TE Vwgh Erkenntnis 1996/6/20 95/19/1865

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.06.1996
beobachten
merken

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

Aufenthaltszwecke und Form der Aufenthaltsbewilligung 1995 §1 Abs1 Z3;
AufG 1992 §3 Abs1 Z2;
AufG 1992 §6 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Bachler, Dr. Dolp und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Simetzberger, über die Beschwerde des Z in W, vertreten durch seine Mutter ZS als gesetzliche Vertreterin, diese vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 17. Oktober 1995, Zl. 303.563/3-III/11/95, betreffend Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid der Erstbehörde (des Landeshauptmannes von Wien) vom 26. Juni 1995 wurde der am 13. Juni 1995 gestellte Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz (AufG) gemäß § 4 Abs. 3 leg. cit. mit der Begründung abgewiesen, daß nach dieser Gesetzesstelle eine Bewilligung nach § 3 Abs. 1 Z. 2 leg. cit. jeweils mit der gleichen Befristung zu erteilen sei, wie die Bewilligung des Ehegatten bzw. des Elternteils oder Kindes. Die Mutter des Beschwerdeführers verfüge über keine solche Aufenthaltsberechtigung, weshalb spruchgemäß zu entscheiden gewesen sei.

In der gegen diesen Bescheid gerichteten Berufung vom 2. August 1995 brachte der Beschwerdeführer u.a. vor, auch sein Vater habe "die Papiere in Ordnung" und sei "auch da".

Mit dem Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 17. Oktober 1995 wies dieser die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 5 Abs. 1 AufG ab. Begründend führte die belangte Behörde aus, daß der Antrag (auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz) der Mutter des Beschwerdeführers im Berufungswege gemäß § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes (FrG) abgewiesen worden sei. Gemäß § 5 Abs. 1 AufG dürfe eine Bewilligung nur erteilt werden, wenn der Lebensunterhalt für die Dauer der Aufenthaltsbewilligung gesichert sei. Da der Antrag der Mutter des Beschwerdeführers abgewiesen worden sei und somit jene Person, von der er wirtschaftlich abhängig sei, keine Aufenthaltsberechtigung habe, sei der Lebensunterhalt des Beschwerdeführers nicht gesichert. Durch die Abweisung des Antrages der Mutter des Beschwerdeführers sei diesem auch keine auf § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 4 Abs. 3 AufG begründete Aufenthaltsbewilligung zu erteilen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die belangte Behörde hat die Ablehnung des Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung auf § 5 Abs. 1 sowie - wie aus der Begründung des bekämpften Bescheides erhellt - auch auf § 3 Abs. 1 Z. 2 und § 4 Abs. 3 AufG gestützt.

Nach § 5 Abs. 1 AufG darf eine Bewilligung Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn der Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist.

Gemäß § 3 Abs. 1 Z. 2 AufG (idF BGBl. Nr. 351/1995 vom 19. Mai 1995) ist ehelichen und außerehelichen minderjährigen Kindern und Ehegatten von Fremden, die aufgrund einer Bewilligung, eines vor dem 1. Juli 1993 ausgestellten Sichtvermerkes oder sonst gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1 bis 5 rechtmäßig seit mehr als zwei Jahren ihren Hauptwohnsitz in Österreich haben, nach Maßgabe des § 2 Abs. 3 Z. 3 und 4 eine Bewilligung zu erteilen, sofern kein Ausschließungsgrund (§ 5 Abs. 1) vorliegt.

Nach § 4 Abs. 3 AufG in dieser Fassung ist eine Bewilligung gemäß § 3 Abs. 1 und Abs. 4 jeweils mit der gleichen Befristung zu erteilen wie die der Bewilligung des Ehegatten bzw. Elternteils oder Kindes, bei der ersten Bewilligung aber höchstens für die Dauer von fünf Jahren.

Rechtswidrigkeit des Inhaltes des bekämpften Bescheides erblickt der Beschwerdeführer darin, daß die belangte Behörde seinen Rechtsanspruch auf die Sichtvermerkserteilung "übergehe" und ihn als Zuwanderer betrachte, obwohl er in Österreich geboren worden sei. Sein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung könne auch auf Art. 8 MRK und auf das "EU-Recht" gegründet werden, weil er einen Anspruch habe, bei seiner Familie zu verbleiben und nur in Österreich leben könne, da sein Vater einer geregelten Arbeit nachgehe und sich bisher nicht "nachteilig bemerkbar" gemacht habe.

