TE OGH 2022/2/22 8Ob133/21y

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Veröffentlicht am 22.02.2022
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Tarmann-Prentner, Mag. Korn, Dr. Stefula und Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W* GmbH, *, vertreten durch Viehböck Breiter Schenk & Nau Rechtsanwälte OG in Mödling, gegen die beklagte Partei A*, vertreten durch Mag. Filip Frank, Rechtsanwalt in Wien, wegen 9.484,42 EUR sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 26. August 2021, GZ 58 R 51/21d-22, mit dem der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichts Baden vom 31. März 2021, GZ 7 C 1543/19k-18, Folge gegeben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 833,88 EUR (darin enthalten 138,98 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

[1]            Die Klägerin ist im Bereich der Schaufenstergestaltung von Apotheken tätig. Dabei schließen Pharmaunternehmen mit Apotheken Verträge über die Präsentation ihrer Produkte. Die Gestaltung der Schaufenster übernehmen die Pharmaunternehmen, die sich dazu Unternehmen wie der Klägerin als „Schnittstelle“ zu den eigentlichen Dekorateuren bedienen. Die für die Klägerin tätigen Dekorateure erbringen ihre Leistung auf Basis von Werkverträgen mit der Klägerin. Die Klägerin nimmt die Aufträge von den Pharmafirmen entgegen, leitet sie an die einzelnen Dekorateure weiter, stellt ein Lager mit Werbematerialien der Pharmafirmen zur Verfügung und verrechnet die Aufträge mit den Dekorateuren und mit den Pharmafirmen. Da Dekorateure manchmal seit vielen Jahren in denselben Apotheken tätig sind, besteht zwischen ihnen und diesen Apotheken ein Vertrauensverhältnis. Direkte Aufträge von Apotheken an Dekorateure kommen aber nur in geringem Maß vor.

[2]            Die Lebensgefährtin des Beklagten war von März bis Oktober 2016 auf Werkvertragsbasis für die Klägerin als selbstständige Dekorateurin tätig. Für ihre Tätigkeit benötigte sie einen Gewerbeschein als Werbearchitektin und ließ sich unter der Firma „d* e.U.“ im Firmenbuch eintragen.

[3]            Im Herbst 2017 gründete der Beklagte das Einzelunternehmen „D* e.U.“. Das Unternehmen des Beklagten ist ein Konkurrenzunternehmen zur Klägerin, hat eine Gewerbeberechtigung als Werbeagentur und bietet über den Betrieb des Internetportals „www.d*.at“ eine digitale Schnittstelle zwischen den Pharmafirmen und den Dekorateuren und für die Apotheken an. Derzeit sind sieben (selbstständige) Dekorateure für den Beklagten tätig. Die vom Beklagten zum Betrieb seines Internetportals benutzte Domain gehört seiner Lebensgefährtin.

[4]            Die Klägerin machte in einem Gerichtsverfahren gegen die Lebensgefährtin des Beklagten Ansprüche aus einer behaupteten Verletzung der im Werkvertrag enthaltenen Konkurrenzklausel geltend. Aufgrund eines in diesem Verfahren geschlossenen Vergleichs sind von der Lebensgefährtin des Beklagten noch 9.484,42 EUR zu zahlen. Ende April 2018 meldete die Lebensgefährtin des Beklagten ihr Gewerbe ruhend. Ab Spätsommer/Herbst 2018 war sie im Unternehmen des Beklagten zunächst geringfügig, seit Juni 2020 im Ausmaß von 20 Stunden teilzeitbeschäftigt. Sie erbringt sowohl Dekorationstätigkeiten in Apotheken als auch andere Tätigkeiten. Etwa 80 % der Tätigkeiten im Unternehmen des Beklagten entfallen auf den Betrieb des Internetportals, die Kommunikation mit den Unternehmen und auch die Lagerhaltung, etwa 20 % auf Schaufensterdekorationen in Apotheken, die von seiner Lebensgefährtin durchgeführt werden. Derzeit werden 14 Apotheken von ihr für das Unternehmen des Beklagten dekoriert, zumindest die Hälfte dieser Apotheken hat sie schon vor ihrer Tätigkeit für den Beklagten dekoriert und über die Klägerin abgerechnet.

[5]            Die Klägerin begehrt 9.484,42 EUR sA und bringt vor, das Einzelunternehmen d* e.U. sei von der Lebensgefährtin des Beklagten auf den Beklagten übertragen worden. Der Unternehmensgegenstand, die Schaufenstergestaltung von Apotheken mit Werbung für Pharmaprodukte, werde nunmehr als Teil des Einzelunternehmens des Beklagten fortgeführt. Der Beklagte hafte daher gemäß § 38 UGB und § 1409 Abs 1 ABGB solidarisch mit seiner Lebensgefährtin für deren Verbindlichkeiten.

[6]            Der Beklagte bestreitet. Es sei zu keinem Unternehmensübergang gekommen. Er betreibe wie die Klägerin eine Werbeagentur und stehe mit dieser in einem Konkurrenzverhältnis.

[7]            Das Erstgericht gab der Klage statt.

[8]            Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten gegen dieses Urteil Folge. Die Lebensgefährtin des Beklagten sei im Wesentlichen im Auftrag der Klägerin tätig geworden und habe daher nur eine einzige Kundenbeziehung, nämlich zur Klägerin, gehabt. Aus diesem Grund habe weder ihr Bekanntheitsgrad noch ihre längere Dekorationstätigkeit einen wirtschaftlichen Wert, der vom Beklagten hätte übernommen werden können. Der Beklagte habe auch keine Ausstattung bzw keine Zubehörstücke übernommen. Die von ihm genützte Domain gehöre weiterhin seiner Lebensgefährtin. Zwar sei der Firmenname ähnlich, aber beide Firmen seien nach wie vor im Firmenbuch eingetragen. Ein Unternehmensübergang liege daher nicht vor.

[9]            Die Revison wurde vom Berufungsgericht zugelassen, weil „in Anbetracht des Wettbewerbsverhältnisses der Streitteile“ „der Frage, ob die im Rahmen eines Werkvertrags mit der Klägerin ausgeübte Tätigkeit als Dekorateurin die Kriterien für den Betrieb eines Unternehmens erfülle, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung“ zukomme.

[10]           Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Klägerin mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahingehend abzuändern, dass der Klage stattgegeben wird, in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[11]           Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

[12]     Die Revision ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 iVm § 500 Abs 2  Z 3 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

[13]           1. Nach § 38 Abs 1 UGB übernimmt, wer ein unter Lebenden erworbenes Unternehmen fortführt, mangels anderer Vereinbarung zum Zeitpunkt des Unternehmensübergangs die unternehmensbezogenen, nicht höchstpersönlichen Rechtsverhältnisse mit den bis dahin entstandenen Rechten und Verbindlichkeiten. Es kommt dabei zu einem ex lege Rechtsübergang ohne weiteren Verfügungsakt, der unmittelbar zum Parteiwechsel führt. Von diesem werden nicht nur Vertragsverhältnisse, sondern auch andere (schuldrechtliche) Rechtsverhältnisse erfasst, wie etwa Ansprüche aus Delikt, Bereicherung oder Geschäftsführung ohne Auftrag (vgl 5 Ob 69/19m).

[14]           2. Aufgrund des weiten Unternehmensbegriffs des § 1 UGB und des Verzichts auf das Kriterium der Firmenfortführung fällt selbst die Übertragung von nicht im Firmenbuch eingetragenen Unternehmen unabhängig von ihrer Größe unter § 38 UGB (5 Ob 133/17w).

[15]     Ob ein Unternehmensübergang stattgefunden hat, ist immer eine Frage des Einzelfalls, woran entgegen der Zulassungsbegründung des Berufungsgerichts auch die Konkurrenzsituation zwischen den Parteien nichts ändert.

[16]           3. Nach § 1409 Abs 1 ABGB ist, wer ein Vermögen oder ein Unternehmen übernimmt, unbeschadet der fortdauernden Haftung des Veräußerers den Gläubigern aus den zum Vermögen oder Unternehmen gehörigen Schulden, die er bei der Übergabe kannte oder kennen musste, unmittelbar verpflichtet. Er wird aber von der Haftung insoweit frei, als er an solchen Schulden schon so viel berichtigt hat, wie der Wert des übernommenen Vermögens oder Unternehmens beträgt. Ist jedoch ein naher Angehöriger des Veräußerers (§ 32 IO) der Übernehmer, so trifft ihn diese Verpflichtung nach § 1409 Abs 2 ABGB, soweit er nicht beweist, dass ihm die Schulden bei der Übergabe weder bekannt waren noch bekannt sein mussten.

