Entscheidungsdatum
25.01.2022Norm
FrPolG 2005 §31 Abs1 Z3Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch seinen Richter Dr. Marvin Novak, LL.M., als Einzelrichter über die Beschwerde von Herrn A, vertreten durch die B Rechtsanwalt GmbH, ***, ***, gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Niederösterreich vom 5. November 2020, Zl. ***, zu Recht:
1. Der Beschwerde wird Folge gegeben und es wird das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben.
2. Das Verwaltungsstrafverfahren wird gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (VStG) eingestellt.
3. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.
Weitere Rechtsgrundlagen:
§ 50 Abs. 1 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG)
§ 25a des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG)
Art. 133 Abs. 4 des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG)
Entscheidungsgründe:
1. Maßgeblicher Verfahrensgang:
1.1. Das vorliegende Verwaltungsstrafverfahren gegen den nunmehrigen Beschwerdeführer, Herrn A, basiert auf der Anzeige der Polizeiinspektion *** vom 19. Oktober 2020, wonach ein illegaler Aufenthalt nach dem FPG infolge von Schwarzarbeit vorgelegen sei.
Die Landespolizeidirektion Niederösterreich erließ gegen den Beschwerdeführer eine Strafverfügung wegen unrechtmäßigen Aufenthaltes, die fristgerecht beeinsprucht wurde.
Seitens der Polizeiinspektion *** wurden der Landespolizeidirektion Niederösterreich mit E-Mail vom 4. November 2020 Unterlagen der Finanzpolizei zur Einsicht übermittelt.
1.2. Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Niederösterreich vom 5. November 2020 wurde der Beschwerdeführer wegen unrechtmäßigen Aufenthaltes eines Verstoßes gegen § 120 Abs. 1a FPG für schuldig befunden. Es wurde über ihn eine Geldstrafe in Höhe von 600,-- Euro bzw. eine Ersatzfreiheitsstrafe von 3 Tagen und 8 Stunden verhängt und es wurde ein Kostenbeitrag von 60,-- Euro vorgeschrieben. Ausgesprochen wurde, dass die eingehobene vorläufige Sicherheit in Höhe von 500,-- Euro angerechnet und mit Rechtskraft der Entscheidung für verfallen erklärt werde. Auch werde die bereits geleistete Zahlung von 100,-- Euro mit Rechtskraft der Entscheidung der offenen Forderung zugeordnet.
Angelastet wurde dem Beschwerdeführer, dass er sich am 19. Oktober 2020 um 11:00 Uhr auf der *** in *** nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe. Er sei Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels und er sei einer unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen, obwohl sich Fremde nur dann rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten würden, wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels seien, bis zu drei Monaten, sofern sie während ihres Aufenthaltes keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgingen. Der Beschwerdeführer habe auch über kein sonstiges Aufenthaltsrecht verfügt.
Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer zum Tatzeitpunkt von Beamten der Finanzpolizei und von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am Tatort aufgegriffen worden sei. Es sei festgestellt worden, dass er im Besitz eines slowakischen Aufenthaltstitels gewesen sei und im Auftrag einer slowakischen Firma im Bundesgebiet einer Erwerbstätigkeit nachgegangen sei, ohne im Besitz der arbeitsmarktrechtlichen Bewilligungen zu sein. Da der Aufenthalt somit unrechtmäßig gewesen sei, sei eine Strafverfügung erlassen worden. Im Einspruch sei die Erwerbstätigkeit bestätigt worden, jedoch sei behauptet worden, dass diese und der Aufenthalt auf Grund einer Entsendung rechtmäßig gewesen seien. Die entsprechende Meldung liege der Behörde vor und es sei darin angeführt, dass nur slowakische Arbeitnehmer entsendet würden. Gemäß einer Stellungnahme der Finanzpolizei sei die Meldung daher nicht an das AMS weitergeleitet worden und es habe eine Überprüfung durch das AMS und die Ausstellung einer Entsendebetätigung nicht erfolgen können. Die Behörde habe keine Veranlassung die Stellungnahme der Finanzpolizei als sachlich versierte Behörde in Zweifel zu ziehen. Die Unrechtmäßigkeit der Erwerbstätigkeit bedinge die Unrechtmäßigkeit des Aufenthaltes. Eine Rechtfertigung für die Missachtung der arbeits- und fremdenrechtlichen Bestimmungen sei den Ausführungen des Beschwerdeführers nicht zu entnehmen. Milderungsgründe würden nicht vorliegen und es sei aus generalpräventiven Gründen nicht die Mindeststrafe zu verhängen.
