Entscheidungsdatum
02.02.2022Norm
KFG 1967 §4 Abs2Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch seinen Richter Dr. Marvin Novak, LL.M., als Einzelrichter über die Beschwerde von Herrn A, ***, ***, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten vom 11. Jänner 2021, Zl. ***, zu Recht:
1. Die Beschwerde wird mit folgenden Maßgaben als unbegründet abgewiesen:
a) Die Tatbeschreibung im Straferkenntnis hat zu lauten:
„Sie haben sich als Lenker des angeführten Fahrzeuges, obwohl es Ihnen zumutbar war, vor Antritt der Fahrt nicht davon überzeugt, dass das von Ihnen verwendete Fahrzeug den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes 1967 entspricht, da festgestellt wurde, dass das Fahrzeug so ausgerüstet war, dass durch seinen sachgemäßen Betrieb übermäßiger Lärm entstand, da die Auspuffanlage defekt war (durchgerostet oder gerissen).“
b) Die verletzten Rechtsvorschriften im Straferkenntnis haben „§ 4 Abs. 2 erster Satz des Kraftfahrgesetzes 1967, BGBl. Nr. 267/1967 idF BGBl. I Nr. 78/2019, § 102 Abs. 1 des Kraftfahrgesetzes 1967, BGBl. Nr. 267/1967 idF BGBl. I Nr. 19/2019“ und die Strafnorm „§ 134 Abs. 1 des Kraftfahrgesetzes 1967, BGBl. Nr. 267/1967 idF BGBl. I Nr. 19/2019“ zu lauten.
2. Der Beschwerdeführer hat einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in Höhe von 15,-- Euro zu leisten.
3. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.
Rechtsgrundlagen:
§§ 50 Abs. 1, 52 Abs. 1 und 2 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG)
§§ 19, 64 Abs. 2 erster Satz des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (VStG)
§ 25a des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG)
Art. 133 Abs. 4 des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG)
Zahlungshinweis:
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher 100,-- Euro und ist gemäß § 52 Abs. 6 VwGVG iVm § 54b Abs. 1 VStG binnen zwei Wochen einzuzahlen. Es besteht die Möglichkeit bei der Verwaltungsbehörde (Bezirkshauptmannschaft St. Pölten) um Zahlungserleichterungen (wie etwa Stundung oder Ratenzahlung) anzusuchen.
Entscheidungsgründe:
1. Maßgeblicher Verfahrensgang:
1.1. Das vorliegende Verwaltungsstrafverfahren gegen den nunmehrigen Beschwerdeführer, Herrn A, basiert auf der Anzeige der Polizeiinspektion *** vom 18. Mai 2020.
Mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten vom 25. Mai 2020 wurde über den Beschwerdeführer wegen Verstoßes gegen § 4 Abs. 2 KFG 1967 eine Geldstrafe in Höhe von 75,-- Euro bzw. eine Ersatzfreiheitsstrafe in Höhe von 15 Stunden verhängt. Der Beschwerdeführer brachte dazu fristgerecht einen begründeten Einspruch ein.
Die Bezirkshauptmannschaft St. Pölten holte dazu eine Stellungnahme des anzeigelegenden Polizeibeamten ein und es gab der Beschwerdeführer seinerseits dazu eine Stellungnahme ab.
1.2. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten vom 11. Jänner 2021 wurde der Beschwerdeführer wie folgt für schuldig befunden:
„Sie haben als Fahrzeuglenker folgende Verwaltungsübertretung begangen:
Zeit: 15.05.2020, 16:41 Uhr
Ort: Gemeindegebiet *** auf der Landesstraße *** nächst Strkm. ***
Richtung ***
Fahrzeug: *** (Österreich), Personenkraftwagen
Tatbeschreibung:
Sie haben sich als Lenker, obwohl es Ihnen zumutbar war, vor Antritt der Fahrt nicht davon überzeugt, dass das von Ihnen verwendete Fahrzeug den Vorschriten des Kraftfahrgesetztes entspricht, da festgestellt wurde, dass das betroffene Fahrzeug so ausgerüstet war, dass durch seinen sachgemäßen Betrieb übermäßiger Lärm entstand, da die Auspuffanlage durchgerostet oder gerissen war.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
§ 4 Abs.2. § 102 Abs.1, § 1345 Abs.1 KFG 1967
Wegen dieser Verwaltungsübertretungen werden über Sie folgende Strafen verhängt:
Geldstrafe von falls diese Gemäß
Uneinbringlich ist,
Ersatzfreiheitsstrafe
von
€ 75,00 15 Stunden § 134 Abs.1 KFG 1967
Vorgeschriebener Kostenbeitrag gemäß § 64 Abs.2
Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG 1991), das sind 10% der
Strafe, mindestens jedoch 10 Euro € 10,00
Gesamtbetrag € 85,00“
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass auf Grund der eindeutigen und schlüssigen Angaben des Anzeigelegers keine Veranlassung gesehen werde an der Richtigkeit der angezeigten Sachverhaltsdarstellung zu zweifeln. Der Sachverhalt sei durch ein im Dienst befindliches Organ der Straßenaufsicht festgestellt worden. Außerdem habe der Beschwerdeführer in seiner Erstverantwortung gegenüber dem Anzeigeleger im Zuge der Amtshandlung angegeben, dass der Auspuff seit zwei Monaten defekt sei und dass er durch Corona und mangels an Zeit diesen nicht repariert habe. Somit würden die Einspruchsangaben im Widerspruch zur Erstverantwortung stehen und nicht glaubhaft sein. Die Strafe sei innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens festgesetzt worden. Da trotz nachweislicher Aufforderung die persönlichen Verhältnisse nicht bekanntgegeben worden seien, sei von einem Nettoeinkommen von 1.400,-- Euro, Sorgepflichten für eine Person und keinem nennenswerten Vermögen ausgegangen worden. Erschwerend und mildernd sei nichts gewertet worden.
1.3. In der dagegen fristgerecht erhobenen Beschwerde wird die Durchführung einer Verhandlung beantragt und im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
Das in Betrieb genommene Fahrzeug habe keine in § 4 Abs. 2 KFG 1967 angeführten Mängel aufgewiesen. Lärm sei subjektiv und es habe die Lautstärke die eines straßenüblichen Motorrades nicht übertroffen. Es sei keine zugelassene Messung der Lautstärke vorgenommen worden. Der Beschwerdeführer habe sich vor Fahrtantritt davon überzeugt, dass das Fahrzeug den in Betracht kommenden Vorschriften entspreche. Die von seiner Lebensgefährtin eingebrachte Stellungnahme gebe keinen Grund zur Annahme, dass ihre Angaben nicht schlüssig seien. Der Sachverhalt habe sich anders zugetragen als vom Anzeigeleger angegeben und es werde diesem ohne Angabe von Gründen mehr Glauben geschenkt. Unstimmigkeiten gebe es lediglich zwischen den Angaben des Anzeigelegers und den Angaben des Beschwerdeführers und seiner Lebensgefährtin. Der Anzeigeleger könne die Aussagen bei der Amtshandlung auch falsch verstanden haben.
1.4. Die belangte Behörde legte dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die Beschwerde samt Verwaltungsstrafakt zur Entscheidung vor. Ebenso wurde von der Behörde in Folge die Beschwerde der Lebensgefährtin des Beschwerdeführers gegen die sie als Zulassungsbesitzerin verhängte Strafe samt Verwaltungsstrafakt zur Entscheidung vorgelegt.
1.5. Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich führte durch den in der vorliegenden Rechtssache erkennenden Richter und durch die für die Rechtssache der Lebensgefährtin des Beschwerdeführers zuständige Richterin am 19. Jänner 2022 eine gemeinsame öffentliche mündliche Verhandlung durch. In dieser Verhandlung wurden sowohl der Beschwerdeführer als auch seine Lebensgefährtin einvernommen, wobei sie die ihnen jeweils vorgeworfene Verwaltungsübertretung bestritten. Der Anzeigeleger wurde als Zeuge unter Wahrheitspflicht befragt. Ein Amtssachverständiger für technische Kraftfahrzeugangelegenheiten erstattete Befund und Gutachten.
