Entscheidungsdatum
01.02.2022Norm
GewO 1994 §74 Abs2 Z1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Mag. Sonja Dusatko als Einzelrichterin über die Beschwerde der A GmbH, ***, ***, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Baden (belangte Behörde) vom 14.10.2021, ***, betreffend Zwangs- und Sicherheitsmaßnahmen, zu Recht:
1. Festgestellt wird, dass die in Punkt 1. des angefochtenen Bescheides angeordnete Maßnahme bis zum 10.01.2022 rechtmäßig war.
2. Festgestellt wird, dass die in Punkt 2. des angefochtenen Bescheides angeordnete Maßnahme bis zum 31.01.2022 rechtmäßig war.
3. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.
Rechtsgrundlagen:
§ 28 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG
§ 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG
Entscheidungsgründe:
1. Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:
Am 11.10.2021 führte die belangte Behörde unter Beiziehung einer bautechnischen und eines maschinenbautechnischen Amtssachverständigen einen Lokalaugenschein durch. In der Niederschrift ist unter anderem Folgendes ausgeführt:
„Im Zuge des Lokalaugenscheines wurde festgestellt, dass im EG des Bürogebäudes die A ihren Sitz hat.
Im nördlichen Bereich des Grundstückes befinden sich 6 Baucontainer …...
Im Telefonat mit dem Geschäftsführer B wurde bekanntgegeben, dass
die Container von der A genutzt werden.
Desweiteren gab er an, dass in der Stadtgemeinde *** ein Grundstück
erworben worden ist und dort die zukünftige Betriebsanlage situiert werden soll.
Es wurde dem Geschäftsführer von der Verhandlungsleiterin angekündigt, dass die
Niederschrift elektronisch übermittelt wird und dass für die vorgefundenen, bis dato
nicht genehmigten bzw. bewilligten Container … entsprechende
Maßnahmen seitens der Behörde vorgeschrieben werden.
In der südlich gelegenen Produktionshalle waren Arbeitnehmer der C
beschäftigt.“
Die Amtssachverständige für Bautechnik hat dazu beim Lokalaugenschein Folgendes ausgeführt:
„Im Zuge des heutigen Lokalaugenscheines konnten am gegenständlichen
Grundstück 7 Lagercontainer …. festgestellt werden. ….
Die Lagercontainer, welche teilweise direkt an der Grundstücksgrenze zum Grst.Nr.
***, KG ***, errichtet wurden, waren mit einem Containerschloss
versehen und konnten nicht begangen werden. Die Fundierung direkt auf dem
unbefestigten Boden entspricht augenscheinlich nicht den Herstellerrichtlinien bzw.
den statischen Anforderungen.
Auf den Containern sind teilweise Lagerungen (Bewehrungsgittermatten,
Polokalrohre, Paletten etc.) ersichtlich, welche die Standsicherheit der Container
beeinträchtigen können bzw. augenscheinlich nicht ausreichend und sachgerecht
gesichert sind. Aufgrund dieser Lagerungen kann eine Gefährdung, insbesondere
der Gesundheit und das Leben von Personen sowie von Eigentum, nicht
ausgeschlossen.“
Der Amtssachverständige für Maschinenbautechnik führte dazu beim Lokalaugenschein Folgendes aus:
„Im Zuge der ausschließlich im Außenbereich durchgeführten Besichtigung wurden
insgesamt mindestens 21 Stück Flüssiggasflaschen á 11 kg frei am Boden abgestellt
bzw. 6 Stück davon in einem Gitterkäfig zusammengefasst vorgefunden. Die
Gasflaschen sind umstellt von teilweise brennbaren Lagerungen und befinden sich
unterhalb des auskragenden OG-Bauteils im Norden des Gebäudes.
Es ist von einer unsachgemäßen Lagerung von über 200 kg Flüssiggas
auszugehen, für welche die Vorgaben der Flüssiggaslagerungsverordnung
einzuhalten wären. Bei der vorgefundenen Lagerung kann eine Gefährdung für Leib
und Leben von Personen nicht ausgeschlossen werden.“
Dann hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid erlassen.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 14.10.2021, *** verfügte die belangte Behörde gegenüber der Beschwerdeführerin Folgendes:
„Die Bezirkshauptmannschaft Baden verfügt folgende Zwangs- und Sicherheitsmaßnahmen unverzüglich im Standort ***, ***, KG ***, Grst.Nr. ***, durchzuführen:
1. Die Lagerungen auf den Containern sind unverzüglich zu entfernen.
2. Die Flüssiggasflaschen im nördlichen Außenbereich unter dem auskragenden Gebäude sind unverzüglich zu entfernen.
Die Nachweise über die Entfernung sind unverzüglich der
Bezirkshauptmannschaft Baden zu übermitteln.
Als Rechtsgrundlage wurde § 360 Abs. 4 GewO angeführt. Weiters hat sie ausgeführt, dass aus Sicht der beigezogenen Sachverständigen festgehalten worden sei, dass aufgrund der Lagerungen eine Gefährdung für Leib und Leben nicht ausgeschlossen werden könne. Diese Lagerungen können die im § 74 Abs. 2 GewO genannten Interessen beeinträchtigen, insoferne sei von einer Betriebsanlagenpflicht für die Beschwerdeführerin auszugehen.
2. Zum Beschwerdevorbringen:
Dagegen hat die Beschwerdeführerin innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben. In der Betreffzeile ist „*** Aufschub der Räumung“ angeführt. Weiters hat die Beschwerdeführerin Folgendes vorgebracht:
„Wir möchten gegen den Bescheid vom 15.10.2021 (Anmerkung des LVwG NÖ: richtig wohl 14.10.2021) folgenden Antrag stellen.
Wir sind Mieter der Liegenschaft ***, ***. Der Vermieter ist die C GmbH. Laut Mietvertrag wurde uns die Liegenschaft als Lagerplatz vermietet. Weiters war uns nicht bekannt, dass der Vermieter keine Betriebsanlagengenehmigungen hat. Aufgrund des Mietvertrages sind wir davon ausgegangen, dass alles konform ist.
Wir sind daher jetzt über diesen Bescheid sehr verwundert, und haben dies bereits unseren Anwalt zur rechtlichen Prüfung übergeben.
Wir haben nun ab 1.12.2021 eine Liegenschaft in *** angekauft und könnten die Räumung bis zum 31.12.2021 vollziehen.
Wir beantragen daher
I. Aufschub diese Bescheid bis zumindest 31.12.2021. Der Aufschub erfolgt in schriftlicher Ausfertigung
I. Die hemmende Wirkung diese Bescheid *** bis zur Entscheidung zu Antrag I.
II. Beschwerde gegen diesen Bescheid in der Frist
III Beschwerde Gründe:
Wir sind Mieter der Liegenschaft. Der Vermieter hat laut Mietvertrag uns diese Liegenschaft als Lagerplatz vermietet mit Anführung der Container und Inventar.
Weiters sind die Container keine Fixcontainer sondern lediglich Baucontainer die für die Baustellen vorgesehen sind. Die Stelldauer übersteigt nicht die Frist von 3 Monaten und es ist eine ständige An und Ablieferung. Laut Baubehörde ist eine Einreichung nur notwendig wenn die Container eine Dauerfunktion haben. Weiters sind die Container nicht fix verbaut.
Bezüglich der Gasflaschen diese befinden sich in verschlossene Gitterkörbe. Bei der Kontrolle wurde diverse Lieferungen angeliefert diese wurden aber später wieder versperrt.“
3. Zum durchgeführten Ermittlungsverfahren:
Das LVwG NÖ hat in den Verfahrensakt *** der belangten Behörde, ins Grundbuch, Firmenbuch und Gewerberegister Einsicht genommen.
Weiters hat die belangte Behörde mit Schreiben vom 21.01.2022 Folgendes mitgeteilt:
„Im Zuge eines Außendienstes am 10.01.2022 durch die Bezirkshauptmannschaft Baden und unter Beziehung von Amtssachverständigen wurde festgestellt, dass die zwar Lagerungen auf den Containern entfernt wurden, jedoch unter dem Zubau mindestens 18 Flüssiggasflaschen á 11 kg vorhanden waren.
Im Zuge dessen wurden von den Vertretern der A GmbH gegenüber der Bezirkshauptmannschaft Baden mitgeteilt, dass die Gasflaschen mit diesem Tag entfernt und die Nachweise darüber umgehend per Mail an die Bezirkshauptmannschaft Baden übermitteln werden.
Weiters wurde bekanntgegeben, dass mit Ende 2022 die Betriebsanlage an den neuen Standort in *** übersiedelt.
Mit Schreiben vom 20.01.2022 wurde die A GmbH auf die entsprechende Lagerung gemäß der Flüssiggasverpackungsverordnung hingewiesen.
Mit Eingabe vom 20.01.2022 wurde von der A GmbH mitgeteilt, dass die Gasflaschen vollständig dahingehend entfernt wurden, dass sie auf die entsprechenden Baustellen zur weiteren Verwendung verbracht wurden.
Mit selber Eingabe teilte die A GmbH mit, dass der gegenständliche Standort aufgrund der Übersiedelung nicht mehr als Lagerplatz verwendet werden wird.“
Dem Schreiben war die Niederschrift vom 10.01.2022 samt Fotodokumentation und das E-Mail der Beschwerdeführerin vom 20.01.2022 angeschlossen.
Das LVwG NÖ hat die Polizeiinspektion *** am 31.01.2022 um Überprüfung ersucht, ob die Gasflaschen nunmehr tatsächlich weggeräumt wurden.
Die Polizeiinspektion *** hat mit Schreiben vom 31.01.2022 nach örtlicher Überprüfung mitgeteilt, dass das Firmengelände fast vollständig geräumt ist und auch die Flüssiggasflaschen entfernt sind. Dem Schreiben waren Fotos angeschlossen.
4. Feststellungen:
Der Verfahrensablauf ist in Punkt 1. und 3. dargestellt und ergibt sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt bzw. aus dem Verwaltungsakt des LVwG NÖ.
Das Grundstück Nr. ***, EZ ***, KG *** mit der Grundstücksadresse ***, ***, steht seit 02.11.2021 im Eigentum der D GmbH (FN ***). Davor stand es seit 22.06.2015 im Eigentum der C GmbH (FN ***), ***, ***. Diese hatte Teilbereiche des Grundstückes jedenfalls seit dem 11.10.2021 an die Beschwerdeführerin vermietet gehabt.
Die Beschwerdeführerin ist seit 10.08.2019 unter FN *** im Firmenbuch des Landesgerichtes *** mit der Geschäftsanschrift ***, *** und dem Geschäftszweig „Vermietung und Verpachtung“ eingetragen. Sie hat seit 20.04.2020 in diesem Standort eine Gewerbeberechtigung für das Handelsgewerbe mit Ausnahme der reglementierten Handelsgewerbe und seit 21.08.2020 eine Gewerbeberechtigung für das Baumeistergewerbe.
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 02.07.2013, Zl.: ***, wurde der E GmbH die gewerberechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Lagerhalle und eines Bürogebäudes im Standort ***, ***, Grst. Nr. ***, KG ***, erteilt.
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 14.04.2017, Zl. *** wurde der C GmbH die gewerbebehördliche Genehmigung für die Änderung der Betriebsanlage durch diverse Adaptierungen im Standort ***, ***, Grst.Nr. ***, KG ***, erteilt.
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 28.11.2017, Zl. ***, *** wurde der C GmbH die gewerbebehördliche Genehmigung für die Änderung der Betriebsanlage im Standort ***, ***, KG ***, Grst. Nr. ***, durch Zubau/Aufstockung des Betriebsgebäudes und Änderungen im Innenbereich, erteilt.
Auf den an die Beschwerdeführerin vermieteten Grundstücksteilen waren jedenfalls ab 11.10.2021 Container gelagert, auf welchen sich ebenfalls Ablagerungen (Bewehrungsgittermatten, Polokalrohre, Paletten, etc.) befanden. Überdies waren jedenfalls ab 11.10.2021 Flüssiggasflaschen im nördlichen Außenbereich unter dem auskragenden Gebäude vorhanden. Die Lagerungen auf den Containern waren jedenfalls ab 10.01.2022 entfernt; die Flüssiggasflaschen waren jedenfalls ab 31.01.2022 vom Grundstück entfernt.
Durch die Lagerungen auf den Containern und die Lagerung von Flüssiggasflaschen war eine Gefährdung für Gesundheit und Leben von Personen sowie von Eigentum nicht ausgeschlossen (siehe dazu unten).
5. Beweiswürdigung:
Die Eigentumsverhältnisse an dem Grundstück ergeben sich aus dem online verfügbaren Grundbuch. Gewerbeberechtigungen und Geschäftszweig ergeben sich aus dem Firmenbuch und Gewerberegister. Dass die Beschwerdeführerin von der Grundstückseigentümerin Teile des Grundstückes als Lagerplatz gemietet und einen Teil des Gebäudes als Büro genutzt hat, ergibt sich aus den Angaben der Beschwerdeführerin und deckt sich auch mit den Beobachtungen der belangten Behörde, die in der Niederschrift vom 11.10.2021 festgehalten sind.
Was seit 11.10.2021 wo gelagert war, ergibt sich aus der Niederschrift vom 11.10.2021. Die Gefährdung ergibt sich aus den Ausführungen der Amtssachverständigen. Dass die Lagerungen auf den Containern am 10.01.2022 bereits entfernt waren, ergibt sich aus der Niederschrift vom 10.01.2022 und den dortigen Ausführungen. Dass die Flüssiggasflaschen am 31.01.2022 vom Grundstück entfernt waren, ergibt sich aus dem Bericht der Polizeiinspektion *** vom 31.01.2022 und den von der Polizeiinspektion *** übermittelten Fotos.
6. Erwägungen:
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
§ 360 Abs. 4 und 5 GewO bestimmt Folgendes:
(4) Um die durch eine diesem Bundesgesetz unterliegende Tätigkeit oder durch Nichtbeachtung von Anforderungen an Maschinen, Geräte und Ausrüstungen (§ 71) verursachte Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen oder für das Eigentum abzuwehren oder um die durch eine nicht genehmigte Betriebsanlage verursachte unzumutbare Belästigung der Nachbarn abzustellen, hat die Behörde, entsprechend dem Ausmaß der Gefährdung oder Belästigung, mit Bescheid die gänzliche oder teilweise Schließung des Betriebes, die Stilllegung von Maschinen, Geräten oder Ausrüstungen oder deren Nichtverwendung oder sonstige die Anlage betreffende Sicherheitsmaßnahmen oder Vorkehrungen zu verfügen. Hat die Behörde Grund zur Annahme, dass zur Gefahrenabwehr Sofortmaßnahmen an Ort und Stelle erforderlich sind, so darf sie nach Verständigung des Betriebsinhabers, seines Stellvertreters oder des Eigentümers der Anlage oder, wenn eine Verständigung dieser Person nicht möglich ist, einer Person, die tatsächlich die Betriebsführung wahrnimmt, solche Maßnahmen auch ohne vorausgegangenes Verfahren und vor Erlassung eines Bescheides an Ort und Stelle treffen; hierüber ist jedoch binnen eines Monats ein schriftlicher Bescheid zu erlassen, widrigenfalls die getroffene Maßnahme als aufgehoben gilt. Der Bescheid gilt auch dann als erlassen, wenn er gemäß § 19 des Zustellgesetzes wegen Unzustellbarkeit an die Behörde zurückgestellt worden ist.
(5) Die Bescheide gemäß Abs. 1 zweiter Satz, 2, 3 oder 4 sind sofort vollstreckbar; wenn sie nicht kürzer befristet sind, treten sie mit Ablauf eines Jahres, vom Beginn der Vollstreckbarkeit an gerechnet, außer Wirksamkeit. Durch einen Wechsel in der Person des Inhabers der von den einstweiligen Zwangs- und Sicherheitsmaßnahmen betroffenen Anlagen, Anlagenteile oder Gegenstände wird die Wirksamkeit dieser Bescheide nicht berührt.
Die Beschwerdeführerin ist im Firmenbuch mit dem Geschäftszweig „Vermietung und Verpachtung“ eingetragen und verfügt über Gewerbeberechtigungen für das Baumeistergewerbe und für das Handelsgewerbe. Weiteres hat sie selbst angegeben, Material für diverse Baustellen zu lagern. Daraus ist jedenfalls auf eine gewerbliche Tätigkeit zu schließen. Dies wurde auch von der Beschwerdeführerin nicht bestritten.
§ 74 Abs. 1 und 2 GewO bestimmt Folgendes:
(1) Unter einer gewerblichen Betriebsanlage ist jede örtlich gebundene Einrichtung zu verstehen, die der Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit regelmäßig zu dienen bestimmt ist.
(2) Gewerbliche Betriebsanlagen dürfen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind,
1. das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 450/1994, in der jeweils geltenden Fassung, unterliegenden mittätigen Familienangehörigen oder des nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 450/1994, in der jeweils geltenden Fassung, unterliegenden mittätigen eingetragenen Partners, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden; als dingliche Rechte im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten auch die im § 2 Abs. 1 Z 4 lit. g angeführten Nutzungsrechte,
2. die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen,
3. die Religionsausübung in Kirchen, den Unterricht in Schulen, den Betrieb von Kranken- und Kuranstalten oder die Verwendung oder den Betrieb anderer öffentlichen Interessen dienender benachbarter Anlagen oder Einrichtungen zu beeinträchtigen,
4. die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs an oder auf Straßen mit öffentlichem Verkehr wesentlich zu beeinträchtigen oder
5. eine nachteilige Einwirkung auf die Beschaffenheit der Gewässer herbeizuführen, sofern nicht ohnedies eine Bewilligung auf Grund wasserrechtlicher Vorschriften vorgeschrieben ist.
Gemäß § 81 Abs. 1 GewO bedarf auch die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung, wenn es zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen erforderlich ist. Diese Genehmigung hat auch die bereits genehmigte Anlage so weit zu umfassen, als es wegen der Änderung zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen gegenüber der bereits genehmigten Anlage erforderlich ist.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 20.12.1994, 94/04/0162, 8.11.2000, 2000/04/0157) reicht bereits die grundsätzliche Eignung einer Betriebsanlage, Gefährdungen, Belästigungen im Sinne des § 74 Abs. 2 GewO herbeizuführen, um die Genehmigungspflicht zu begründen. Ob im konkreten Einzelfall tatsächlich Gefährdungen bestehen, ist im Genehmigungsverfahren zu prüfen. Das Genehmigungsverfahren dient ja gerade dazu, derartige mögliche Gefährdungen und Belästigungen entsprechend zu beurteilen und Vorkehrungen vorzuschreiben, um diese zu vermeiden.
Tatbestandselement nach § 74 Abs. 2 GewO ist die mit einer gewerblichen Betriebsanlage verbundene konkrete Eignung.
Im vorliegenden Fall befanden sich Container, Lagerungen auf den Containern und sonstige Lagerungen sowie insbesondere auch Flüssiggaslagerungen auf dem Grundstück. Nach den Ausführungen der Amtssachverständigen beim Lokalaugenschein vom 11.10.2021 in der Niederschrift sind die Lagerungen auf den Containern geeignet, die Standsicherheit der Container zu gefährden. Umstürzende Container können Menschen, die sich eventuell darin befinden oder im näheren Umkreis befinden, durch ihre Last oder Kanten und Ecken verletzten. Das Gleiche gilt für Lagerungen auf den Containern, die ungesichert bei Windereignissen herunterfallen oder herumfliegen können und dadurch in der Nähe befindliche Menschen verletzen können oder beim Herumfliegen Sachen beschädigen können.
Unsachgemäß gelagerte Flüssiggasflaschen sind geeignet, eine Explosionsgefahr herbeizuführen oder im Falle eines Brandes als extremer Brandbeschleuniger zu wirken und eine Gefahr für das Leben von Menschen und die Gefahr einer Beschädigung von Sachen herbeizuführen. Derartige Gefahren sollen durch die Lagerung entsprechend der Flüssiggaslagerverordnung vermieden werden.
Somit habe die am 11.10.2021 vorgefundenen Container samt Lagerungen darauf sowie die nicht entsprechend der Flüssiggaslagerverordnung gelagerten Flüssiggasflaschen eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen und Eigentum dargestellt. Um diese Gefahr abzuwehren, waren die vorgeschriebenen Maßnahmen erforderlich. Diese Maßnahmen sind auch grundsätzlich geeignet, die beschriebene Gefahr hintanzuhalten. Somit erfolgte die Vorschreibung der angefochtenen Maßnahmen am 14.10.2021 jedenfalls zu Recht.
Ein Bescheid gemäß § 360 Abs. 4 ist sofort vollstreckbar, die Beschwerde hemmt somit nicht die Vollstreckbarkeit der Maßnahme. Eine Aufschiebung der Vollstreckbarkeit ist gesetzlich nicht vorgesehen und daher nicht möglich.
Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Beschwerde die angeordneten Maßnahmen bereits gesetzt. Grundsätzlich hat das LVwG die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Entscheidung zu berücksichtigen.
Fällt während des Verfahrens die Voraussetzung für die Setzung der Maßnahme weg, so ist eine vergangenheitsbezogene Feststellung in Form eines Erkenntnisses vom LVwG zu erlassen (vgl. VwGH vom 26.06.2001, 2001/04/0073; VwGH vom 24.10.2001, 2000/04/0142).
Aus der Überprüfung der belangten Behörde vom 10.01.2022 ergibt sich, dass die Lagerungen auf den Containern entfernt wurden. Aus dem Bericht der Polizeiinspektion *** vom 31.01.2022 ergibt sich, dass die Flüssiggaslagerungen entfernt wurden. Es waren daher die spruchgemäßen Feststellungen zu treffen.
7. Zur Nichtdurchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung:
Von einer – im Übrigen nicht beantragten - mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 VwGVG Abstand genommen werden, weil es im vorliegenden Fall nicht um Fragen der Beweiswürdigung oder strittige Tatsachenfeststellungen geht, sondern Verfahrensgegenstand nur die Lösung von Rechtsfragen ist, weshalb Art. 6 EMRK und Art. 47 der Grundrechtecharta der Europäischen Union dem Unterbleiben der mündlichen Verhandlung nicht entgegensteht (vgl. zur mit § 24 Abs. 4 VwGVG vergleichbaren Bestimmung des § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG das Erkenntnis des VwGH vom 29. April 2014, Zl. 2013/04/0157).
8. Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Schlagworte
Gewerberecht; Betriebsanlage; Zwangs- und Sicherheitsmaßnahme; Gefährdung; Genehmigungspflicht;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2022:LVwG.AV.2094.001.2021Zuletzt aktualisiert am
12.04.2022