Index
10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AMG 1983 §2 Abs10 idF 1988/748;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Puck und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde des H in F, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in D, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 13. November 1990, Zl. IVb-449-2/1990, betreffend Übertretung nach dem Arzneimittelgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Gesundheit und Konsumentenschutz) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.010,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1.1. Mit Straferkenntnis vom 15. Dezember 1989 legte die Bezirkshauptmannschaft Feldkirch dem Beschwerdeführer zur Last, er habe eine Arzneispezialität, die der Zulassung nach § 11 des Arzneimittelgesetzes unterliege, ohne Zulassung im Inland in Verkehr gebracht, indem er am 29. März 1989 um 15.45 Uhr im Depot der Fa. H in F mindestens eine Packung Bakanasan-Weizenkeimöl-Kapseln mit dem Hinweis - es folgt die Wiedergabe gesundheitsbezogener Angaben - gelagert habe, obwohl diese Arzneispezialität nicht gemäß § 11 leg. cit. zugelassen sei. Dadurch habe der Beschwerdeführer § 84 Z. 5 in Verbindung mit § 11 des Arzneimittelgesetzes übertreten. Gemäß § 84 leg. cit. wurde eine Geldstrafe von S 10.000,-- (Ersatzarrest von drei Wochen) verhängt.
In der Begründung dieses Bescheides heißt es unter anderem, es sei davon auszugehen, daß das Produkt gelagert worden sei, um jederzeit - ohne weitere Kontrolle - ausgeliefert zu werden. Die Arzneispezialität sei somit ohne Genehmigung des Ministeriums in Verkehr gebracht worden.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung und machte geltend, daß die vom Lebensmittelkontrollorgan als Probe entnommene Packung eine nicht für den Verkehr bestimmte Musterpackung gewesen sei. Durch diese Packung sollte nur ein Platz für die Ware reserviert werden, die sich erst in Bearbeitung befunden habe. Alle Beipacktexte seien entfernt und die Rückseite mit der in Österreich zulässigen Beschriftung versehen worden. Es handle sich um ein Verzehrprodukt.
1.2. Mit Bescheid vom 13. November 1990 gab der Landeshauptmann dieser Berufung keine Folge und bestätigte das erstinstanzliche Straferkenntnis.
Die Begründung der Erstbehörde, die vollkommen zutreffend sei, werde übernommen und ergänzt. Es folgt eine Wiedergabe des § 84 Z. 5 des Arzneimittelgesetzes (ohne Hinweis auf die angewendete Fassung) mit jenem Inhalt, der der Stammfassung BGBl. Nr. 185/1983 (im folgenden: AMG) entspricht.
Sodann heißt es in der Begründung des angefochtenen Bescheides weiter, im Zuge des Berufungsverfahrens habe das zuständige Lebensmittelaufsichtsorgan der Erstbehörde als Zeuge folgende Aussage gemacht:
"Wie ich bereits in meiner Stellungnahme vom 19.9.1989 angeführt habe, wurde weder von Herrn H jun., noch vom anwesenden Lagerleiter darauf hingewiesen, daß die entnommene Probe nicht für den Verkehr bestimmt war. Ich verweise auch auf eine Verwaltungsgerichtshofentscheidung vom 26.2.1990, Zl. 89/10/0202, in der festgehalten wird:
Werden in Betriebsräumen eines Lebensmittelbetriebes Lebensmittel vorgefunden, so ist davon auszugehen, daß sie, sofern keine in der Außenwelt in Erscheinung tretenden objektiven Merkmale vorhanden sind, die diese Annahme verläßlich ausschließen lassen, auch tatsächlich als Lebensmittel in Verkehr gebracht anzusehen sind. Wenn Musterpackungen vorgelegen wären, so hätte der Lagerleiter darüber Bescheid wissen müssen und mich dementsprechend informieren können. Es waren keine objektiven Merkmale vorhanden, die die Annahme hätten ausschließen lassen, daß die Probepackung nicht für den Verkehr bestimmt gewesen wäre. Auch im Untersuchungszeugnis der Vorarlberger Umweltschutzanstalt wird im Befund nicht darauf hingewiesen, daß es sich um eine Musterpackung handeln würde. Ein entsprechender Hinweis wird weder unter der Rubrik Bezeichnung noch unter der Rubrik Verpackung des Befundes angeführt."
Hinsichtlich der Einstufung des in Rede stehenden Bakanasan-Präparates werde auf das Gutachten der Vorarlberger Umweltschutzanstalt hingewiesen, demzufolge das Produkt nach Art und Form des Inverkehrbringens (Hinweis auf ein Arzneimittel) dazu bestimmt sei, bei Anwendung bestimmte Körperfunktionen wie auch den Zustand des Körpers zu beeinflussen (Stoffwechselgeschehen). Es handle sich daher um ein Arzneimittel.
1.3. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht, nicht wegen Übertretung nach § 84 Z. 5 AMG bestraft zu werden, verletzt.
In der Beschwerde wird gerügt, die Berufungsbehörde beschränke sich auf die Wiedergabe des als Zeuge vernommenen Lebensmitteluntersuchungsorganes, führe jedoch nicht an, ob und allenfalls welche Tatsachenfeststellungen sie aus diesem Beweismittel ableite. Sie verletze damit ihre Begründungspflicht.