2. Feststellungen und Beweiswürdigung:
2.1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer lenkte am 15. Mai 2020 den auf seine Lebensgefährtin zugelassenen Personenkraftwagen mit dem behördlichen Kennzeichen ***, einen Seat Alhambra Luxus. Der Beschwerdeführer war an diesem Tag mit seiner Lebensgefährtin und der gemeinsamen Tochter in einem Baumarkt im *** in *** einkaufen. Am Rückweg zum Wohnort (***) wurde der Beschwerdeführer um 16:41 Uhr im Gemeindegebiet *** auf der Landstraße *** nächst Straßenkilometer *** in Richtung *** durch den Polizeibeamten B angehalten, der seit 1986 in der Überwachung des Straßenverkehrs tätig ist. Die polizeiliche Anhaltung erfolgte wegen des unüblich lauten Auspuffgeräusches, welches auf einen Defekt der Auspuffanlage zurückzuführen ist. Die defekte Auspuffanlage war bei normaler Fahrweise bereits aus einer Entfernung von etwa 200 Meter hörbar und es bestand eine massive, übermäßige Lärmüberschreitung. Der Defekt war dem Beschwerdeführer vor Fahrtantritt bekannt und bestand schon seit etwa zwei Monaten vor der polizeilichen Anhaltung. Auf Grund von Corona und wenig Zeit war der Defekt vom Beschwerdeführer und seiner Lebensgefährtin noch nicht behoben worden. Welcher Defekt genau an der Auspuffanlage vorlag (durchgerostet oder gerissen), steht nicht fest.
Der Beschwerdeführer wies zum Tatzeitpunkt eine rechtskräftige und nach wie vor ungetilgte Bestrafung wegen Verstoßes gegen § 36 lit. e KFG 1967 auf (Strafbetrag 100,-- Euro).
Die aktuellen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschwerdeführers stellen sich wie folgt dar: Monatliches Nettogehalt in Höhe von ca. 2.800,-- Euro. Gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Eigentümer eines neu gebauten Hauses (je zur Hälfte), dem Schulden gegenüberstehen. Sorgepflicht für die im gemeinsamen Haushalt lebende Tochter. Die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers verfügt über ein monatliches Nettogehalt von ca. 2.600,-- Euro.
2.2. Beweiswürdigung:
Die getroffenen Feststellungen basieren auf der vorliegenden unbedenklichen Aktenlage, insbesondere auch auf den Ergebnissen der durchgeführten Verhandlung. Im Einzelnen ist Folgendes auszuführen:
Tatzeit, Tatort, auf der festgestellten Fahrt verwendetes Fahrzeug, Lenker- und Zulassungsbesitzereigenschaft, sowie der Umstand der polizeilichen Anhaltung sind als unstrittig zu bezeichnen. Dass der Beschwerdeführer zum Tatzeitpunkt die festgestellte Bestrafung aufwies, beruht auf dem im Verwaltungsstrafakt befindlichen Auszug der belangten Behörde. Den aktuellen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnissen des Beschwerdeführers und seiner Lebensgefährtin wurden ihre Angaben in der Verhandlung zu Grunde gelegt.
Zur polizeilichen Anhaltung und dem Defekt an der Auspuffanlage ist auf die polizeiliche Anzeige, die Stellungnahme des Anzeigelegers vom 17. Juni 2020 und die Angaben des Anzeigelegers in der Verhandlung zu verweisen. Bereits in der Anzeige war festgehalten, dass der defekte Auspuff für den Beamten bereits aus einer Entfernung von ca. 200 Metern deutlich hörbar gewesen sei. Auch in der Stellungnahme des Anzeigelegers vom 17. Juni 2020 wurde bestätigt, dass der übermäßige Lärm durch die defekte Auspuffanlage bereits von Weitem zu hören gewesen sei, er schätze, das seien 200 Meter gewesen. Ebenso gab der Anzeigeleger in der Verhandlung an, dass er den defekten Auspuff schon von Weitem vernommen habe (Verhandlungsschrift S 8). Schon von Weitem habe er ein Geräusch gehört, das viel lauter gewesen sei als üblich (Verhandlungsschrift S 9). Auf Vorhalt der Lebensgefährtin des Beschwerdeführers, dass es sich um eine subjektive Wahrnehmung von ihm handle, gab er an (Verhandlungsschrift S 12): „Es ist subjektiv, aber es war massiv. Dadurch, dass ich das schon von Weitem gehört habe, war das für mich ein eindeutiger Tatbestand“. Es ist auch bereits in der Anzeige festgehalten, dass der Beschwerdeführer bei der Amtshandlung das Vorliegen des Defekts bei Fahrtantritt und davor zugegeben hat: „Der Auspuff ist seit ca 2 Monaten defekt. Durch Corona und mangels an Zeit habe ich diesen noch nicht repariert.“ In der Stellungnahme vom 17. Juni 2020 wurde dies vom Anzeigeleger auch nochmals bestätigt. Der Anzeigeleger gab in der Verhandlung ausdrücklich an, dass er bei der Anzeige die Wahrheit angegeben habe und dass der Beschwerdeführer die in der späteren Stellungnahme vom 24. Juni 2020 getätigten Ausführungen vor Ort nicht gesagt habe. Ein falsches Verstehen auf Grund des Straßenverkehrslärms verneinte der Anzeigeleger (Verhandlungsschrift S 10). Der Anzeigeleger gab auch an, dass er seit 1986 in der Überwachung des Straßenverkehrs tätig sei und dass der Beschwerdeführer ganz normal gefahren sei. Das Geräusch sei eindeutig viel schlimmer gewesen als normalerweise (Verhandlungsschrift S 11).
