Entscheidungsdatum
24.01.2022Norm
GewO 1994 §360 Abs4Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Mag. Sonja Dusatko als Einzelrichterin über die Beschwerde der A GmbH, ***, ***, vertreten durch B Rechtsanwälte GmbH, ***, *** , gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 13.10.2021 ***, betreffend Zwangs- und Sicherheitsmaßnahmen auf dem GRst. Nr. ***, KG ***, ***, ***, zu Recht:
1. Der angefochtene Bescheid wird ersatzlos behoben.
2. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.
Rechtsgrundlagen:
§ 28 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG
§ 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG
Entscheidungsgründe:
1. Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 13.10.2021 *** hat die Bezirkshauptmannschaft Baden (künftig: belangte Behörde) Folgendes verfügt:
„Die Bezirkshauptmannschaft Baden verfügt folgende Zwangs- und Sicherheitsmaßnahmen unverzüglich beim Betrieb des konsenslos errichteten Lagerplatzes im Standort ***, ***, KG ***, Grst.Nr. ***, durchzuführen:
Die unsachgemäß übereinander angeordneten Lagercontainer, welche teilweise direkt an der Grundstücksgrenze zum Grst.Nr. ***, KG *** aufgestellt wurden, sind unverzüglich zu entfernen und ist der Nachweis darüber unverzüglich an die Bezirkshauptmannschaft Baden zu übermitteln.“
Als Rechtsgrundlage war § 360 Abs. 4 und 5 GewO 1994 angeführt. Der Bescheid war an die A GmbH, ***, ***, adressiert.
In der Begründung des angefochtenen Bescheides war unter anderem Folgendes ausgeführt:
„Im Zuge eines Außendienstes am 11.10.2021 durch die Bezirkshauptmannschaft Baden und unter Beziehung von Amtssachverständigen wurde festgestellt, dass auf dem Grst. Nr. ***, KG ***– am Ende der ***, das im Eigentum der C GesmbH steht, einerseits Baumaterialien, Spundwände, Grabenverbauprofile etc. sowie diverse Container / teilweise übereinander und ein Zelt vorhanden sind.
Die Amtssachverständige für Bautechnik führte dazu folgendes aus:
„Im Zuge des Lokalaugenscheines konnten am gegenständlichen Grundstück mehrere Lagercontainer sowie 1 Lagerzelt festgestellt werden (siehe dazu Sachverhaltsdarstellung).
Die Lagercontainer, welche teilweise direkt an der Grundstücksgrenze zum Grst.Nr. ***, KG ***, errichtet wurden, wurden nicht begangen. Die Fundierung direkt auf dem unbefestigten Boden entspricht vermutlich nicht den Herstellerrichtlinien bzw. den statischen Anforderungen. Teilweise wurden die Container augenscheinlich unsachgemäß übereinander angeordnet. Aufgrund dieser Anordnung kann eine Gefährdung, insbesondere der Gesundheit und das Leben von Personen sowie von Eigentum, nicht ausgeschlossen werden. Auch ist der Zugang zu diesen Containern unklar.“
Die belangte Behörde führte aus, dass aufgrund der Lagerungen eine Gefährdung für Leib und Leben von Personen nicht ausgeschlossen werden könne. Daher sei von einer Betriebsanlagenpflicht auszugehen. Weiters wurde die Bestimmung des
§ 360 Abs. 4 GewO zitiert.
2. Zum Beschwerdevorbringen:
Dagegen hat die Beschwerdeführerin innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt. Begründend hat sie vorgebracht, dass das Grundstück Nr. ***, KG *** im Eigentum der C GmbH stehe. Mieterin sei nicht die Beschwerdeführerin, sondern die A GmbH. Es handle sich somit um den falschen Adressaten des Bescheides.
Überdies handle es sich nicht um festfundamentierte Lagercontainer, sondern lediglich um eine mobile Raumlösung in Containerform, die mit der Verwendung versetzt werden kann. Die Verwendung entspricht somit den Herstellerrichtlinien bzw. den statischen Anforderungen.
Die belangte Behörde habe es unterlassen, Nachforschungen betreffend den Betreiber sowie der Umstände des tatsächlichen Betriebes anzustellen. Der Sachverhalt sei somit ergänzungsbedürftig.
