Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat Hon.-Prof. PD Dr. Rassi als Vorsitzenden und die Hofräte und Hofrätinnen Dr. Schwarzenbacher, MMag. Matzka, Dr. Faber sowie Mag. Istjan, LL.M., als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gemeinde *, vertreten durch Dr. Siegfried Sieghartsleitner und andere Rechtsanwälte in Wels, gegen die beklagte Partei F* P*, vertreten durch die ANWALTGMBH Rinner Teuchtmann, Rechtsanwälte in Linz, wegen Unterlassung (Streitwert 7.500 EUR) und Wiederherstellung (Streitwert 7.500 EUR) über die Revision der klagenden Partei und die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Steyr als Berufungsgericht vom 7. Juni 2021, GZ 1 R 155/20t-106, womit das Urteil des Bezirksgerichts Steyr vom 30. September 2020, GZ 2 C 886/15d-97, teilweise abgeändert wurde, zu Recht erkannt und beschlossen:
Spruch
I. Der Revision der klagenden Partei wird Folge gegeben.
1. Das Urteil des Berufungsgerichts wird hinsichtlich des Unterlassungsbegehrens dahin abgeändert, dass es als Teilurteil wie folgt zu lauten hat:
„Die beklagte Partei ist schuldig, die Bewirtschaftung und Benützung des Grundstücks 1*, EZ 1* Grundbuch *, soweit eine solche über den Gemeingebrauch hinausgeht, zu unterlassen.
Die Kostenentscheidung wird insoweit der Endentscheidung vorbehalten.“
2. Im Übrigen werden die Urteile der Vorinstanzen im Umfang der Entscheidung über das Wiederherstellungsbegehren einschließlich der Kostenentscheidung aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind insoweit weitere Verfahrenskosten.
II. Die Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei deren mit 1.096,56 EUR (darin 182,76 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
[1] Das landwirtschaftliche Anwesen des Beklagten grenzt an ein Weggrundstück der klagenden Gemeinde. Der Beklagte ackerte – nach Fertigstellung eines neuen Weges auf seinem Grund – das Weggrundstück der Klägerin um und glich es an seine angrenzenden Feldgrundstücke an.
[2] Die Klägerin beantragt, dem Beklagten die Bewirtschaftung und Benützung ihres Grundstücks, soweit eine solche über den Gemeingebrauch hinausgeht, hilfsweise soweit die Benützung über ein Befahren und Begehen sowie eine Durchführung von Instandhaltungsmaßnahmen hinausgeht, zu verbieten. Weiters begehrt sie die Wiederherstellung des früheren Zustands des Grundstücks, dass die Wegführung wieder befestigt und verdichtet werde. Der Beklagte habe den Weg auf dem Grundstück der Klägerin entfernt. Weiters habe er auf einem davor liegenden Abschnitt auf dem streitgegenständlichen Grundstück Betonarbeiten durchgeführt, die im Zuge der Wiederherstellung von ihm (auch) wieder zu entfernen seien.
[3] Der Beklagte wendete ein, er und seine Rechtsvorgänger hätten den Weg zumindest seit 1950 wie Eigentümer benützt und bewirtschaftet, was die Klägerin geduldet habe. Er habe daher durch Ersitzung Eigentum erworben und sei daher berechtigt, den Weg über den Gemeingebrauch hinaus zu nutzen.
[4] Das Erstgericht wies im zweiten Rechtsgang das Unterlassungshauptbegehren mit der Begründung ab, dass dieses wegen der Formulierung „soweit eine solche [Benützung] über den Gemeingebrauch hinausgeht“ nicht ausreichend bestimmt sei. Im Übrigen gab es dem Klagebegehren im Sinne des Unterlassungseventual- und des Wiederherstellungsbegehrens statt. Eine Ersitzung durch den Beklagten verneinte es (wie auch schon das Berufungsgericht im ersten Rechtsgang) mangels Gutgläubigkeit und mangels Ablaufs der 40-jährigen Ersitzungszeit.
[5] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung hinsichtlich der Entscheidung über das Unterlassungsbegehren. Bezüglich des Wiederherstellungs-begehrens gab es der Berufung des Beklagten teilweise statt und wies das Begehren hinsichtlich eines örtlichen bestimmten Abschnitts ab. Es bemaß den Wert des Entscheidungsgegenstands mit 5.000 EUR, nicht jedoch 30.000 EUR übersteigend und erklärte die ordentliche Revision in Ermangelung von höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Frage, ob ein Unterlassungsbegehren unter Bezugnahme auf den Gemeingebrauch ausreichend bestimmt sei, für zulässig.
[6] Dagegen richten sich die – jeweils von der Gegenseite beantworteten – Revisionen beider Streitteile mit dem Antrag auf vollständige Klagestattgebung (Klägerin) bzw Abweisung (Beklagter).
Rechtliche Beurteilung
[7] Die Revision der Klägerin ist zulässig und berechtigt (zum Teil im Sinne des hilfsweise gestellten Aufhebungsbegehrens), die Revision des Beklagten ist nicht zulässig.
1. Zur Revision der Klägerin
[8] 1.1.1. Dem Unterlassungsbegehren muss unter Berücksichtigung des Sprach- und Ortsgebrauchs und nach dem Verständnis der beteiligten Verkehrskreise zu entnehmen sein, was begehrt ist (RS0119807).
[9] 1.1.2. Aus verfahrensrechtlicher Sicht ist die Tauglichkeit des Unterlassungsbegehrens für ein mögliches Exekutionsverfahren (§ 355 EO) zu beurteilen (RS0000878, RS0004864, RS0037469 [T1]), zumal der Titel die Richtschnur für zukünftiges Verhalten bilden soll (RS0119807). Das erfordert auch mit Blick auf § 7 Abs 1 EO (RS0001019) eine deutliche Umschreibung des Verbots (RS0119807, RS0037634) bzw die Bestimmtheit der zu unterlassenden Handlung (RS0002023), die Vermeidung von allgemeinen Begriffen (RS0119807) und die Anknüpfung an objektive Anhaltspunkte. Dem Beklagten kann nicht ganz generell aufgetragen werden, sich rechtmäßig zu verhalten (RS0119807 [T3]). Es muss vielmehr die Verpflichtung zur Unterlassung bestimmter Handlungen festgelegt sein (RS0000771). Das Unterlassungsbegehren ist daher zu konkretisieren, damit es zu keiner Verlagerung des Rechtsstreits in das Exekutionsverfahren kommt (RS0000878 [T7, T10]).
[10] 1.1.3. Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen entspricht bereits das Hauptbegehren diesen Anforderungen. Das Verbot der Bewirtschaftung und Benützung des klägerischen Grundstücks zeigt dem Beklagten hinreichend klar auf, wie er sich hinkünftig zu verhalten hat. Auch der Umstand, dass nur eine solche Benützung des Grundstücks verboten ist, die über den Gemeingebrauch hinausgeht, spricht nicht gegen die Bestimmtheit, weil diese Ausnahme vom Unterlassungsgebot nach objektiven Kriterien festgestellt werden kann. Zudem hat auch der Beklagte vorgebracht, dass er das Grundstück über den Gemeingebrauch hinaus genutzt habe und dazu auch berechtigt gewesen sei, sodass auch ihm die Grenzen der möglichen Benützung klar sind. Schließlich verhindert die in das Begehren aufgenommene Ausnahme des Gemeingebrauchs auch, dass das Unterlassungsbegehren zu weit gefasst ist, zumal der Beklagte nicht zu einer Unterlassung verurteilt werden darf, zu der er bei richtiger Auslegung des materiellen Rechts nicht verpflichtet ist (RS0037461).
[11] 1.1.4. Einer Entscheidung des exekutionsrechtlichen Fachsenats des Obersten Gerichtshofs (3 Ob 54/16m), mit der dieser die Stattgebung eines Unterlassungsbegehrens billigte, lag eine vergleichbare Formulierung des Unterlassungsgebots zugrunde („… ist schuldig, die Nutzung … des Grundstücks … als Badeplatz zu Freizeitzwecken, soweit diese über den Gemeingebrauch hinausgeht, sowie jede ähnliche Sondernutzung zu unterlassen“) ohne dass in diesem Verfahren von einer Unbestimmtheit ausgegangen wurde.
[12] Die angefochtene Entscheidung war daher hinsichtlich des Unterlassungsbegehrens insoweit abzuändern, dass dem Hauptbegehren stattzugeben ist.
[13] 1.2.1. Die Klägerin macht zum Wiederherstellungsbegehren einen Verfahrensmangel des Berufungsgerichts durch unrichtige Wiedergabe des Klagsvorbringens geltend. Die Klägerin habe nämlich entgegen der Annahme des Berufungsgerichts bereits in erster Instanz vorgebracht, dass auf dem streitgegenständlichen Grundstück vom Beklagten (neben der Entfernung des Weges auf einem bestimmten Abschnitt) auch Betonarbeiten durchgeführt worden seien, die im Zuge der Wiederherstellung von ihm wieder zu entfernen seien. Dieses Vorbringen habe das Berufungsgericht bei seiner rechtlichen Begründung außer Acht gelassen.