Festzuhalten ist, dass der Anzeigeleger in der Verhandlung als Zeuge unter Wahrheitspflicht und nach Wahrheitserinnerung, Zeugenbelehrung, Belehrung über die Entschlagungsrechte und Hinweis auf seinen Diensteid befragt wurde. Er hat einen glaubwürdigen persönlichen Eindruck hinterlassen und in keiner Hinsicht den Eindruck erweckt, den Beschwerdeführer oder dessen Lebensgefährtin ungerechtfertigt belasten zu wollen. Es sind keine Gründe ersichtlich, weshalb seine Angaben nicht der Entscheidung zu Grunde gelegt werden sollten.
Darauf hinzuweisen ist auch, dass der der Verhandlung beigezogene Amtssachverständige ausgeführt hat, dass – wenn der Auspuff schon aus einer Entfernung von 200 Metern auffällig werde – von einer „massiven Lärmüberschreitung“ auszugehen sei (Verhandlungsschrift S 15).
Die Feststellung, dass nicht feststeht, welcher Defekt genau an der Auspuffanlage vorlag (durchgerostet oder gerissen), ist zu treffen, weil sich dem Akteninhalt diesbezüglich nichts Näheres entnehmen lässt. Der Amtssachverständige führte in der Verhandlung aus, dass eine erhöhte Lärmentwicklung durch eine Beschädigung der Auspuffanlage, welche in weiterer Folge eine Undichtheit erzeuge, aus technischer Sicht nachvollziehbar sei, wobei das Ausmaß der Erhöhung der Lärmentwicklung abhängig von der Größe bzw. Lage der Beschädigung sei. Nicht nachgewiesen werden könne aus technischer Sicht, welcher Defekt genau an der Auspuffanlage zur Lärmentwicklung geführt habe. Ob die Auspuffanlage durch eine Durchrostung undicht geworden sei oder ob der Lärm durch eine Beschädigung beim Überfahren eines Hindernisses herbeigeführt worden sei, könne aus jetziger Sicht nicht festgestellt werden, ebensowenig daher der Entstehungszeitpunkt (Verhandlungsschrift S 14).
Zu den Angaben des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau ist festzuhalten, dass ihre Angaben in der Verhandlung zur Lautstärke der Auspuffanlage als zumindest in einem Spannungsverhältnis stehend zu ihren Einspruchsangaben zu bezeichnen sind. Sowohl der Beschwerdeführer als auch seine Lebensgefährtin gaben in ihren Einsprüchen an, dass sie beim Verlassen des Parkplatzes mit dem hinteren Fahrzeugteil an der Seite der Einfahrtsrampe/Gehsteig aufgeschlagen seien: „Sofort viel uns die Lautstärke der Auspuffanlage auf.“ Demgegenüber gab der Beschwerdeführer in der Verhandlung auf die Frage nach der Beschädigung an (Verhandlungsschrift S 5): „Es war eine kleine Delle, wie ein Kratzer, es war undicht, wie ein kleines Loch, subjektiv war es aber nicht großartig laut.“ Seine Lebensgefährtin gab an (Verhandlungsschrift S 6): „Es hat sich das Geräusch vom Auspuff schon um eine Nuance verändert, aber es war jetzt nicht so, wenn man das mit einem Motorrad oder ähnlichem vergleicht, dass das ein großer Lärm gewesen wäre.“ Sie gab weiters an, dass man gehört habe, dass „das ein bisschen anders klingt“ (Verhandlungsschrift S 7). Auf die ausdrückliche Frage, ob der Auspuff aus ihrer Sicht lauter geworden sei, gab sie an (Verhandlungsschrift S 7): „Vielleicht um eine Nuance.“ Darauf hinzuweisen ist, dass der Beschwerdeführer und seine Lebensgefährtin im gesamten Verfahren keine Beweismittel wie etwa Fotos von der Auspuffanlage vorgelegt haben (Verhandlungsschrift S 5) und dass auch sie selbst keine Lautstärkenmessung gemacht haben (Verhandlungsschrift S 13).
