TE Vfgh Erkenntnis 1994/6/24 B91/93, B92/93, B93/93, B94/93

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Veröffentlicht am 24.06.1994
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Index

40 Verwaltungsverfahren
40/01 Verwaltungsverfahren außer Finanz- und Dienstrechtsverfahren

Norm

B-VG Art83 Abs2
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall

Leitsatz

Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter infolge Wegfalls der Zuständigkeit der Behörde aufgrund Anlaßfallwirkung der Aufhebung des §63 Abs5 AVG mit E v 24.06.94, G20/94 ua.

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch die angefochtenen Bescheide im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

Die Bescheide werden aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden des Beschwerdevertreters die mit 60.000 S bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Der Beschwerdeführer hat in Ausländerbeschäftigungssachen die Frist zur Erhebung von Berufungen gegen Bescheide des Arbeitsamtes Krems versäumt und beim Arbeitsamt unter Nachholung der versäumten Prozeßhandlung Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand eingebracht. Diesen Anträgen hat das Landesarbeitsamt Niederösterreich keine Folge gegeben und die mit den nachgereichten Berufungen angefochtenen Bescheide des Arbeitsamtes bestätigt. Unter Berufung auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wertet die Berufungsbehörde das Versäumnis der Kanzleiangestellten, die Fristen einzutragen, nicht als unvorhersehbares und unabwendbares Ereignis.

In den gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof wird die Verletzug des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gerügt. Über den Antrag auf Wiedereinsetzung habe jene Behörde zu entscheiden, bei der die versäumte Prozeßhandlung vorzunehmen war. Die Berufung könne sowohl bei der ersten Instanz wie auch bei der Berufungsbehörde eingebracht werden. Da der Beschwerdeführer seine Anträge und die Berufung beim Arbeitsamt eingebracht habe, hätte auch das Arbeitsamt über seine Anträge zu entscheiden gehabt.

Aus Anlaß dieser Beschwerden leitete der Verfassungsgerichtshof gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Wortfolge ", oder bei der Behörde, die über die Berufung zu entscheiden hat" im ersten Satz des §63 Abs5 AVG idF der Novelle BGBl. 357/1990 (wiederverlautbart mit Kundmachung BGBl. 51/1991) ein. Mit Erkenntnis vom heutigen Tag, G20-23/94, hob er diese Wortfolge als verfassungswidrig auf.

II. Die Beschwerden sind begründet.

Die aufgehobene Wortfolge ist in den Anlaßfällen nicht mehr anzuwenden.

Die belangte Behörde war somit zur Entscheidung über die Wiedereinsetzungsanträge nach §71 Abs4 iVm §63 Abs5 AVG nicht zuständig. Ihre Bescheide verletzen den Beschwerdeführer daher im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter.

Die Bescheide sind folglich aufzuheben.

Diese Entscheidung kann gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VerfGG. Im zugesprochenen Kostenbetrag ist Umsatzsteuer in der Höhe von 10.000 S enthalten.

Schlagworte

VfGH / Anlaßfall, Behördenzuständigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1994:B91.1993

Dokumentnummer

JFT_10059376_93B00091_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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