1.3. Dagegen richtet sich die fristgerecht durch einen Rechtsanwalt erhobene Beschwerde, in welcher die Durchführung einer Verhandlung beantragt wurde. Ausgeführt wurde im Wesentlichen Folgendes:
Die Behörde übersehe, dass eine grenzüberschreitende Entsendung aus einem anderen EU-Staat vorliege und dass nach § 18 Abs. 12 letzter Satz AuslBG die Beschäftigung bei Vorliegen der Voraussetzungen auch ohne Entsende- bzw. Überlassungsbestätigung begonnen werden könne. Der Beschwerdeführer erfülle die Voraussetzungen der rechtmäßigen Entsendung, er sei rechtmäßig eingereist und zur Ausübung der Erwerbstätigkeit berechtigt gewesen. Die Behörde verkenne die unionsrechtlichen Bestimmungen und die Rechtsprechung des EuGHs. Maßgebliche Grundlage für die Prüfung der EU-Konformität der Entsendung bzw. Überlassung sei die Meldung an die Zentrale Koordinationsstelle. Eine gesonderte Anzeige an das AMS sei nicht erforderlich. Dieser in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage festgehaltene Grundsatz gehe auf die Rechtsprechung des EuGHs zurück. Die Entsendung bzw. Überlassung könne – bei Vorliegen aller Voraussetzungen wie vorliegend – sogar bei Nichteinhaltung der Meldepflicht begonnen werden. Darüber hinaus sei § 31 Abs. 1 Z 3 FPG auch zu unbestimmt, um als Tatbestandselement eines unrechtmäßigen Aufenthaltes herangezogen werden zu können. Der Grundsatz „keine unrechtmäßige Erwerbstätigkeit bei Vorliegen einer unionsrechtlichen Rechtfertigung“ müsse auch im vorliegenden Fall gelten. Die Dienstleistungsfreiheit des Dienstgebers des Beschwerdeführers sei die Rechtfertigung für die Ausübung einer (kurzfristigen) Erwerbstätigkeit im Rahmen einer Entsendung nach Österreich.
Selbst bei Bejahung des objektiven Tatbestandes des § 31 Abs. 1 Z 3 FPG sei darauf hinzuweisen, dass bereits zweifelhaft sei, ob der Beschwerdeführer sorgfaltswidrig gehandelt habe, zumal die Pflicht zur Beantragung der Entsendebestätigung nicht bei ihm gelegen sei. Ein einsichtiger und besonnener Mensch hätte sich in der konkreten Situation auch auf den Arbeitgeber verlassen und es habe von der einwandfreien Anwendung und Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen durch Arbeitgeber und Behörden ausgegangen werden können.
Sollte man von einer Strafbarkeit ausgehen, hätte mit Ermahnung (§ 45 Abs. 1 Z 4 VStG) oder mit Beratung (§ 33a VStG) vorgegangen werden müssen.
Aus anwaltlicher Vorsicht werde zur Strafbemessung auch noch darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer kein hohes Einkommen erzielt habe und dass sämtliche Dokumente bezüglich der Entsendung vorgelegen seien. Er sei bemüht, alle Rechtsvorschriften einzuhalten, er sei unbescholten und rechtstreu.