3. Maßgebliche Rechtslage:
3.1. § 4 Abs. 2 erster Satz des Kraftfahrgesetzes 1967, BGBl. Nr. 267/1967 idF BGBl. I Nr. 78/2019, und § 102 Abs. 1 des Kraftfahrgesetzes 1967, BGBl. Nr. 267/1967 idF BGBl. I Nr. 19/2019, lauten:
„§ 4. Allgemeines
[…]
(2) Kraftfahrzeuge und Anhänger müssen so gebaut und ausgerüstet sein, daß durch ihren sachgemäßen Betrieb weder Gefahren für den Lenker oder beförderte Personen oder für andere Straßenbenützer noch Beschädigungen der Straße oder schädliche Erschütterungen noch übermäßig Lärm, Rauch, übler Geruch, schädliche Luftverunreinigungen oder vermeidbare Beschmutzungen anderer Straßenbenützer oder ihrer Fahrzeuge entstehen. […]“
„§ 102. Pflichten des Kraftfahrzeuglenkers
(1) Der Kraftfahrzeuglenker darf ein Kraftfahrzeug erst in Betrieb nehmen, wenn er sich, soweit dies zumutbar ist, davon überzeugt hat, dass das von ihm zu lenkende Kraftfahrzeug und ein mit diesem zu ziehender Anhänger sowie deren Beladung den hiefür in Betracht kommenden Vorschriften entsprechen; die Überprüfung der Wirksamkeit der Vorrichtungen zum Abgeben von akustischen Warnzeichen darf jedoch nur erfolgen, sofern nicht ein Verbot gemäß § 43 Abs. 2 lit. a StVO 1960 besteht. Berufskraftfahrer haben bei Lastkraftwagen, Sattelzugfahrzeugen, Omnibussen oder Anhängern unverzüglich den Zulassungsbesitzer nachweisbar zu verständigen, wenn das Fahrzeug diesen Vorschriften nicht entspricht.“
3.2. § 134 Abs. 1 des Kraftfahrgesetzes 1967, BGBl. Nr. 267/1967 idF BGBl. I Nr. 19/2019, lautet:
„§ 134. Strafbestimmungen
(1) Wer diesem Bundesgesetz, den auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen, Bescheiden oder sonstigen Anordnungen, den Artikeln 5 bis 9 und 10 Abs. 4 und 5 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006, der Verordnung (EU) Nr. 165/2014 oder den Artikeln 5 bis 8 und 10 des Europäischen Übereinkommens über die Arbeit des im internationalen Straßenverkehr beschäftigten Fahrpersonals (AETR), BGBl. Nr. 518/1975 in der Fassung BGBl. Nr. 203/1993, zuwiderhandelt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 5 000 Euro, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen. Bei der Einbringung von Fahrzeugen in das Bundesgebiet sind solche Zuwiderhandlungen auch strafbar, wenn sie auf dem Wege von einer österreichischen Grenzabfertigungsstelle, die auf ausländischem Gebiet liegt, zur Staatsgrenze begangen werden. Wurde der Täter wegen der gleichen Zuwiderhandlung bereits einmal bestraft, so kann an Stelle der Geldstrafe eine Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen verhängt werden. Wurde der Täter wegen der gleichen Zuwiderhandlung bereits zweimal bestraft, so können die Geldstrafe und die Freiheitsstrafe auch nebeneinander verhängt werden. Die Verhängung einer Freiheitsstrafe ist in diesen Fällen aber nur zulässig, wenn es ihrer bedarf, um den Täter von weiteren Verwaltungsübertretungen der gleichen Art abzuhalten. Auch der Versuch einer solchen Zuwiderhandlung ist strafbar.“
4. Erwägungen des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich:
4.1. In der Sache:
Dem Beschwerdeführer wird mit dem angefochtenen Straferkenntnis eine kraftfahrrechtliche Übertretung als Lenker wegen übermäßigen Lärms auf Grund einer defekten Auspuffanlage vorgeworfen.
