TE Vwgh Erkenntnis 1996/6/20 95/19/1584

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Veröffentlicht am 20.06.1996
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Index

E1N;
E2D Assoziierung Türkei;
E2D E02401013;
E2D E05204000;
E2D E11401020;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
59/04 EU - EWR;

Norm

11994N EU-Beitrittsvertrag ohne spezifische Gliederung;
ARB1/80 Art6;
ARB1/80 Art7;
AufG 1992 §1 Abs3 Z1 idF 1995/351;
AufG 1992 §5 Abs1;
AufG 1992 §6 Abs2;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;
VwGG §41 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Dolp als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Simetzberger, über die Beschwerde des O in H, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 5. Oktober 1995, Zl. 116.754/2-III/11/95, betreffend Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 5. Oktober 1995 wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 26. Juni 1995, mit dem einem Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz nicht Folge gegeben wurde, gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 5 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufG) abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, daß nach § 5 Abs. 1 AufG Fremden eine Bewilligung (nach diesem Gesetz) nicht erteilt werden dürfe, bei denen ein Grund für die Versagung eines Sichtvermerkes gemäß § 10 Abs. 1 Fremdengesetz (FrG) vorliege, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert sei. Die Beurteilung im Fall des Beschwerdeführers zeige, daß einem grundsätzlichen Mindestbedarf von S 12.685,-- nach dem Sozialhilferichtsatz des Bundeslandes Salzburg tatsächlich S 8.491,--, welche von ihm aufgebracht werden könnten, gegenüberstünden. Angesichts dieser Differenz könne eine Aufenthaltsbewilligung nicht erteilt werden. Aufgrund der Aktenlage stehe fest, daß sich die Familie des Beschwerdeführers im Bundesgebiet aufhalte. Im Hinblick auf den Eingriffsvorbehalt des Art. 8 MRK habe eine Abwägung der öffentlichen Interessen gegenüber den privaten Interessen (des Aufenthaltswerbers) stattzufinden. Die Abwägung im Fall des Beschwerdeführers habe ergeben, daß den öffentlichen Interessen gegenüber den privaten Interessen des Beschwerdeführers Priorität einzuräumen gewesen wäre, da seine Unterhaltsmittel in der Höhe von S 8.491,-- nicht als ausreichend zu betrachten gewesen seien. Es sei davon auszugehen, daß die Unterhaltsmittel des Beschwerdeführers nicht dazu ausreichten, um ohne Unterstützung des Sozialhilfeträgers auskommen zu können. Unter Berücksichtigung der für das Bundesland Salzburg feststehenden Höhe des Mindestunterhaltes würde der "Sozialversicherungsträger" Geldmittel zuschießen müssen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Der Beschwerdeführer tritt der Annahme der belangten Behörde, daß er zum Zeitpunkt deren Entscheidung lediglich Unterhaltsmittel in der Höhe von S 8.491,--, denen ein grundsätzlicher Mindestbedarf von S 12.685,-- nach dem Sozialhilferichtsatz des Bundeslandes Salzburg gegenüberstehe, nicht entgegen. Er wendet unter dem Blickwinkel der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des bekämpften Bescheides ausschließlich ein, daß Österreich am 1. Jänner 1995 der Europäischen Union beigetreten sei. Dieser Beitritt habe gravierende Folgen für die etwa 55.000 türkischen Arbeitnehmer mit sich gebracht. Diese, und damit auch der Beschwerdeführer, hätten dadurch arbeits- und aufenthaltsrechtlich eine bedeutende Besserstellung gegenüber anderen "Nicht-EWR-Gastarbeitern" erfahren, wobei "Ursache" das Assoziationsabkommen zwischen der EWG und der Türkei aus dem Jahre 1963 sei.

Auf dieser Annahme des Beschwerdeführers fußen die gesamten Beschwerdeausführungen sowohl in inhaltlicher Hinsicht als auch die unter dem Blickwinkel der Rechtswidrigkeit des Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Diese Annahme führt die Beschwerde jedoch nicht zum Erfolg. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u. a. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1996, Zl. 95/19/1661) wird in ein - allenfalls bestehendes - Aufenthaltsrecht nach Art. 6 des auf das Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei gestützten Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates vom 19. September 1980 durch einen eine Aufenthaltsbewilligung versagenden Bescheid nicht eingegriffen. Wäre also die Auffassung des Beschwerdeführers richtig, wonach er die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 des in Rede stehenden Beschlusses des Assoziationsrates erfülle und er nach unmittelbar anwendbaren Rechtsakten der Europäischen Union in Österreich Niederlassungsfreiheit genieße, so würde er im Sinne des § 1 Abs. 3 Z. 1 AufG in der hier anwendbaren Fassung der Novelle BGBl. Nr. 351/1995 keine Bewilligung nach dem AufG benötigen. Mit den inhaltlichen Rügen betreffend den erfolgten Beitritt Österreichs zur Europäischen Union kann der belangten Behörde daher nicht wirksam entgegengetreten werden.

Soweit unter dem Blickwinkel der Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird, die belangte Behörde habe Feststellungen unterlassen, ob er die Voraussetzungen des den "EWR-Bürgern" zustehenden Aufenthaltsrechtes - etwa das Vorliegen einer alle Risiken abdeckenden Krankenversicherung - erfülle, ist festzustellen, daß diese verfahrensrechtlichen Rügen auf der oben geschilderten, nicht zutreffenden Rechtsansicht des Beschwerdeführers basieren. Sie gehen demnach ins Leere.

Insoferne der Beschwerdeführer der von der belangten Behörde angestellten Interessenabwägung iS des Art. 8 MRK entgegentritt, ist festzuhalten, daß der Beschwerdeführer selbst durch eine diesbezüglich unrichtige Entscheidung der belangten Behörde in dem von ihm behaupteten, direkt aus unmittelbar anwendbarem Recht der Europäischen Union herzuleitenden Aufenthaltsrecht nicht verletzt sein könnte. Soweit aber mit dem in diesem Zusammenhang erstatteten Beschwerdevorbringen der Versagung einer Bewilligung nach dem AufG entgegengetreten werden soll, kann der Verwaltungsgerichtshof nicht finden, daß selbst bei Zutreffen der in dieser Hinsicht erstatteten Beschwerdeausführungen (Aufenthalt der Ehegattin und der drei Kinder des Beschwerdeführers in Österreich), die belangte Behörde darin geirrt hätte, wenn sie bei der - unbestritten gebliebenen - Differenz zwischen den vom Beschwerdeführer aufgebrachten Unterhaltsmitteln und dem nach dem Sozialhilferichtsatz des Bundeslandes Salzburg anzunehmenden Mindestbedarf von einem Überwiegen der öffentlichen Interessen iS des Art. 8 MRK ausgegangen ist.

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Damit erübrigt sich eine Entscheidung des Berichters über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Rechtslage Rechtsgrundlage Rechtsquellen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995191584.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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