens einer realen Gefahr der Verletzung von durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechten eines Asylwerbers bei Rückkehr in den Herkunftsstaat auf der Grundlage der getroffenen oder zu treffenden Sachverhaltsfeststellungen - wie sie auch im vorliegenden Fall in Rede steht - eine rechtliche Beurteilung darstellt (vgl. etwa VwGH vom 8. September 2016, Ra 2016/20/0063), die bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG auch revisibel ist. In der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wurde zwar bereits wiederholt erkannt, dass von einer solchen „realen Gefahr“ nicht schon bei bloßer Möglichkeit einer Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK im Falle der Rückkehr in den Herkunftsstaat auszugehen ist, sondern dafür ein höherer Grad an Wahrscheinlichkeit angenommen werden muss. Der vorliegende Fall zeigt, dass diese allgemeinen rechtlichen Darlegungen einer weiteren Präzisierung bedürfen. Es liegt daher eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, welche die vorliegende Revision - entgegen dem Ausspruch des BVwG - zulässig macht.

Zur Entscheidung in der Sache:

14       Die Revision wendet sich im vorliegenden Fall nicht mehr dagegen, dass dem Revisionswerber der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt worden ist. Sie macht jedoch geltend, dass dem Revisionswerber aufgrund der Sicherheitslage im Irak, im Besonderen in der Hauptstadt Bagdad, aus der er stammt, der Status eines subsidiär Schutzberechtigten hätte zuerkannt werden müssen. In diesem Zusammenhang verweist sie auf die zahlreichen Bombenanschläge, die sich regelmäßig in der irakischen Hauptstadt ereignen und die vom BVwG nach Ansicht der Revision nicht hinreichend ermittelt und festgestellt worden seien.

15       Dazu ist vorauszuschicken, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes von den Asylbehörden erwartet wird, dass sie insoweit, als es um Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat als Grundlage für die Beurteilung des Vorbringens von Asylwerbern geht, von den zur Verfügung stehenden Informationsmöglichkeiten Gebrauch machen und insbesondere Berichte der mit Flüchtlingsfragen befassten Organisationen in die Entscheidung einbeziehen. Das gilt auch für von einem Verwaltungsgericht geführte Asylverfahren. Folglich hat das BVwG seinem Erkenntnis die zum Entscheidungszeitpunkt aktuellen Länderberichte zugrunde zu legen. Bei instabilen und sich rasch ändernden Verhältnissen im Herkunftsstaat können auch zeitlich nicht lange zurückliegende Berichte ihre Aktualität bereits verloren haben (vgl. etwa VwGH vom 13. Dezember 2016, Ra 2016/20/0098, mit weiteren Nachweisen).

16       Insoweit ist der Revision zwar grundsätzlich zuzustimmen, dass das BVwG seine Beurteilung der Sicherheitslage im Irak bzw. in Bagdad auf der Grundlage aktueller Länderberichte zu treffen und ein möglichst umfassendes Bild der dortigen Geschehnisse in seine Erwägungen einzubeziehen hatte. Soweit die Revision jedoch geltend macht, das BVwG sei dieser Ermittlungspflicht nur unzureichend nachgekommen und habe - näher bezeichnete - weitere sicherheitsrelevante Vorfälle unberücksichtigt gelassen, erweist sich dieser Vorwurf aus den folgenden rechtlichen Erwägungen als nicht zutreffend bzw. nicht relevant.

17       Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn sein Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat aber eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

18       Die Zuerkennung von subsidiärem Schutz setzt somit voraus, dass die Abschiebung des Revisionswerbers in seine Heimat entweder eine reale Gefahr einer Verletzung insbesondere von Art. 2 oder 3 EMRK bedeuten würde oder für ihn eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes im Irak mit sich bringen würde.

Zum realen Risiko einer drohenden Verletzung der Art. 2 oder 3 EMRK

19       Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Beurteilung eines drohenden Verstoßes gegen Art. 2 oder 3 EMRK eine Einzelfallprüfung voraus, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr („real risk“) insbesondere einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. etwa VwGH vom 8. September 2016, Ra 2016/20/0063, mit weiteren Nachweisen).

20       Um von der realen Gefahr („real risk“) einer drohenden Verletzung der durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte eines Asylwerbers bei Rückkehr in seinen Heimatstaat ausgehen zu können, reicht es nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht aus, wenn eine solche Gefahr bloß möglich ist. Es bedarf vielmehr einer darüber hinausgehenden Wahrscheinlichkeit, dass sich eine solche Gefahr verwirklichen wird (vgl. etwa VwGH vom 26. Juni 2007, 2007/01/0479, und vom 23. September 2009, 2007/01/0515, jeweils mit weiteren Nachweisen).

21       Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) erkennt in ständiger Rechtsprechung, dass ein „real risk“ (reales Risiko) vorliegt, wenn stichhaltige Gründe („substantial grounds“) dafür sprechen, dass die betroffene Person im Falle der Rückkehr in die Heimat das reale Risiko (insbesondere) einer Verletzung ihrer durch Art. 3 EMRK geschützten Rechte zu gewärtigen hätte. Dafür spielt es grundsätzlich keine Rolle, ob dieses reale Risiko in der allgemeinen Sicherheitslage im Herkunftsstaat, in individuellen Risikofaktoren des Einzelnen oder in der Kombination beider Umstände begründet ist. Allerdings betont der EGMR in seiner Rechtsprechung auch, dass nicht jede prekäre allgemeine Sicherheitslage ein reales Riskio iSd Art. 3 EMRK hervorruft. Im Gegenteil lässt sich seiner Judikatur entnehmen, dass eine Situation genereller Gewalt nur in sehr extremen Fällen („in the most extreme cases“) diese Voraussetzung erfüllt (vgl. etwa EGMR vom 28. November 2011, Nr. 8319/07 und 11449/07, Sufi und Elmi gg. Vereinigtes Königreich, RNr. 218 mit Hinweis auf EGMR vom 17. Juli 2008, Nr. 25904/07, NA gg. Vereinigtes Königreich). In den übrigen Fällen bedarf es des Nachweises von besonderen Unterscheidungsmerkmalen („special distinguishing features“), aufgrund derer sich die Situation des Betroffenen kritischer darstellt als für die Bevölkerung im Herkunftsstaat im Allgemeinen (vgl. etwa EGMR Sufi und Elmi, RNr. 217).

22       Thurin (Der Schutz des Fremden vor rechtswidriger Abschiebung2 [2012], 203) fasst die bezughabenden Aussagen in der Rechtsprechung des EGMR dahingehend zusammen, dass der maßgebliche Unterschied zwischen einem „realen Risiko“ und einer „bloßen Möglichkeit“ prinzipiell im Vorliegen oder Nichtvorliegen von „special distinguishing features“ zu erblicken ist, die auf ein „persönliches“ („personal“) und „vorhersehbares“ („foreseeable“) Risiko schließen lassen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz bestehe nur in sehr extremen Fällen („most extreme cases“) wenn die allgemeine Lage im Herkunftsstaat so ernst sei, dass praktisch jeder, der dorthin abgeschoben wird, einem realen und unmittelbar drohenden („real and imminent“) Risiko einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt sei. Diesfalls sei das reale Risiko bereits durch die extreme allgemeine Gefahrenlage im Zielstaat indiziert.

23       Auch im jüngst ergangenen Urteil der Großen Kammer vom 23. August 2016, Nr. 59166/12, J.K. u.a. gegen Schweden, beschäftigte sich der EGMR mit seiner einschlägigen Rechtsprechung und führte u.a. aus, dass die Beweislast für das Vorliegen eines realen Risikos in Bezug auf individuelle Gefährdungsmomente für eine Person grundsätzlich bei dieser liege (v.a. RNr. 91 und 96), gleichzeitig aber die Schwierigkeiten, mit denen ein Asylwerber bei der Beschaffung von Beweismitteln konfrontiert sei, in Betracht zu ziehen seien und bei einem entsprechend substantiierten Vorbringen des Asylwerbers, weshalb sich seine Lage von jener anderer Personen im Herkunftsstaat unterscheide (vgl. RNr. 94), im Zweifel zu seinen Gunsten zu entscheiden sei (RNr. 97). Soweit es um die allgemeine Lage im Herkunftsstaat gehe, sei jedoch ein anderer Ansatz heranzuziehen. Diesbezüglich hätten die Asylbehörden vollen Zugang zu den relevanten Informationen und es liege an ihnen, die allgemeine Lage im betreffenden Staat (einschließlich der Schutzfähigkeit der Behörden im Herkunftsstaat) von Amts wegen festzustellen und nachzuweisen (RNr. 98).

