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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AufG 1992 §6 Abs2;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 95/19/1010Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Simetzberger, über die Beschwerden 1.) der AV in L, und
2.) der LV in L, die Erstbeschwerdeführerin vertreten durch die Mutter LV, diese vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in L, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres vom 28. April 1995, 1.) Zl. 109.596/3-III/11/95, und
2.) Zl. 109.596/2-III/11/95, je betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit den im Instanzenzug ergangenen Bescheiden des Bundesministers für Inneres vom 28. April 1995 wurden die Erstanträge der Beschwerdeführerinnen vom 11. April 1994 auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 6 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz (AufG) abgewiesen.
Begründend führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerinnen hätten die Aufenthaltsbewilligung zwar im Wege des österreichischen Generalkonsulates München beantragt, sie hätten aber im Antrag als Ort der Antragstellung Linz angegeben, weshalb davon ausgegangen werde, daß sich die Beschwerdeführerinnen zum Zeitpunkt der Antragstellung im Bundesgebiet aufgehalten hätten und somit gemäß § 6 Abs. 2 AufG die Anträge nicht vor der Einreise in das Bundesgebiet gestellt worden seien.
Durch den Aufenthalt der Familie der Beschwerdeführerinnen im Bundesgebiet bestünden unabsprechbare private und familiäre Beziehungen zu Österreich. Bei Abwägung der öffentlichen Interessen und der persönlichen Verhältnisse der Beschwerdeführerinnen überwögen die öffentlichen Interessen.
Gegen diese Bescheide richten sich die zunächst an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerden, der ihre Behandlung mit Beschluß vom 29. Juni 1995, 1.) B 1877/95-3, und
2.) B 1878/95-3, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die ergänzten Beschwerden nach deren Verbindung zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung aufgrund ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die Beschwerdeführerinnen treten der maßgeblichen Sachverhaltsannahme der belangten Behörde nicht direkt entgegen.
Die Erstbeschwerdeführerin macht neben Ausführungen, daß sowohl Wohnraum als auch Unterhalt der Erstbeschwerdeführerin von Anfang an durch den in Österreich lebenden Vater, dessen Sichtvermerk vor dem 1. Juli 1993 erteilt worden sei und der über eine gültige Aufenthaltsgenehmigung verfüge, gesichert sei, auch geltend, daß aus den Beweisergebnissen keinesfalls abzuleiten sei, sie habe den im Wege des österreichischen Generalkonsulates in München gestellten Antrag nicht vor ihrer Einreise gestellt. Die Erstbeschwerdeführerin sei selbst nicht geschäftsfähig und es sei der Antrag von ihrer Mutter gefertigt und eingereicht worden. Selbst wenn als Ort der Antragstellung Linz angegeben sei, könne daraus ein Aufenthalt in Linz keinesfalls zwingend abgeleitet werden. Die Einschreiterin habe nämlich selbst nicht gefertigt oder ausgefüllt, und könne dies "möglicherweise von dem Vater" der Einschreiterin, der in Linz lebe, derart gestaltet worden sein. Gegen die Interessenabwägung der belangten Behörde im Hinblick auf Art. 8 MRK bringt die Erstbeschwerdeführerin vor, daß die Zusammenführung mit ihrem Vater wesentlich schwerer wiege als eine allfällige Verletzung einer "die öffentliche Sicherheit, Ruhe und Ordnung real gar nicht berührenden Formvorschrift".
Die belangte Behörde hat aufgrund des im Antrag enthaltenen Ortes der Antragstellung - Linz - angenommen, auch die Erstbeschwerdeführerin habe sich zum Zeitpunkt der Antragstellung in Österreich aufgehalten. Das Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin ist nicht geeignet, diese grundsätzlich nicht als unschlüssig zu erkennende Annahme zu entkräften. Denn die Erstbeschwerdeführerin behauptet nicht, selbst zum Zeitpunkt der Antragstellung im Ausland gewesen zu sein; eine eindeutige Angabe über ihren Aufenthalt in diesem von der Beschwerde als entscheidungswesentlich angesehenen Zeitpunkt wäre aber Sache der Erstbeschwerdeführerin gewesen.