[17]           4. Eine Unternehmensveräußerung liegt vor, wenn etwa das Betriebsbüro samt Ausstattung, Warenlager, Betriebsmittel, good will und der Kundenstock übertragen werden (7 Ob 691/88). Für die Bejahung einer Übernahme des Unternehmens reicht dabei schon die Übertragung des Unternehmenskerns (vgl schon zu § 25 HGB: RS0061675).

[18]     5. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass es im konkreten Fall zu keinem Unternehmensübergang gekommen ist und der Beklagte daher weder nach § 38 UGB noch nach § 1409 ABGB haftet, hält sich im Rahmen des gesetzlich eingeräumten Ermessensspielraums.

[19]           Die Revision argumentiert im Wesentlichen damit, dass das Merkmal „Kundenstock“ nicht das Vorliegen eines Vertragsverhältnisses verlange. Der gute Ruf der Lebensgefährtin des Beklagten in der Branche sei eine wirtschaftliche Chance zur Erzielung von Erträgen. Dabei übergeht sie jedoch, dass die Ertragsmöglichkeit aus dem guten Ruf für Dekorateure wie die Lebensgefährtin des Beklagten zwar allenfalls einen Auftrag durch eine Schnittstelle erleichtert, aber keine direkte Vertragsbeziehung mit einer Apotheke. Insofern ist das Berufungsgericht richtig davon ausgegangen, dass im Wesentlichen einziger Kunde des Dekorateurs in diesem Bereich die Schnittstelle ist, die „Mitnahme“ der Kunden der Schnittstelle aufgrund des guten Rufs als ausführendes Unternehmen daher keine Übertragung des eigenen Kundenstocks darstellt. Wenn die Revision darauf verweist, dass die Apotheken „wesentliche Geschäftsgrundlage des gesamten Geschäftsmodells“ seien, so ist das richtig für das Geschäftsmodell der Klägerin. Dass diese sich der Dekorateure als persönliche Ansprechpartner der Apotheken bedient, macht die Apotheken nicht zu Kunden der Dekorateure. Damit liegt aber gerade keine Übertragung des Kundenstocks von der Lebensgefährtin des Beklagten auf den Beklagten vor.

[20]           Da im konkreten Fall das Unternehmen der Lebensgefährtin des Beklagten aber im wesentlichen aus dem Einsatz ihrer Arbeitsleistung bestand, daher eine Rahmenorganisation, ein Warenlager oder sonstige Ausstattung nicht vorlag und dementsprechend ebenfalls nicht übertragen werden kann, bestehen gegen die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, dass kein Unternehmensübergang vorliegt, keine Bedenken. Allein der Umstand, dass die Lebensgefährtin des Beklagten ihre Arbeitsleistung nunmehr (unselbständig) für eine andere Schnittstelle (den Beklagten) erbringt statt (selbständig) für die Klägerin vermag einen Unternehmensübergang nicht zu begründen. Die Nutzung eines ähnlichen Firmenwortlauts und die Verwendung der umgestalteten Internetdomain, die nach wie vor seiner Lebensgefährtin gehört, ändern an dieser Beurteilung nichts.

[21]           6. Auf die Ausführungen in der Revision dazu, warum im konkreten Fall vom Vorliegen eines Unternehmens der Lebensgefährtin des Beklagten auszugehen ist, muss daher, da ein solches nach der insoweit jedenfalls vertretbaren Rechtsauffassung des Berufungsgerichts nicht übertragen wurde, nicht weiter eingegangen werden.

[22]           7. Die Revision der Klägerin ist daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Zurückweisungsbeschluss nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

[23]       8. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Der Beklagte hat in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

Textnummer

E134375

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2022:0080OB00133.21Y.0222.000

Im RIS seit

12.04.2022

Zuletzt aktualisiert am

12.04.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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