TE Vwgh Beschluss 2022/3/21 Ra 2021/11/0147

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Veröffentlicht am 21.03.2022
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Index

E6J
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
60/01 Arbeitsvertragsrecht

Norm

B-VG Art133 Abs4
LSD-BG 2016 §72 Abs10
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
62018CJ0064 Maksimovic VORAB

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick und die Hofrätin Mag. Hainz-Sator sowie den Hofrat Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision des M V in R (Slowenien), vertreten durch Dr. Roland Grilc, Mag. Rudolf Vouk, Dr. Maria Skof, MMag. Maja Ranc und Mag. Sara Julia Grilc, Rechtsanwälte in 9020 Klagenfurt, Karfreitstraße 14/III, gegen die Erkenntnisse des Landesverwaltungsgerichts Steiermark jeweils vom 24. März 2021, Zlen. 1. LVwG 33.29-2100/2020-8, 2. LVwG 30.29-2101/2020-8, 3. LVwG 30.29-2102/2020-8, 4. LVwG 30.29 2183/2020-8 und 5. LVwG 30.29-2184/2020-8, jeweils betreffend Übertretungen nach dem LSD-BG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: jeweils Bezirkshauptmannschaft Hartberg-Fürstenfeld), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        1.1. Mit dem erstangefochtenen Erkenntnis wurde der Revisionswerber, ein Straferkenntnis der belangten Behörde vom 4. August 2020 dem Grunde nach bestätigend, schuldig erkannt, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und damit verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher eines slowenischen Unternehmens zu verantworten, dass für fünf (nach Österreich entsandte) Arbeitnehmer jeweils näher bezeichnete Sozialversicherungs- und Lohnunterlagen bzw. ZKO3-Meldungen trotz nachweislicher Aufforderung nicht übermittelt worden seien. Dadurch habe der Revisionswerber gegen § 12 Abs. 1 Z 3 LSD-BG verstoßen, weswegen über ihn gemäß § 27 Abs. 1 LSD-BG - in Abänderung des Straferkenntnisses der belangten Behörde, mit welchem eine (einzige) Geldstrafe in Höhe von € 5.000,-- verhängt worden war - eine (einzige) Geldstrafe in der Höhe von € 2.000,-- verhängt werde. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. Eine Ersatzfreiheitsstrafe wurde nicht festgesetzt.

2        Begründend führte das Landesverwaltungsgericht Steiermark aus, der Revisionswerber habe die Übertretung objektiv zu verantworten. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei die Strafnorm auch nach dem Urteil des EuGH vom 12. September 2019 in den Rechtssachen C-64/18 ua., Maksimovic ua., weiter anzuwenden (Hinweis ua. auf das hg. Erkenntnis vom 27. April 2020, Ra 2019/11/0171). Hinsichtlich der Strafbemessung führte das Verwaltungsgericht aus, dass „die Strafnorm“ insoweit rechtswidrig sei, als die Bestrafung für jeden Arbeitnehmer separat und das Anwenden von Mindeststrafen nicht zulässig sei. Als erschwerend sei zu werten, dass die Übertretung hinsichtlich mehrerer Arbeitnehmer begangen worden sei. Die belangte Behörde habe allerdings bei einer erstmaligen Übertretung bereits die Hälfte des Strafrahmens ausgeschöpft, weswegen insbesondere in Anbetracht „des höchst zulässigen Strafrahmens“ die Strafe herabzusetzen gewesen sei.

3        1.2. Mit dem zweitangefochtenen Erkenntnis wurde der Revisionswerber, ein Straferkenntnis der belangten Behörde vom 20. Juli 2020 dem Grunde nach bestätigend, schuldig erkannt, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und damit verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher dieses Unternehmens zu verantworten, dass für vier (nach Österreich entsandte) Arbeitnehmer jeweils näher bezeichnete Lohnunterlagen nicht in Deutsch am Arbeitsort bereitgehalten oder zugänglich gemacht worden seien. Dadurch habe der Revisionswerber gegen § 22 Abs. 1 LSD-BG verstoßen, weswegen über ihn gemäß § 28 Z 1 LSD-BG - in Abänderung des Straferkenntnisses der belangten Behörde, mit welchem eine (einzige) Geldstrafe in Höhe von € 6.000,-- verhängt worden war - eine (einzige) Geldstrafe in der Höhe von € 2.000,-- verhängt werde. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. Eine Ersatzfreiheitsstrafe wurde nicht festgesetzt.

4        1.3. Mit dem drittangefochtenen Erkenntnis wurde der Revisionswerber, ein Straferkenntnis der belangten Behörde vom 4. August 2020 dem Grunde nach bestätigend, schuldig erkannt, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und damit verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher dieses Unternehmens zu verantworten, dass für einen (nach Österreich entsandten) Arbeitnehmer die Sozialversicherungsunterlagen nicht am Arbeitsort bereitgehalten oder zugänglich gemacht worden seien. Dadurch habe der Revisionswerber gegen § 21 Abs. 1 LSD-BG verstoßen, weswegen über ihn gemäß § 26 Z 3 LSD-BG - in Abänderung des Straferkenntnisses der belangten Behörde, mit welchem eine (einzige) Geldstrafe in Höhe von € 1.000,-- verhängt worden war - eine (einzige) Geldstrafe in der Höhe von € 900,-- verhängt werde. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. Eine Ersatzfreiheitsstrafe wurde nicht festgesetzt.