Dies – wie sich aus den getroffenen Feststellungen ergibt – zu Recht, weil durch die defekte Auspuffanlage bei normaler Fahrweise eine massive, übermäßige Lärmüberschreitung bestand. Der Defekt war dem Beschwerdeführer vor Fahrtantritt bekannt und bestand schon seit etwa zwei Monaten vor der polizeilichen Anhaltung.
Zur Rüge des Beschwerdeführers, dass keine Dezibel-Messung stattgefunden habe, ist auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach die Beurteilung, ob durch eine defekte Auspuffanlage übermäßiger Lärm entsteht, einem in der Überwachung des Straßenverkehrs geschulten Sicherheitsorgan zugetraut werden kann (vgl. etwa VwGH 10.8.2006, 2006/02/0122, unter Verweis auf VwSlg 12812 A/1988). Ebenso ist zur Beweiskraft von Anzeigen bzw. Aussagen von Organen der öffentlichen Aufsicht auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach es grundsätzlich schlüssig ist, den Angaben eines der Wahrheitspflicht unterliegenden Polizeibeamten mehr Glauben zu schenken als dem Beschuldigten (vgl. etwa VwGH 28.11.1990, 90/03/0172; weiters etwa Hengstschläger/Leeb, AVG, § 45, Rz 15 ff. [Stand 1.7.2005, rdb.at], mwH).
Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach der Defekt der Auspuffanlage bei einem Fahrmanöver beim Verlassen des Parkplatzes des Baumarktes aufgetreten sei, ist einerseits darauf hinzuweisen, dass dieser Behauptung im Rahmen der Beweiswürdigung nicht gefolgt wurde. Andererseits ist dazu aber auch festzuhalten, dass selbst bei Wahrunterstellung des Vorbringens – der Defekt der Auspuffanlage sei bei diesem Fahrmanöver aufgetreten und es habe sich der Beschwerdeführer nach Begutachtung entschieden nach Hause zu fahren, um den Schaden am Folgetag beheben zu lassen – von einer Strafbarkeit auszugehen wäre. Die gesetzlich normierte Verpflichtung besteht nämlich nach jeder auch noch so kurzen Fahrtunterbrechung (vgl. dazu Nedbal-Bures/Pürstl, KFG11, Anmerkung 7 zu § 102 KFG 1967 [Stand 1.4.2019, rdb.at]) und es ist die Inbetriebnahme und damit auch das Lenken zu unterlassen, wenn das im Rahmen des Zumutbaren vorgenommene „Überzeugen“ zu dem Ergebnis geführt hat, dass das Kraftfahrzeug den hiefür in Betracht kommenden Vorschriften nicht entspricht (vgl. etwa VwGH 5.11.1997, 97/03/0105).
Die Strafbarkeit des Beschwerdeführers ist somit zu bejahen und es ist der Schuldspruch zu bestätigen.
Gemäß § 134 Abs. 1 KFG 1967 beträgt die gesetzliche Höchststrafe 5.000,-- Euro bzw. Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen.
Gemäß § 19 VStG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat. Im ordentlichen Verfahren sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 StGB sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Der Beschwerdeführer, dem jedenfalls fahrlässiges Verhalten anzulasten ist, hat durch sein Verhalten den Zweck der übertretenen Rechtsnormen (Vermeidung übermäßigen Lärms) nicht bloß geringfügig beeinträchtigt. Ebenso ist auch ein bloß geringes Verschulden nicht zu erkennen. Milderungsgründe sind keine gegeben, insbesondere liegen weder reumütiges Geständnis (vgl. etwa VwGH 23.5.2012, 2010/11/0156) noch Unbescholtenheit (vgl. etwa VwSlg. 15.715 A/2001) vor und es ist die bisherige Verfahrensdauer zwar nicht als kurz, aber auch noch nicht als überlang zu werten (vgl. etwa VwGH 3.2.2020, Ra 2019/02/0212), und es ist auch noch kein länger andauernden Wohlverhalten gegeben (vgl. etwa VwGH 25.5.2007, 2006/02/0322). Erschwerungsgründe sind ebenso keine gegeben. Zu den Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnissen des Beschwerdeführers ist auf die getroffenen Feststellungen zu verweisen.