1.4. Die Landespolizeidirektion Niederösterreich legte dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich den Verwaltungsstrafakt zur Entscheidung vor.
1.5. Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich beraumte in Folge eine öffentliche mündliche Verhandlung an. Der Rechtsanwalt des Beschwerdeführers teilte daraufhin mit, dass dem Beschwerdeführer die Verhandlungsteilnahme nicht möglich sei und dass deshalb um schriftliche Erledigung der Beschwerde ersucht werde. Dazu wurde hg. mitgeteilt, dass der Verhandlungstermin aufrecht bleibe.
1.6. Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich kontaktierte mit Schreiben vom 14. Dezember 2021 das AMS betreffend die Frage des Vorliegens der Voraussetzungen des § 18 Abs. 12 AuslBG. Seitens des AMS wurde dazu mitgeteilt, dass das Vorliegen der Voraussetzungen auf den ersten Blick unproblematisch erscheine.
1.7. Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich führte am 17. Dezember 2021 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der ein Vertreter der belangten Behörde teilnahm. Im Wesentlichen gab der Behördenvertreter an, dass offenbar noch keine endgültige Stellungnahme des AMS vorliege. Sollte das Gericht zum Ergebnis kommen, dass die Voraussetzungen des § 18 Abs. 12 AuslBG vorgelegen seien, sei der Beschwerdeführer nicht illegal in Österreich gewesen. Zum Verschulden hätte der Beschwerdeführer bei Verhandlungsteilnahme gefragt werden können, ob er bewusst mit dem Arbeitgeber eine Falschmeldung abgegeben habe oder ob allenfalls das Verschulden den Arbeitgeber treffe. Auf die Verkündung der Entscheidung wurde durch den Behördenvertreter verzichtet.
1.8. Seitens des AMS wurde am 21. Jänner 2022 mitgeteilt, dass sich an der zuvor geäußerten Einschätzung nichts geändert habe und dass keine weiteren Schritte gesetzt würden.
2. Feststellungen und Beweiswürdigung:
2.1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer wurde am *** geboren und ist Staatsangehöriger der Ukraine.
Der Beschwerdeführer wurde am 19. Oktober 2020 um 11:00 Uhr auf der *** in *** einer polizeilichen Kontrolle unterzogen und wegen illegalem Aufenthaltes nach dem FPG infolge von Schwarzarbeit festgenommen und zur Anzeige gebracht. Die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers erfolgte am 20. Oktober 2020.
Der Beschwerdeführer verfügte zum vorgeworfenen Tatzeitpunkt (19. Oktober 2020) über einen bis 24. Mai 2021 gültigen Aufenthaltstitel der Slowakischen Republik mit der Berechtigung zur Ausübung einer unselbständigen Erwerbstätigkeit. Er war seit 8. Juli 2019 unbefristet Arbeitnehmer der C mit Sitz in *** und krankenversichert.
Der Beschwerdeführer wurde von seinem slowakischen Arbeitgeber gemäß § 19 Abs. 3 LSD-BG nach Österreich entsendet. Er war kurzfristig im Rahmen der Entsendung für einen österreichischen Auftraggeber seines Arbeitgebers tätig: Für Herrn D in ***, zur Durchführung des Projektes „***“. Beginn des Entsenderaumes war der 12. Oktober 2020, geplantes Ende wäre der 15. November 2020 gewesen. Normalarbeitszeit war von 9:00 Uhr bis 18:00 Uhr. Der Bruttostundenlohn betrug 10,65 Euro.
Der Arbeitgeber des Beschwerdeführers erstattete eine ZKO3-Meldung über die Entsendung an die Zentrale Koordinationsstelle für die Kontrolle der illegalen Beschäftigung. Als Ansprechperson gemäß § 23 LSD-BG ist darin Herr E genannt. Mehrere Arbeitnehmer sind in der Meldung als entsendete Personen genannt. Auch der Beschwerdeführer ist genannt, allerdings unter Angabe einer unrichtigen Staatsbürgerschaft („Slowakei“).