Die Zweitbeschwerdeführerin macht geltend, daß "durch die ausgesprochene Ausweisung ein Eingriff in das Privat- bzw. Familienleben" eintrete. Es müsse keinesfalls erörtert werden, daß die Zweitbeschwerdeführerin "sozial vollkommen integriert" sei und daß ihr Aufenthalt in Österreich die öffentliche Sicherheit und Ordnung keinesfalls beeinträchtige. Darüber hinaus würde auch das minderjährige Kind der Zweitbeschwerdeführerin durch die "Ausweisung" einem vollkommen anderen Kulturkreis mit cyrillischer Schrift überantwortet werden. Insoferne sei von der belangten Behörde das Gesetz unrichtig angewendet worden, das AufG gestatte den Familiennachzug von Ehegatten und minderjährigen Kindern zu dem in Österreich lebenden Fremden, soferne dieser mehr als zwei Jahre seinen Hauptwohnsitz in Österreich habe. Hiezu rügt die Zweitbeschwerdeführerin Ermittlungs- und Feststellungsmängel.
Die belangte Behörde hat aufgrund des im Antrag enthaltenen Ortes der Antragstellung - Linz - angenommen, die Zweitbeschwerdeführerin habe sich zum Zeitpunkt der Antragstellung in Österreich aufgehalten. Das Vorbringen der Zweitbeschwerdeführerin ist nicht geeignet, diese grundsätzlich nicht als unschlüssig zu erkennende Annahme zu entkräften, sondern bestätigt eher den Schluß der belangten Behörde als richtig.
Aufgrund der Zustellung der angefochtenen Bescheide (8. Mai 1995) hatte die belangte Behörde im gegenständlichen Fall das AufG in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 351/1995 anzuwenden.
Die Bestimmung des § 6 Abs. 2 erster Satz Aufenthaltsgesetz, wonach der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen ist, trifft auf die Beschwerdeführerinnen zu. Bei dem dort normierten Erfordernis handelt es sich grundsätzlich um eine Voraussetzung, deren Nichterfüllung zwingend die Abweisung des Antrages nach sich zieht (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 3. März 1994, Zl. 94/18/0064).
Die von den Beschwerdeführerinnen geforderte Anwendung des § 3 AufG (Familienzusammenführung) scheitert bereits daran, daß selbst ein Rechtsanspruch nach § 3 AufG nur dann eine andere Entscheidung der belangten Behörde bewirken könnte, wenn die Beschwerdeführerinnen die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 AufG eingehalten hätten (vgl. zB. das hg. Erkenntnis vom 19. April 1996, Zl. 95/19/1123).
Der belangten Behörde kann auch nicht mit Aussicht auf Erfolg entgegengetreten werden, daß sie im konkreten Fall ein Überwiegen der öffentlichen Interessen über die privaten und familiären Interessen der Beschwerdeführerinnen festgestellt hat. Denn den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch den Normadressaten kommt aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) ein sehr hoher Stellenwert zu. Dies hat zur Folge, daß jedenfalls ein unrechtmäßiger Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet, dem, wie im Beschwerdefall, kein rechtmäßiger Aufenthalt vorausgegangen ist, eine Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses von solchem Gewicht darstellt, daß die in einem Zeitraum, als die Beschwerdeführerinnen sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielten und rechtens nicht mit einem längeren rechtmäßigen Aufenthalt in Österreich rechnen durften, entstandenen privaten und familiären Bindungen zu Österreich nicht zugunsten der Beschwerdeführerinnen ausschlagen könnten. Dem Interesse an einem geordneten Fremdenwesen liefe es grob zuwider, wenn sich Fremde auf eine solche Weise den tatsächlichen Aufenthalt im Bundesgebiet auf Dauer erzwingen könnten.
Die von der Zweitbeschwerdeführerin gerügten Verletzungen von Verfahrensvorschriften führen nicht auf jeden Fall zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides, sondern nur dann, wenn die Verfahrensmängel im zu prüfenden Fall möglicherweise vom Einfluß auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides sein konnten. Da das Vorbringen der Zweitbeschwerdeführerin die Sachverhaltsannahme der belangten Behörde nicht erschüttern konnte, ermangelt den behaupteten Verfahrensmängeln die Relevanz.
Bereits der Inhalt der Beschwerden läßt erkennen, daß die behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, weshalb die Beschwerden gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen waren.
Damit erübrigt sich eine Entscheidung des Berichters über den Antrag der Zweitbeschwerdeführerin, ihrer Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995190701.X00Im RIS seit
02.05.2001