[14] 1.2.2. Diesen Mangel rügt die Klägerin zu Recht (RS0043166), zumal sie das bezeichnete Vorbringen tatsächlich schon in erster Instanz erstattet hat. Auch in der Berufungsverhandlung brachte sie vor, dass der Beklagte ab der nördlichen Hauskante seines Bauernhofs in den Weg eingegriffen und diesen umgestaltet habe.
[15] 1.2.3. Aus der Gesamtheit des Klagsvorbringens zur Wiederherstellung ergibt sich nicht eindeutig dessen Umfang. Das Klagebegehren ist zum einen darauf gerichtet, den früheren Zustand des Grundstücks wiederherzustellen. Im Sinne der Vorinstanzen könnte es aber auch zum anderen dahin verstanden werden, dass es der Klägerin (nur) um die Wiederherstellung des Weges geht, zumal sie im Begehren auf die Wegführung abstellt. Es bedarf daher einer Klarstellung, ob die Klägerin nur auf die Wiederherstellung des Weges abzielt, oder insgesamt jene des früheren Zustands des Grundstücks. Eine Ergänzung des Verfahrens erster Instanz zwecks Erörterung des Begehrens der Klägerin im Zusammenhang mit der Wiederherstellung ist daher unvermeidbar (vgl 5 Ob 169/19t; 3 Ob 113/19t; 4 Ob 36/18z). Erforderlichenfalls wird das Begehren präziser zu fassen sein.
[16] 1.3. Folglich waren die Entscheidungen der Vorinstanzen insoweit aufzuheben und die Rechtssache diesbezüglich zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.
[17] 1.4. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 und 4 ZPO.
2. Zur Revision des Beklagten
[18] 2.1.1. Die Revision des Beklagten ist über weite Strecken nicht gesetzmäßig ausgeführt: Die bloße Behauptung, die zweite Instanz habe die Sache rechtlich unrichtig beurteilt, wie sie der Beklagte aufstellt, ist nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs keine gesetzmäßige Ausführung der Rechtsrüge (RS0043605). Insbesondere genügt es nicht, die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts (wie hier) mit bloßen „Leerformeln“ oder pauschal – daher der Sache nach begründungslos – zu bekämpfen (RS0043654 [T14]).
[19] 2.1.2. Des weiteren ist die Rechtsrüge nur dann gesetzmäßig ausgeführt, wenn vom festgestellten Sachverhalt ausgegangen wird (RS0043312; RS0043603). Dies ist in der Revision des Beklagten überwiegend nicht der Fall. Außerdem verstößt sein Revisionsvorbringen teilweise gegen das Neuerungsverbot. Neue Einreden rechtlicher Natur können in der Revisionsinstanz nicht mehr geltend gemacht werden, wenn die sie begründenden Tatsachen im Verfahren vor dem Erstgericht nicht vorgebracht wurden (RS0042025).
[20] 2.2. In seiner Berufung machte der Beklagte die Nichtigkeit des Ersturteils wegen der Unzulässigkeit des Rechtswegs geltend, weil über die Störung des Gemeingebrauchs die Verwaltungsbehörden zu entscheiden hätten. Das Berufungsgericht hat die Zulässigkeit des Rechtswegs bejaht und damit eine Nichtigkeit verneint. Eine vom Berufungsgericht verneinte Nichtigkeit kann nicht mehr an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden (RS0043405). Dies gilt auch dann, wenn die Nichtigkeit nicht im Spruch der Berufungsentscheidung, sondern bloß in den Entscheidungsgründen verneint wurde (RS0043405 [T37]). Auf die Ausführungen der Revision zur Frage der Rechtswegzulässigkeit ist daher nicht einzugehen.
[21] 2.3. Die Bestreitung der Aktivlegitimation der Klägerin geht von Tatsachenbehauptungen aus (der Gemeinderat sei nicht zur Generalermächtigung an die Klagevertreter befugt gewesen und der streitgegenständliche Weg sei nicht auf dem Grundstück der Klägerin gelegen), die den festgestellten Tatsachen zuwider laufen. Auch diesbezüglich zeigt die Revision daher (mangels gesetzmäßiger Ausführung) keine erheblichen Rechtsfragen auf.
[22] 2.4. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen.
Textnummer
E134409European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2022:0040OB00185.21S.0223.000Im RIS seit
13.04.2022Zuletzt aktualisiert am
13.04.2022