Soweit der Beschwerdeführer das Recht auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung direkt aus Art. 8 MRK und - nicht näher bezeichneten Vorschriften - des Rechtes der Europäischen Union herleiten will, ist ihm einerseits entgegenzuhalten, daß Art. 8 MRK kein Aufenthaltsrecht für Fremde statuiert, sondern nach der ständigen Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts diese Bestimmung die Verwaltungsbehörden unter gewissen - hier nicht näher zu erörternden - Umständen dazu verhält, abzuwägen, ob die öffentlichen Interessen an der Nichterteilung einer Aufenthaltsbewilligung die privaten Interessen des Aufenthaltswerbers am Aufenthalt bzw. Weiterverbleib im Bundesgebiet überwiegen oder nicht, und es andererseits keine auf den Beschwerdefall - der Beschwerdeführer ist der Aktenlage nach jugoslawischer Staatsangehöriger - anwendbaren Vorschriften des Rechtes der Europäischen Union gibt, die dem Beschwerdeführer das Recht auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zu vermitteln vermöchten.

Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sieht der Beschwerdeführer darin, daß seine Eltern am Verfahren nicht beteiligt worden sind; die belangte Behörde habe die Grundsätze der Wahrung des Parteiengehörs und der Erforschung der materiellen Wahrheit verletzt.

Die belangte Behörde ging in ihrer Entscheidung u.a. von der Feststellung aus, daß die Mutter des Beschwerdeführers über eine Bewilligung nach dem AufG nicht verfüge. Mit der Frage, ob sich eine dem Beschwerdeführer zu erteilende Aufenthaltsbewilligung gemäß § 3 Abs. 1 Z. 2 AufG von einer solchen seines Vaters herleiten ließe, hat sich die belangte Behörde nicht befaßt. Der belangten Behörde ist zwar zuzugestehen, daß der Berufungseinwand des Beschwerdeführers, sein "Vater" habe "die Papiere in Ordnung" und sei "auch da", gemessen an dem Maßstab, der an eine von einem berufsmäßigen Parteienvertreter verfaßten Berufungsschrift - die gesetzliche Vertreterin des Beschwerdeführers war im Verwaltungsverfahren durch denselben berufsmäßigen Parteienvertreter vertreten wie im vorliegenden Verfahren - anzulegen ist, als laienhaft und der nötigen Klarheit entbehrend zu bezeichnen ist, dennoch hätte dieser Berufungseinwand die belangte Behörde veranlassen müssen, Feststellungen darüber zu treffen, ob dem Beschwerdeführer eine Aufenthaltsbewilligung hergeleitet von einer allfällig vorhandenen Aufenthaltsbewilligung des Vaters des Beschwerdeführers erteilt werden konnte. Dies deshalb, weil der Beschwerdeführer in seinem Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem AufG als Aufenthaltszweck die Familiengemeinschaft mit seiner - die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzenden - Mutter, also mit einer Fremden angegeben hat. Es ist zwar zufolge § 6 Abs. 1 letzter Satz des hier in der Fassung BGBl. Nr. 351/1995 anzuwendenden AufG unzulässig, den bei der Antragstellung angegebenen Zweck (des Aufenthaltes) im Laufe des Verfahrens zu ändern, jedoch ist dies durch das dem Berufungsvorbringen (gerade noch) entnehmbare Begehren auf eine nunmehr vom Vater des Beschwerdeführers hergeleitete Aufenthaltsbewilligung nicht geschehen. Der vom Beschwerdeführer in Aussicht genommene Aufenthaltszweck war in den unter § 1 Abs. 1 Z. 3 der von der belangten Behörde bereits anzuwendenden Verordnung BGBl. Nr. 395/1995 angeführten Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft mit Fremden" einzureihen, der eine nachträgliche Änderung der Person des Fremden, mit dem eine Familiengemeinschaft angestrebt wird, nicht ausschließt.

Somit bedarf der von der belangten Behörde angenommene Sachverhalt in diesem Punkt einer wesentlichen Ergänzung. Es ist auch nicht auszuschließen, daß die belangte Behörde bei Vermeidung dieses Verfahrensmangels zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Der angefochtene Bescheid war somit wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Das Mehrbegehren war abzuweisen, da zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung Stempelgebühren nur in der Höhe von S 270,-- (Eingabengebühr S 240,-- für die Beschwerdeschrift in zweifacher Ausfertigung, Beilagengebühr für die Vorlage des angefochtenen Bescheides in einfacher Kopie) zu entrichten waren.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995191865.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten