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20/02 Familienrecht;Norm
AufG 1992 §5 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Bachler, Dr. Dolp und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Simetzberger, über die Beschwerde des Y in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 9. Oktober 1995, Zl. 109.104/3-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 9. Oktober 1995 wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Amtes der Wiener Landesregierung vom 5. Juli 1995 gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 8 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufG) sowie mit § 5 Abs. 1 AufG und § 10 Abs. 1 Z. 4 Fremdengesetz (FrG) abgewiesen.
Der Beschwerdeführer habe am 10. Juli 1990 mit einer österreichischen Staatsbürgerin die Ehe geschlossen. Diese Ehe sei am 10. April 1992 "im beiderseitigen Einvernehmen" geschieden worden. Die ehemalige Ehegattin habe angegeben, den Beschwerdeführer zum Schein geehelicht zu haben, damit dieser seinen Aufenthalt in Österreich "legalisieren" könne, bzw. damit der Beschwerdeführer eine Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung und in weiterer Folge die österreichische Staatsbürgerschaft erhalte; die Ehe sei nie vollzogen, es sei auch nie ein gemeinsamer Haushalt geführt worden.
Der Beschwerdeführer bekämpft diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die ehemalige Ehegattin des Beschwerdeführers gab in ihrer niederschriftlichen Befragung vor der belangten Behörde am 2. November 1994 an, daß sie Anfang 1990 durch eine Bekannte den Beschwerdeführer kennengelernt habe. "Ein paar Monate später" habe sie "dieser Türke" gefragt, ob sie ihn heiraten wolle, "damit er seinen Aufenthalt in Österreich legalisieren könne". Sie habe dieser Heirat zugestimmt. Der Beschwerdeführer sei an der Adresse seiner damaligen Ehegattin angemeldet gewesen. Die Ehe sei nicht vollzogen worden. Die ehemalige Ehegattin habe für "diese Scheinehe kein Geld" erhalten.
Der Beschwerdeführer gab hiezu - rechtsfreundlich vertreten - eine Stellungnahme ab, in der er bestritt, die Ehe nur deshalb eingegangen zu sein, um sich fremdenrechtliche Vorteile zu verschaffen. Es habe sich weder um ein "Scheinehe" noch um eine "Namensehe" noch um eine mit sonstiger Nichtigkeit behaftete Ehe gehandelt; er habe bereits vor der Eheschließung mit seiner späteren Ehegattin zusammengelebt, es sei eine "Liebesheirat" gewesen. Zur Scheidung sei es deshalb gekommen, weil ihn seine Frau bereits einige Monate nach der Eheschließung mit einem anderen Mann betrogen habe, von dem sie dann auch ein Kind erwartet habe.
In seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid bestritt der Beschwerdeführer wiederum das Vorliegen einer "Scheinehe" und wiederholte im wesentlichen seine bereits gemachten Angaben. Er verwies auch darauf, daß sein Sichtvermerk zum Zeitpunkt der Eheschließung bis März 1992 gültig gewesen sei.
Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung im angefochtenen Bescheid nach einer kurzen Wiedergabe der Aussage der ehemaligen Gattin des Beschwerdeführers und seines Vorbringens im Verfahren insoweit nur wie folgt:
"Aufgrund der niederschriftlichen Angaben ihrer damaligen Ehegattin, ... (Name) und des in Aussicht genommenen Aufenthaltsverbotes gemäß § 18 Abs. 1 FrG durch die Bundespolizeidirektion Wien/Fremdenpolizeiliches Büro kommt die erkennende Behörde zur Ansicht, daß somit ein Ausschließungsgrund gemäß § 5 Abs. 1 AufG vorliegt."
Abgesehen davon, daß ein "in Aussicht genommenes Aufenthaltsverbot" (d.h. ein noch nicht ausgesprochenes Aufenthaltsverbot) weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht den Verlust einer Aufenthaltsbewilligung zu begründen vermag, ist der wiedergegebenen Formulierung ebensowenig wie dem übrigen Bescheid zu entnehmen, aufgrund welcher Umstände die belangte Behörde die Angaben der ehemaligen Gattin des Beschwerdeführers ihrer Entscheidung zugrundelegte, also das entgegengesetzte Vorbringen des Beschwerdeführers nicht berücksichtigte. Das Fehlen der Bekanntgabe der maßgebenden Erwägungen hiezu hindert die Nachprüfung des Bescheides auf seine inhaltliche Rechtmäßigkeit.
Der belangten Behörde fällt somit ein Verstoß gegen die Begründungspflicht gemäß § 58 Abs. 2 in Verbindung mit § 67 AVG zur Last, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben war (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 600 ff, wiedergegebene Rechtsprechung).
Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Damit erübrigt sich eine Entscheidung des Berichters über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995191684.X00Im RIS seit
02.05.2001