Die vom Arbeitgeber des Beschwerdeführers erstattete ZKO3-Meldung wurde von der Koordinationsstelle nicht an das AMS zur Prüfung der Voraussetzungen der Entsendung weitergeleitet. Dies weil in der Meldung nur Personen mit slowakischer Staatsangehörigkeit aufschienen.
Das von der Finanzpolizei nach der genannten Kontrolle des Beschwerdeführers informierte AMS hat die Entsendung zu keiner Zeit untersagt.
Das AMS gab gegenüber dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich positive Stellungnahmen zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 18 Abs. 12 AuslBG ab. Die Voraussetzungen des § 18 Abs. 12 AuslBG waren für den Beschwerdeführer gegeben.
Der Beschwerdeführer hat die unrichtige Angabe der Staatsbürgerschaft in der von seinem Arbeitgeber erstatteten ZKO3-Meldung nicht veranlasst und er war an dieser Angabe auch sonst nicht beteiligt.
2.2. Beweiswürdigung:
Die getroffenen Feststellungen basieren auf der vorliegenden unbedenklichen Aktenlage. Im Einzelnen ist Folgendes auszuführen:
Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers beruhen auf der aktenkundigen Reisepasskopie. Zur Kontrolle des Beschwerdeführers in Österreich, der Festnahme, der Anzeige und der freiwilligen Ausreise ist auf die polizeiliche Anzeige und die im Zentralen Fremdenregister enthaltenen Informationen zu verweisen.
Die Feststellungen im Zusammenhang mit der Arbeitstätigkeit des Beschwerdeführers in der Slowakei und in Österreich sowie der Entsendung beruhen auf dem unstrittigen Vorbringen des Beschwerdeführers und den diesbezüglich vorliegenden Unterlagen. Aktenkundig sind insbesondere eine Kopie des slowakischen Aufenthaltstitels des Beschwerdeführers, ein Handelsregisterauszug zum slowakischen Arbeitgeber, ein Angebot des slowakischen Arbeitgebers an den österreichischen Auftraggeber über die Projektdurchführung, die ZKO3-Meldung und ein Sozialversicherungsformular des Beschwerdeführers. Dass und warum die ZKO3-Meldung nicht an das AMS weitergeleitet wurde, ergibt sich aus dem aktenkundigen E-Mail der Finanzpolizei vom 4. November 2020.
Die Feststellungen, wonach das AMS die Entsendung zu keiner Zeit untersagt und positive Stellungnahmen zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 18 Abs. 12 AuslBG abgegeben hat, beruhen auf der gegebenen Aktenlage und insbesondere auf den Stellungnahmen des AMS (s. hg. Aktenvermerke vom 15.12.2021 und vom 21.1.2022). Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 18 Abs. 12 AuslBG ist durch das nachvollziehbare Vorbringen des Beschwerdeführers, die aktenkundigen Unterlagen und die genannten Stellungnahmen des AMS nachgewiesen.
Die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer die unrichtige Angabe der Staatsbürgerschaft in der von seinem Arbeitgeber erstatteten ZKO3-Meldung nicht veranlasst hat und an dieser Angabe auch sonst nicht beteiligt war, ist anhand der gegebenen unbedenklichen Aktenlage zu treffen. Hinzuweisen ist auf die Beschwerdeausführungen zum Fehlen eines sorgfaltswidrigen Verhaltens des Beschwerdeführers und darauf, dass keine Anhaltspunkte für ein sorgfaltswidriges Verhalten der Beschwerdeführer zu erkennen sind. Gegenteiliges wurde auch von Behördenseite weder behauptet noch aufgezeigt.
3. Maßgebliche Rechtslage:
3.1. § 31 Abs. 1 Z 3 des Fremdenpolizeigesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 56/2018, (FPG) lautet:
„Voraussetzung für den rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet
§ 31. (1) Fremde halten sich rechtmäßig im Bundesgebiet auf,
[…]
3. wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind bis zu drei Monaten (Artikel 21 SDÜ gilt), sofern sie während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen;“
3.2. § 18 Abs. 12 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, BGBl. Nr. 218/1975 idF BGBl. I Nr. 104/2019, (AuslBG) lautet:
„Betriebsentsendung und grenzüberschreitende Arbeitskräfteüberlassung
§ 18. […]
(12) Für Ausländer, die von einem Unternehmen mit Betriebssitz in einem anderen Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraumes zur Erbringung einer vorübergehenden Arbeitsleistung nach Österreich entsandt oder überlassen werden, ist keine Beschäftigungsbewilligung oder Entsendebewilligung erforderlich, wenn
1. sie ordnungsgemäß zu einer Beschäftigung im Staat des Betriebssitzes über die Dauer der Entsendung oder Überlassung nach Österreich hinaus zugelassen und beim entsendenden Unternehmen rechtmäßig beschäftigt sind,
2. die österreichischen Lohn- und Arbeitsbedingungen gemäß § 3 Abs. 3 bis 6, § 4 Abs. 2 bis 5 und § 5 des Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetzes (LSD-BG), BGBl. Nr. 44/2016, im Fall der Überlassung gemäß § 10 AÜG, § 3 Abs. 4, § 4 Abs. 2 und 5 und § 6 LSD-BG sowie die sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen eingehalten werden und
3. im Fall der Überlassung kein Untersagungsgrund gemäß § 18 Abs. 1 AÜG vorliegt.
Die Zentrale Koordinationsstelle für die Kontrolle der illegalen Beschäftigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz und dem Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz des Amtes für Betrugsbekämpfung (Zentrale Koordinationsstelle) hat die Meldung über die Beschäftigung betriebsentsandter oder überlassener Ausländer gemäß § 19 Abs. 2 bis 4 LSD-BG unverzüglich der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zu übermitteln. Die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice hat binnen zwei Wochen ab Einlangen der Meldung dem Unternehmen und dem Auftraggeber oder Beschäftiger, der die Arbeitsleistungen in Anspruch nimmt, das Vorliegen der Voraussetzungen zu bestätigen (EU-Entsendebestätigung bzw. EU-Überlassungsbestätigung) oder bei Nichtvorliegen die Entsendung oder Überlassung zu untersagen. Unbeschadet der Meldepflicht gemäß § 19 Abs. 2 bis 4 LSD-BG sowie sonstiger Pflichten nach dem AÜG, darf die Beschäftigung bei Vorliegen der Voraussetzungen auch ohne EU-Entsendebestätigung bzw. EU-Überlassungsbestätigung begonnen werden.“
4. Erwägungen des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich:
4.1. Zum Vorwurf des unrechtmäßigen Aufenthaltes:
Dem Beschwerdeführer wird mit dem angefochtenen Straferkenntnis der unrechtmäßige Aufenthalt im österreichischen Bundesgebiet am 19. Oktober 2020 infolge illegaler Beschäftigung vorgeworfen (§ 31 Abs. 1 Z 3 FPG).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es für die Frage der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts gemäß dem letzten Halbsatz des § 31 Abs. 1 Z 3 FPG darauf an, dass der Fremde während seines Aufenthalts in Österreich keiner Erwerbstätigkeit nachgeht, die von dem ihm erteilten Aufenthaltstitel eines anderen Schengen-Staates nicht umfasst ist. Ob eine Erwerbstätigkeit in diesem Sinn in Österreich erlaubt ist, muss am Maßstab des Unionsrechts und des nationalen Rechts geprüft werden (vgl. etwa VwGH 29.5.2018, Ra 2018/21/0010, Rz 6).
Wie sich aus den getroffenen Feststellungen ergibt, verfügte der Beschwerdeführer zum vorgeworfenen Tatzeitpunkt über einen gültigen Aufenthaltstitel der Slowakischen Republik mit der Berechtigung zur Ausübung einer unselbständigen Erwerbstätigkeit. Er war seit 8. Juli 2019 unbefristet Arbeitnehmer der C mit Sitz in *** und krankenversichert. Er wurde von seinem slowakischen Arbeitgeber gemäß § 19 Abs. 3 LSD-BG kurzfristig zur Durchführung eines Projektes nach Österreich mit entsprechender Entlohnung entsendet, wobei vom Arbeitgeber eine ZKO3-Meldung über die Entsendung erstattet wurde. Das AMS hat die Entsendung zu keiner Zeit untersagt und gegenüber dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich positive Stellungnahmen zum Vorliegen der Voraussetzungen abgegeben. Die Voraussetzungen des § 18 Abs. 12 AuslBG waren gegeben.
Gemäß dem letzten Satz des § 18 Abs. 12 AuslbG durfte damit die Beschäftigung begonnen werden (vgl. etwa VwGH 23.5.2013, 2013/09/0025). Dies im Übrigen selbst bei Nichteinhaltung der Meldepflicht (vgl. etwa Deutsch/Nowotny/Seitz, Ausländerbeschäftigungsrecht [2018], Rz 38 und Rz 48 zu § 18, sowie Gerhartl, AuslBG [2019], Rz 32 zu § 18).
Der Vorwurf des unrechtmäßigen Aufenthaltes im österreichischen Bundesgebiet infolge illegaler Beschäftigung kann daher nicht aufrechterhalten werden.
Darüber hinaus ist im vorliegenden Fall auch von einem mangelnden Verschulden des Beschwerdeführers auszugehen. Der Beschwerdeführer war nicht Ansprechperson gemäß § 23 LSD-BG und er hat die unrichtige Angabe der Staatsbürgerschaft in der von seinem Arbeitgeber erstatteten ZKO3-Meldung nicht veranlasst und er war an dieser Angabe auch sonst nicht beteiligt. Es sind keine Anhaltspunkte für ein sorgfaltswidriges Verhalten der Beschwerdeführer zu erkennen und es wurde Gegenteiliges auch von Behördenseite weder behauptet noch aufgezeigt. Festzuhalten ist, dass auch bei Ungehorsamsdelikten – mag zwar in einem solchen Fall die Schuld bis zur Glaubhaftmachung des Gegenteiles durch den Beschuldigten präsumiert sein – nur der schuldhaft Handelnde verantwortlich ist (vgl. etwa VwGH 23.11.2001, 2001/02/0184).
Der Beschwerde ist daher Folge zu geben und es ist das angefochtene Straferkenntnis – inklusive aller auf die Bestrafung aufbauenden Aussprüche (Kostenausspruch, Verfallsausspruch) – aufzuheben.
Das Verwaltungsstrafverfahren ist gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG einzustellen.
Die Verkündung der Entscheidung konnte auf Grund der angestellten Überlegungen unterbleiben. Davon abgesehen hat an der Verhandlung nur der Vertreter der belangten Behörde teilgenommen und es hat dieser auf eine Verkündung ausdrücklich verzichtet (vgl. etwa VwGH 17.3.2021, Ra 2021/17/0031).
4.2. Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.
Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die Revision gegen ein Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Derartige Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind im vorliegenden Fall nicht hervorgekommen und es folgen die Erwägungen des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Das Vorliegen einer Rechtsfrage, die über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besäße, ist nicht zu erkennen (vgl. etwa VwGH 28.5.2019, Ra 2018/22/0088). Eine öffentliche mündliche Verhandlung wurde durchgeführt.
Schlagworte
Fremdenpolizei; Verwaltungsstrafe; rechtmäßiger Aufenthalt; Betriebsentsendung;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2022:LVwG.S.2453.001.2020Zuletzt aktualisiert am
12.04.2022