Zur ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im innerstaatlichen Konflikt

24       Der Tatbestand einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes in § 8 Abs. 1 Z 2 Asyl 2005 orientiert sich an Art. 15 lit. c der Statusrichtlinie (Richtlinie 2011/95/EU) und umfasst - wie der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) erkannt hat - eine Schadensgefahr allgemeiner Art, die sich als „willkürlich“ erweist, also sich auf Personen ungeachtet ihrer persönlichen Situation erstrecken kann. Entscheidend für die Annahme einer solchen Gefährdung ist nach den Ausführungen des EuGH, dass der den bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, eine Zivilperson liefe bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr, einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt zu sein. Dabei ist zu beachten, dass der Grad willkürlicher Gewalt, der vorliegen muss, damit der Antragsteller Anspruch auf subsidiären Schutz hat, umso geringer sein wird, je mehr er möglicherweise zu belegen vermag, dass er aufgrund von seiner persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen ist (vgl. EuGH vom 17. Februar 2009, C-465/07, Elgafaji, und vom 30. Jänner 2014, C-285/12, Diakité).

Schlussfolgerungen für die Annahme eines realen Risikos bzw. einer ernsthaften Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt

25       Nach der dargestellten Rechtsprechung sowohl des EGMR als auch des EuGH ist von einem realen Risiko einer Verletzung der durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte einerseits oder von einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Person infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts andererseits auszugehen, wenn stichhaltige Gründe für eine derartige Gefährdung sprechen.

26       Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können aber besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände (Gefährdungsmomente) dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaates im Allgemeinen - höheres Risiko besteht, einer dem Art. 2 oder 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen. In diesem Fall kann das reale Risiko der Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK oder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Person infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bereits in der Kombination der prekären Sicherheitslage und der besonderen Gefährdungsmomente für die einzelne Person begründet liegen.

Werden diese Rechtsgrundsätze auf den vorliegenden Fall angewandt, ergibt sich Folgendes:

27       Im zitierten Urteil der Großen Kammer vom 23. August 2016, Nr. 59166/12, J.K. u.a. gegen Schweden, beschäftigte sich der EGMR mit der aktuellen Sicherheitslage im Irak. Er führte aus, verlässliche und objektive Quellen sprächen dafür, dass Personen, denen unterstellt wird, mit der irakischen Regierung und ihren Institutionen, mit den Besatzungstruppen oder mit ausländischen Firmen zu kollaborieren, auch in den von der Regierung kontrollierten Gebieten Gefahr liefen, von Al Quaida und anderen oppositionellen Gruppen verfolgt zu werden (RNr. 116). Im Folgenden gelangte der EGMR zu der Einschätzung, dass die Schutzfähigkeit der irakischen Sicherheitsbehörden in der derzeitigen komplexen und volatilen Situation im Irak reduziert sei. Sie sei zwar in Bezug auf die irakische Bevölkerung im Allgemeinen in den von den Sicherheitsbehörden kontrollierten Gebieten zur Zeit gegeben, jedoch in Bezug auf jene Personen zu verneinen, die zu den genannten Risikogruppen gehören. Der kumulative Effekt der individuellen Bedrohung solcher Personen einerseits und der reduzierten Schutzfähigkeit der irakischen Sicherheitskräfte andererseits begründe die Annahme eines realen Risikos, dass Personen mit speziellem Risikoprofil bei Rückkehr in den Irak (insbesondere) entgegen Art. 3 EMRK behandelt würden (RNr. 121 und 123).

28       Unter Berücksichtigung dieser Ausführungen kann dem BVwG, dessen Entscheidung in zeitlicher Nähe zum zitierten Urteil des EGMR getroffen wurde, nicht entgegengetreten werden, wenn es die allgemeine Sicherheitslage in Bagdad nicht für so beschaffen erachtete, dass jeder dorthin Zurückkehrende der realen Gefahr unterläge, mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit einer Verletzung seiner durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte ausgesetzt zu sein oder für ihn die ernsthaften Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt anzunehmen wäre. Die Einschätzung des BVwG deckt sich insofern mit jener des EGMR in dem zuvor dargestellten Urteil. Der Revision gelingt es auch nicht darzulegen, dass aufgrund anderer, bislang nicht berücksichtigter Fakten in Bezug auf die Sicherheitslage in Bagdad eine davon abweichende Beurteilung vorgenommen werden müsste. Es mag zutreffen, dass das BVwG in seinen Feststellungen nicht sämtliche sicherheitsrelevanten Vorfälle in Bagdad berücksichtigt hat. Allerdings kann selbst unter Einbeziehung der von der Revision angesprochenen weiteren Vorfälle nicht erkannt werden, dass die Voraussetzungen für die Gewährung von subsidiärem Schutz allein aufgrund der allgemeinen Sicherheitslage im Sinne des bisher Gesagten gegeben wären.

29       Entscheidende Bedeutung kommt jedoch dem Umstand zu, ob der Revisionswerber besondere Gefährdungsmomente aufweist, die es - anders als für die irakische Bevölkerung der Hauptstadt Bagdad im Allgemeinen - wahrscheinlich erscheinen lassen, dass er in besonderem Maße von den dort stattfindenden Gewaltakten bedroht wäre.