In einer Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Umstände ist die im vorliegenden Fall festgesetzte Geldstrafe im Ausmaß von 75,-- Euro bzw. die Ersatzfreiheitsstrafe von 15 Stunden keinesfalls als zu hoch bemessen anzusehen. Die Strafe wurde nämlich ohnehin im untersten Bereich des Strafrahmens festgesetzt (vgl. dazu etwa VwGH 16.10.2001, 2000/09/0015; 25.2.2009, 2007/03/0246) und es soll nicht nur auf den Beschwerdeführer selbst spezialpräventiv eingewirkt werden, sondern es soll auch generalpräventive Wirkung erzielt werden (vgl. etwa VwGH 17.11.2004, 2002/09/0186).
Der Beschwerdeführer verfügt zudem über weitaus günstigere finanzielle Verhältnisse als von der Behörde im angefochtenen Straferkenntnis angenommen.
Darauf hinzuweisen ist schließlich auch, dass das Vorliegen der Voraussetzungen des § 33a VStG (Beraten statt Strafen) und des § 45 Abs. 1 Z 4 VStG (Einstellung bzw. Ermahnung) im Verfahren nicht hervorgekommen ist. Weder ist die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes noch die Intensität der Beeinträchtigung oder das Verschulden des Beschwerdeführers als derart gering zu erkennen (vgl. dazu etwa VwGH 20.11.2015, Ra 2015/02/0167; 9.9.2016, Ra 2016/02/0118).
Die Beschwerde ist daher mit den spruchgemäßen Präzisierungen abzuweisen. Die Präzisierungen stehen im Einklang mit den getroffenen Feststellungen und der wiedergegebenen Rechtslage und sind – da damit weder eine Auswechslung noch eine Überschreitung des Beschwerdegegenstandes einhergeht – auch rechtlich zulässig (vgl. etwa VwGH 16.12.2015, Ro 2015/10/0013; 15.5.2017, Ra 2017/17/0214; 13.7.2020, Ra 2018/11/0167; 1.3.2021, Ra 2020/02/0301).
4.2. Zu den Kosten:
Gemäß § 52 Abs. 1 VwGVG ist in jedem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes, mit dem ein Straferkenntnis bestätigt wird, auszusprechen, dass der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten hat. Dieser Betrag ist für das Beschwerdeverfahren gemäß § 52 Abs. 2 VwGVG mit 20% der verhängten Strafe, mindestens jedoch mit 10,-- Euro zu bemessen. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG sind die Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht aufzuerlegen, wenn der Beschwerde auch nur teilweise Folge gegeben worden ist, wobei unter dem Begriff „Folge gegeben“ nicht jede Änderung des Spruches des Straferkenntnisses zu verstehen ist, sondern nur eine Änderung „zugunsten“ des Bestraften, d.h. wenn entweder die Strafe herabgesetzt (in eine mildere umgewandelt) oder ganz nachgesehen oder wenigstens der von der Verwaltungsbehörde angenommene strafbare Tatbestand eingeschränkt wird (vgl. etwa VwGH 29.6.2016, Ra 2016/09/0033).
Ausgehend davon hat die belangte Behörde die Kosten für das verwaltungsbehördliche Verfahren zu Recht mit 10,-- Euro festgesetzt. Die Kosten für das Beschwerdeverfahren sind auf Grund der Beschwerdeabweisung mit 15,-- Euro festzusetzen.
4.3. Zum Absehen von der Verkündung der Entscheidung:
Von der Verkündung der Entscheidung konnte auf Grund der angestellten (insb. beweiswürdigenden) Überlegungen abgesehen werden. Darüber hinaus hat der Beschwerdeführer ausdrücklich auf eine Verkündung verzichtet (vgl. etwa VwGH 5.9.2018, Ra 2018/11/0037).
4.4. Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.
Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die Revision gegen ein Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Derartige Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind im vorliegenden Fall nicht hervorgekommen und es folgen die Erwägungen des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Das Vorliegen einer Rechtsfrage, die über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besäße, ist nicht zu erkennen (vgl. VwGH 20.4.2018, Ra 2018/02/0128). Eine öffentliche mündliche Verhandlung wurde durchgeführt.
Schlagworte
Verkehrsrecht; Kraftfahrrecht; Verwaltungsstrafe; Kraftfahrzeug; Mangel; Inbetriebnahme;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2022:LVwG.S.86.001.2021Zuletzt aktualisiert am
12.04.2022