TE Vwgh Erkenntnis 1996/6/20 95/19/1415

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Veröffentlicht am 20.06.1996
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Index

20/02 Familienrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §5 Abs1;
EheG §23;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Bachler, Dr. Dolp und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Simetzberger, über die Beschwerde der B in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 8. September 1995, Zl. 302.875/2-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 8. September 1995 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß (richtig:) § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 Fremdengesetz (FrG) abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin bekämpft diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde ist der Ansicht, daß das Verhalten der Beschwerdeführerin die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährde. Im Fall der Beschwerdeführerin sei ein Verfahren im Hinblick auf die Nichtigkeit ihrer Ehe anhängig; dies bilde einen ausreichenden "Tatbestand für das Vorliegen einer Scheinehe". Es sei für die belangte Behörde nicht erforderlich, ein rechtskräftiges Urteil diesbezüglich abzuwarten, zumal es ausreiche, daß "der Antragsteller" falsche Angaben über das Bestehen einer Ehegemeinschaft gemacht habe, wie dies aus der Aktenlage eindeutig hervorgehe. Damit liege ein Sichtvermerksversagungsgrund (des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 AufG) vor.

Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Annahme, ein Verfahren auf Nichtigerklärung ihrer Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger sei anhängig. Tatsächlich ist diese Annahme durch den Akteninhalt nicht gedeckt. Aus diesem (Aktenseite 17) ergibt sich allenfalls, daß der Akt "wegen Scheinehe an Staatsanwaltschaft" in der Zeit vom 13. Dezember 1994 bis 16. Jänner 1995 übermittelt war; welche Maßnahmen diese Behörde ergriffen hat, insbesondere ob und bei welchem Gericht ein Verfahren auf Nichtigerklärung der am 22. Oktober 1990 mit einem österreichischen Staatsbürger geschlossenen Ehe der Beschwerdeführerin anhängig ist (oder war), läßt sich dem Akteninhalt nicht entnehmen.

Abgesehen davon würde die Tatsache, daß ein Verfahren auf Ehenichtigkeit eingeleitet worden ist, die belangte Behörde - solange kein rechtskräftiges gerichtliches Urteil vorliegt - nicht von der Verpflichtung entbinden, das Vorliegen eines Sichtvermerksversagungsgrundes in dieser Hinsicht selbständig zu prüfen. Insoweit beruft sich die belangte Behörde darauf, daß "der Antragsteller" (gemeint wohl die Beschwerdeführerin) falsche Angaben über das Bestehen einer Ehegemeinschaft gemacht habe, wie dies aus der Aktenlage eindeutig hervorgehe.

Hierzu ist dem Akt zu entnehmen, daß die Beschwerdeführerin eine Ablichtung ihrer Heiratsurkunde vorgelegt hat. In ihrer niederschriftlichen Einvernahme vom 1. Dezember 1994 durch das Amt der Wiener Landesregierung hat sie unter Beiziehung eines Dolmetschers ausgeführt, daß sie ihren Ehegatten bereits neun Monate vor der Hochzeit kennengelernt habe und ihn, da sie schwanger gewesen sei, geheiratet habe. In der Folge habe sie jedoch das Baby verloren. Nach der Hochzeit habe sie mit ihrem Gatten vier Jahre zusammengelebt, sei aber nunmehr seit sechs Monaten von ihm getrennt, da sie die Wohnung verloren habe. Sie habe mit ihrem Ehegatten ein gemeinsames Kind. Die einleitend gemachte Angabe, sie habe ihren Ehegatten eine halbe Stunde vor der Hochzeit kennengelernt, wurde ausdrücklich "geändert". In ihrer niederschriftlichen Einvernahme vom 12. Jänner 1995, gleichfalls vor dem Amt der Wiener Landesregierung, gab die Beschwerdeführerin - diesmal ohne Dolmetsch vernommen - an, daß sie seit fünf Jahren in Österreich lebe. Sie und ihr Gatte seien nur fünf Monate an einer Adresse gemeldet gewesen. Die Beschwerdeführerin habe ihren Gatten vor drei Monaten zum letzten Mal gesehen. Auch hier verwies die Beschwerdeführerin wieder darauf, daß sie mit ihrem Gatten ein Kind (geboren am 15. Juni 1994) habe.

Weitere im gegebenen Zusammenhang auf die Ehe der Beschwerdeführerin bezughabende Angaben lassen sich dem Akt nicht entnehmen, sieht man davon ab, daß die Beschwerdeführerin in ihrer Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid offenbar von einer aufrechten Lebensgemeinschaft mit ihrem Ehegatten im Hinblick auf die zur Verfügung stehenden Unterhaltsmittel ausgegangen ist.

Die belangte Behörde hat es im Hinblick auf den Akteninhalt nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes unterlassen, die maßgebenden Erwägungen für die Nachprüfung ihres Bescheides auf seine inhaltliche Rechtmäßigkeit zur Frage des Vorliegens einer Scheinehe bekanntzugeben. Der belangten Behörde fällt daher insoweit ein Verstoß gegen die Begründungspflicht gemäß § 58 Abs. 2 in Verbindung mit § 67 AVG zur Last, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das die Barauslagen betreffende Mehrbegehren war abzuweisen, da die Beschwerde nur in zweifacher Ausfertigung einzubringen und zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung die Beilage nur einer Kopie des angefochtenen Bescheides notwendig war.

Damit erübrigt sich eine Entscheidung des Berichters über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995191415.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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