Mit Schreiben vom 15.11.2021 hat D als Grundstückseigentümer und Vermieter, vertreten durch E Rechsanwältinnen OG, ***, ***, zu einem näher angeführten Schreiben der belangten Behörde vom 18.10.2021 (zu ***), ebenfalls betreffend das Grundstück Nr. ***, KG ***, abgegeben. Darin hat er vorgebracht, dass mit Mietvertrag vom 27.04.2021 (gemeint wohl 2011) die A GmbH, FN ***, ***, ***, von ihm, die verfahrensgegenständliche Teilfläche der Liegenschaft am Grundstück mit der Nummer ***, EZ ***, KG ***, gemietet habe.
Mit Übernahmeerklärung zum Mietvertrag vom 27.04.2011 samt Zusatzvereinbarung vom 03.04.2014, unterzeichnet am 01.05.2020, habe die F GmbH den zwischen D und der A GmbH geschlossenen Mietvertrag übernommen und sämtliche Rechte und Pflichten der A GmbH aus dem Mietvertrag übernommen. Seitdem sei die F GmbH, FN ***, ***, ***, die neue Mieterin der verfahrensgegenständlichen Teilfläche. Dazu legte D den Mietvertrag vom 27.04.2011, die Zusatzvereinbarung vom 03.04.2014 und die Übernahmeerklärung vom 01.05.2020 vor.
3. Zum durchgeführten Ermittlungsverfahren:
Das LVwG NÖ hat in den vorgelegten Verfahrensakt sowie ins Firmenbuch Einsicht genommen.
4. Feststellungen:
Der Verfahrensablauf ist in Punkt 1. dargestellt.
D ist Eigentümer des Grundstückes Nr. ***, EZ ***, KG ***. Mit Mietvertrag vom 27.04.2011 wurde eine näher bestimmte Teilfläche des Grundstückes zunächst auf 3 Jahre an die Beschwerdeführerin vermietet. Mit Zusatzvereinbarung vom 03.04.2014 wurde das Mietverhältnis zunächst um weitere 3 Jahre verlängert.
In einer Übernahmeerklärung vom 01.05.2020 bestätigt der Geschäftsführer der F GmbH und der A GmbH, G, dass alle Rechte und Pflichten der A GmbH zum Mietvertrag vom 27.04.2011 samt Zusatzvereinbarung vom 03.04.2014 (abgeschlossen zwischen der A GmbH und D) von der F GmbH übernommen worden seien. Die F GmbH ist somit seit 01.05.2020 Mieterin einer näher bestimmten Teilfläche des Grundstückes Nr. ***, EZ ***, KG ***. Auf dieser Teilfläche des Grundstückes befanden sich die im angefochtenen Bescheid näher beschriebenen Lagercontainer.
Die Beschwerdeführerin ist unter FN *** im Firmenbuch des Landesgerichtes *** eingetragen. G ist seit 22.04.2004 selbständig vertretungsbefugter handelsrechtlicher Geschäftsführer der GmbH. Die F GmbH ist unter FN *** im Firmenbuch des Landesgerichtes *** eingetragen. G ist seit 09.01.2015 selbständig vertretungsbefugter handelsrechtlicher Geschäftsführer der GmbH.
5. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensablauf ergibt sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt. Die Daten der Unternehmen ergeben sich aus dem Firmenbuch. Die Vermietung der relevanten Teilfläche ergibt sich aus den von D vorgelegten Verträgen und wurde auch von der Beschwerdeführerin so dargestellt.
6. Erwägungen:
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtsache, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, durch Erkenntnis zu erledigen.
§ 360 Abs. 4 und 5 GewO bestimmt Folgendes:
(4) Um die durch eine diesem Bundesgesetz unterliegende Tätigkeit oder durch Nichtbeachtung von Anforderungen an Maschinen, Geräte und Ausrüstungen (§ 71) verursachte Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen oder für das Eigentum abzuwehren oder um die durch eine nicht genehmigte Betriebsanlage verursachte unzumutbare Belästigung der Nachbarn abzustellen, hat die Behörde, entsprechend dem Ausmaß der Gefährdung oder Belästigung, mit Bescheid die gänzliche oder teilweise Schließung des Betriebes, die Stilllegung von Maschinen, Geräten oder Ausrüstungen oder deren Nichtverwendung oder sonstige die Anlage betreffende Sicherheitsmaßnahmen oder Vorkehrungen zu verfügen. Hat die Behörde Grund zur Annahme, dass zur Gefahrenabwehr Sofortmaßnahmen an Ort und Stelle erforderlich sind, so darf sie nach Verständigung des Betriebsinhabers, seines Stellvertreters oder des Eigentümers der Anlage oder, wenn eine Verständigung dieser Person nicht möglich ist, einer Person, die tatsächlich die Betriebsführung wahrnimmt, solche Maßnahmen auch ohne vorausgegangenes Verfahren und vor Erlassung eines Bescheides an Ort und Stelle treffen; hierüber ist jedoch binnen eines Monats ein schriftlicher Bescheid zu erlassen, widrigenfalls die getroffene Maßnahme als aufgehoben gilt. Der Bescheid gilt auch dann als erlassen, wenn er gemäß § 19 des Zustellgesetzes wegen Unzustellbarkeit an die Behörde zurückgestellt worden ist.
(5) Die Bescheide gemäß Abs. 1 zweiter Satz, 2, 3 oder 4 sind sofort vollstreckbar; wenn sie nicht kürzer befristet sind, treten sie mit Ablauf eines Jahres, vom Beginn der Vollstreckbarkeit an gerechnet, außer Wirksamkeit. Durch einen Wechsel in der Person des Inhabers der von den einstweiligen Zwangs- und Sicherheitsmaßnahmen betroffenen Anlagen, Anlagenteile oder Gegenstände wird die Wirksamkeit dieser Bescheide nicht berührt.
Normadressat von Maßnahmen nach § 360 GewO ist der Gewerbeausübende bzw. Anlageninhaber. Nach § 309 ABGB ist (Sach)inhaber, wer eine Sache in seiner Gewahrsame hat (VwGH vom 10.02.1998, 97/04/0169). Der Bestandnehmer (Mieter) ist vom Inhaberbegriff eingeschlossen (VwGH vom 21.09.1977, 1823/76; VwGH vom 30.06.2004, 2002/04/0190). Mit der Innehabung der Betriebsanlage wird die Möglichkeit der Bestimmung des in der Betriebsanlage ausgeübten faktischen Geschehens angesprochen (VwGH vom 03.09.2020, Ra 2018/04/0186; VwGH vom 15.12.2014, Ra 2014/04/0197).
Inhaber der Betriebsanlage ist aber im vorliegenden Fall die F GmbH und nicht die Beschwerdeführerin. Somit konnte die Beschwerdeführerin als Nichtinhaberin der Anlage nicht Adressatin der angefochtenen Maßnahme sein.
Sache des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht ist nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches der belangten Behörde gebildet hat (VwGH vom 16.11.2015, Ra 2015/12/0026). Im vorliegenden Zusammenhang bedeutet dies, dass zu überprüfen war, ob die Vorschreibung an die Beschwerdeführerin erfolgen konnte. Da die Beschwerdeführerin aber nicht Inhaberin der Betriebsanlage war, konnte eine Vorschreibung an sie nicht erfolgen.
Der Austausch eines denkmöglich in Betracht kommenden Bescheidadressaten durch einen anderen Adressaten würde einen als unzulässig bewerteten Akt des "Umdeutens" darstellen (VwGH, verstärkter Senat, 25.5.1992, 91/15/85) und ist daher im Beschwerdeverfahren unzulässig.
Da das Verfahren zur Vorschreibung von Maßnahmen nach § 360 Abs. 1 GewO ein amtswegiges Verfahren ist, blieb im vorliegenden Fall mangels Rechtmäßigkeit der Maßnahme nur die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
7. Zur Nichtdurchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG konnte eine mündliche Verhandlung entfallen.
8. Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Schlagworte
Gewerberecht; Betriebsanlage; Zwangs- und Sicherheitsmaßnahmen; Adressat;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2022:LVwG.AV.2051.001.2021Zuletzt aktualisiert am
12.04.2022