5        1.4. Mit dem viertangefochtenen Erkenntnis wurde der Revisionswerber, ein Straferkenntnis der belangten Behörde vom 4. August 2020 dem Grunde nach bestätigend, schuldig erkannt, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und damit verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher dieses Unternehmens zu verantworten, dass für drei (nach Österreich entsandte) Arbeitnehmer jeweils näher bezeichnete Lohnunterlagen nicht in Deutsch am Arbeitsort bereitgehalten oder zugänglich gemacht worden seien. Dadurch habe der Revisionswerber gegen § 22 Abs. 1 LSD-BG verstoßen, weswegen über ihn gemäß § 28 Z 1 LSD-BG - in Abänderung des Straferkenntnisses der belangten Behörde, mit welchem eine (einzige) Geldstrafe in Höhe von € 3.000,-- verhängt worden war - eine (einzige) Geldstrafe in der Höhe von € 1.500,-- verhängt werde. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. Eine Ersatzfreiheitsstrafe wurde nicht festgesetzt.

6        1.5. Mit dem fünftangefochtenen Erkenntnis wurde der Revisionswerber, ein Straferkenntnis der belangten Behörde vom 4. August 2020 dem Grunde nach bestätigend, schuldig erkannt, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und damit verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher dieses Unternehmens zu verantworten, dass für drei (nach Österreich entsandte) Arbeitnehmer jeweils näher bezeichnete Lohnunterlagen trotz nachweislicher Aufforderung nicht übermittelt worden seien. Dadurch habe der Revisionswerber gegen § 12 Abs. 1 Z 3 LSD-BG verstoßen, weswegen über ihn gemäß § 27 Abs. 1 LSD-BG - in Abänderung des Straferkenntnisses der belangten Behörde, mit welchem eine (einzige) Geldstrafe in Höhe von € 1.500,-- verhängt worden war - eine (einzige) Geldstrafe in der Höhe von € 900,-- verhängt werde. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. Eine Ersatzfreiheitsstrafe wurde nicht festgesetzt.

7        1.6. Die Begründung des zweit- bis fünftangefochtenen Erkenntnisses entspricht in den hier wesentlichen Aspekten der oben wiedergegebenen Begründung des erstangefochtenen Erkenntnisses.

8        1.7. Mit Beschluss vom 7. Juni 2021, E 1617-1621/2021-5, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen diese Erkenntnisse gerichteten Beschwerde des Revisionswerbers ab und trat die Beschwerde mit Beschluss vom 20. Juli 2021, E 1617-1621/2021-7, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

9        1.8. Gegen alle fünf Erkenntnisse des Verwaltungsgerichts richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision.

10       2. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

12       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

13       3.1. Die Revision, welche sich gleichermaßen gegen alle fünf Erkenntnisse richtet, bringt zu ihrer Zulässigkeit zunächst vor, es bestehe eine Judikaturdivergenz zu den Auswirkungen des Urteils des EuGH in den Rechtssachen C-64/18 ua., Maksimovic ua. Einerseits habe der Verfassungsgerichtshof bereits festgestellt, dass durch die Verhängung von Geldstrafen in vergleichbaren Fällen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Eigentumsrecht verletzt sei und dass die Strafbestimmungen wegen Nichtbereithaltung von Lohnunterlagen auf Grund des Anwendungsvorranges des Unionsrechts nicht mehr angewendet werden dürften. Andererseits sei der Verwaltungsgerichtshof von der weiteren Anwendbarkeit der Vorgängerbestimmungen des AVRAG mit der Maßgabe der bloß eingeschränkten Anwendbarkeit bestimmter Strafnormen ausgegangen.

14       Mit den Auswirkungen des Urteils des EuGH in den Rechtssachen C-64/18 ua., Maksimovic ua., auf die nationale Rechtslage hat sich der Verwaltungsgerichtshof im hg. Erkenntnis vom 15. Oktober 2019, Ra 2019/11/0033 und 0034 (zum AVRAG; zum LSD-BG vgl. etwa VwGH 27.4.2020, Ra 2019/11/0171) auseinandergesetzt, mit der behaupteten Judikaturdivergenz im hg. Erkenntnis vom 9. November 2020, Ra 2020/11/0188, Rn. 16 (vgl. zu einem solchen Zulässigkeitsvorbringen auch VwGH 15.10.2021, Ra 2020/11/0173 bis 0176; 25.11.2021, Ra 2020/11/0163; 6.12.2021, Ra 2021/11/0166).

15       3.2. Die Revision macht zu ihrer Zulässigkeit weiter geltend, dass der Nationalrat bereits eine Novelle des LSD-BG beschlossen habe, um die Rechtslage an die unionsrechtlichen Erfordernisse nach dem Urteil des EuGH in den Rechtssachen C-64/18 ua., Maksimovic ua., anzupassen, welche nach dem „Günstigkeitsprinzip“ auf den Revisionsfall Anwendung finden müsse.

16       Auch damit wird eine Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht dargetan: Gemäß § 72 Abs. 10 letzter Satz LSD-BG idF der Novelle BGBl. I Nr. 174/2021 sind die §§ 26 bis 29 in der Fassung der Novelle auf alle zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Bestimmungen anhängigen Verfahren einschließlich von Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof und Verfassungsgerichtshof anzuwenden.

17       Den - somit im Revisionsfall anzuwendenden - §§ 26 und 28 LSD-BG idF BGBl. I Nr. 174/2021 entsprechen die angefochtenen Erkenntnisse, da jeweils nur eine Gesamtgeldstrafe ohne Abstellen auf eine Mindeststrafe verhängt und keine Ersatzfreiheitsstrafen festgesetzt wurden (vgl. - unter Heranziehung des Günstigkeitsprinzips - VwGH 29.11.2021, Ra 2020/11/0164 bis 0166).

18       3.3. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 21. März 2022

Gerichtsentscheidung

EuGH 62018CJ0064 Maksimovic VORAB

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021110147.L00

Im RIS seit

13.04.2022

Zuletzt aktualisiert am

25.04.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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