30       Als ein möglicher derartiger Umstand ist zunächst in Betracht zu ziehen, dass der Revisionswerber nach den Feststellungen des BVwG für die irakische Armee als Funker tätig war. Allerdings schenkte das BVwG den Behauptungen des Revisionswerbers keinen Glauben, deshalb in das Blickfeld von gewalttätigen Verfolgern geraten zu sein. Es finden sich auch keine Hinweise in den Akten und im Vorbringen des Revisionswerbers, dass dies bezogen auf seine Person im Fall der Rückkehr in den Irak geschehen würde. Seine bisherige (berufliche) Tätigkeit begründet somit fallbezogen kein besonderes Gefährdungsmoment.

31       Zu beachten ist weiters, dass der Revisionswerber der schiitischen Glaubensgemeinschaft angehört und er - etwa bei Inanspruchnahme der Hilfe seiner in Bagdad verbliebenen Familienangehörigen - mit großer Wahrscheinlichkeit in einen überwiegend schiitisch dominierten Stadtteil Bagdads zurückkehren würde. In diesem Zusammenhang stellte das BVwG fest, dass Anschläge in Bagdad in erster Linie von der terroristischen Gruppierung IS ausgingen und sich - außer auf die staatlichen Sicherheitskräfte - vor allem gegen die schiitische Bevölkerung richteten. Im Einzelnen bezog sich das BVwG in seinen Feststellungen auf einen IS-Selbstmordanschlag am 12. September 2015, bei dem acht Personen in der Nähe einer schiitischen Moschee getötet worden seien, auf einen weiteren Selbstmordanschlag auf eine schiitische Prozession im Norden von Bagdad Ende Oktober 2015, auf einen Selbstmordanschlag am 13. November 2015 anlässlich des Begräbnisses eines schiitischen Kämpfers im Südwesten der Hauptstadt, bei dem mindestens 18 Menschen getötet und weitere 41 verletzt worden seien, und auf die Explosion einer Autobombe im Jänner 2016 nahe einem Einkaufszentrum mit zahlreichen Toten und Verletzten im schiitischen Osten der Stadt.

32       Auch in der jüngst erschienenen Position des UNHCR zur Rückkehr in den Irak vom 14. November 2016 wird festgehalten, dass sich nach einschlägigen Meldungen Anschla?ge von Aktivisten des IS in Bagdad gegen die Zivilbevo?lkerung, und zwar insbesondere gegen Moscheen, Marktpla?tze, Restaurants und Spielpla?tze richten, die sich oft in mehrheitlich schiitischen Bezirken befinden (Rz 11).

33       Allerdings gelangt der UNHCR in seinen Schlussfolgerungen nicht zu der Empfehlung, sämtlichen Angehörigen der schiitischen Glaubensgemeinschaft in Bagdad internationalen Schutz zu gewähren. Eine solche Sichtweise wäre auch im Lichte der Ausführungen des EGMR in dem mehrfach angesprochenen Urteil vom August 2016 nicht gerechtfertigt, zumal der EGMR unter den besonderen Gefährdungsmomenten nicht bloß die Zugehörigkeit zu einer bestimmten - in der betroffenen Region sogar mehrheitlich praktizierten - Religionsgemeinschaft versteht, sondern die Schutzfähigkeit der staatlichen Sicherheitskräfte vielmehr in Bezug auf individuelle Verfolgungshandlungen verneint, die sich gegen Personen mit einem bestimmten Risikoprofil richten. Allein der Umstand, dass der Revisionswerber in einen Stadtteil Bagdads zurückkehren würde, für den die Möglichkeit besteht, dass an einem öffentlichen Platz - wie beschrieben - ein Bombenanschlag terroristischer Gruppierungen erfolgen könnte, begründet somit bei der derzeitigen Gefahrenlage noch keine stichhaltigen Gründe für ein reales Risiko der Verletzung seiner durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte bzw. liegt deshalb noch keine ernsthaften Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen Konfliktes im Sinne des § 8 Abs. 1 Z 2 Asyl 2005 vor.

34       Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

35       Da sich das obsiegende BFA am Revisionsverfahren nicht beteiligt und daher auch keine Kosten verzeichnet hat, konnte eine Kostenentscheidung entfallen.

Wien, am 21. Februar 2017

Gerichtsentscheidung

EuGH 62007CJ0465 Elgafaji VORAB
EuGH 62012CJ0285 Diakite VORAB

Schlagworte

Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2017:RA2016180137.L00

Im RIS seit

13.04.2022

Zuletzt aktualisiert am

14.04.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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