Es könne dahingestellt bleiben, ob die beanstandete Packung als Arzneispezialität anzusehen sei. Denn sie sei nach den Feststellungen der Erstbehörde zum Tatzeitpunkt nur im Depot des Beschwerdeführers "gelagert" gewesen. Das reiche für eine Verwaltungsübertretung nach § 84 Z. 5 AMG nicht aus, wonach es auf das "Abgeben" ankomme. Ein solches sei aber mit dem "Lagern" nicht gleichzusetzen, wie schon die Legaldefinition des § 2 Abs. 10 AMG zeige. Danach sei "Inverkehrbringen" das Vorrätighalten, das Feilhalten oder die Abgabe von Arzneimitteln. Das "Vorrätighalten" werde vom Tatbild des § 84 Z. 5 AMG nicht umfaßt.
1.4. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.
2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
2.1. § 2 Abs. 10 AMG in der Stammfassung lautete:
""Inverkehrbringen" ist das Vorrätighalten, das Feilhalten oder die Abgabe von Arzneimitteln."
Durch die AMG-Novelle 1988, BGBl. Nr. 748, erhielt § 2 Abs. 10 AMG folgende Fassung:
""Inverkehrbringen" ist das Vorrätighalten, das Feilhalten oder die Abgabe von Arzneimitteln. Ein Inverkehrbringen liegt nicht vor, wenn durch geeignete Maßnahmen sichergestellt ist, daß ein Arzneimittel, das dem Gesetz nicht entspricht, nicht zum Verbraucher oder Anwender gelangt."
§ 84 AMG in der Stammfassung lautete auszugsweise:
"Wer
...
5. Arzneispezialitäten, die gemäß § 11 der Zulassung unterliegen, ohne Zulassung im Inland abgibt,
..."
Durch die AMG-Novelle 1988, BGBl. Nr. 748, erhielt § 84 Z. 5 AMG folgende Fassung:
"5. Arzneimittel, die gemäß §§ 11 oder 11a der Zulassung unterliegen, ohne Zulassung im Inland abgibt oder für die Abgabe im Inland bereithält,
..."
Die zitierte AMG-Novelle 1988 ist gemäß ihrem Art. II
Abs. 1 am 1. Jänner 1989 in Kraft getreten.
2.2. Schon im Zeitpunkt des dem Beschwerdeführer zur Last gelegten strafbaren Verhaltens ist die AMG-Novelle 1988 in Kraft gestanden.
Ungeachtet dessen haben die Verwaltungsstrafbehörden - wie sich aus der Wiedergabe des § 84 Z. 5 AMG in der Begründung des angefochtenen Bescheides ergibt - auf den Beschwerdefall die bereits außer Kraft getretene Stammfassung dieser Verwaltungsstrafnorm angewendet.
2.2.1. Wird ein Straferkenntnis gefällt, so besteht ein rechtliches Interesse des Beschuldigten, daß ihm einerseits die als erwiesen angenommene Tat, andererseits die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, richtig und vollständig vorgehalten werden (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 2. Juli 1979, Slg. N.F. Nr. 9898/A = ZfVB 1980/2/550).
Schon durch die Zitierung einer (wie sich aus der Begründung ergibt) unzutreffenden Verwaltungsstrafnorm hat die belangte Behörde gegen § 44a lit. b VStG 1950 verstoßen, wonach der Spruch des Straferkenntnisses die Verwaltungsvorschrift zu enthalten hat, die durch die Tat verletzt worden ist. Durch die Novellen-Fassung erhielt die Verwaltungsstrafnorm eine für den Beschwerdefall bedeutsame Veränderung. Die Behörde hat somit den angefochtenen Bescheid allein dadurch mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, daß gegen dieses besondere, der Rechtsklarheit dienende Gebot des VStG, dem Beschuldigten offenzulegen, unter welche gesetzliche Vorschrift die Straftat subsumiert wird, verstoßen wurde.
2.2.2. Der Verwaltungsstraftatbestand, den die von der belangten Behörde angewendete Stammfassung des § 84 Z. 5 AMG enthielt, erfaßte NUR das "Abgeben" der nicht zugelassenen Arzneispezialität. Der Tatbestand des § 84 Z. 5 leg. cit. in der Fassung der AMG-Novelle 1988 umfaßt nunmehr neben dem "Abgeben" auch das "Bereithalten für die Abgabe".
Die in der Begründung des angefochtenen Bescheides zitierte und angewendete Stammfassung der Übertretungsnorm des § 84 Z. 5 AMG betrifft die Begehungsform durch "Abgeben" der Arzneispezialität. Unter dieses Tatbild kann das "Bereithalten für die Abgabe" nicht subsumiert werden, noch viel weniger das "Inverkehrbringen", wie dies im Spruch des angefochtenen Bescheides geschieht. Nur die "Abgabe", nicht das "Inverkehrbringen" schlechthin ist strafbar (vgl. Mayer - Michtner - Schober, Kommentar zum Arzneimittelgesetz, 1987, 341, Anm. 12). Wie sich aus § 2 Abs. 10 AMG ergibt, ist das "Inverkehrbringen" vielmehr der Oberbegriff, der das Vorrätighalten, das Feilhalten und die Abgabe von Arzneimitteln umfaßt. Das Tatbild der Verwaltungsübertretung nach § 84 Z. 5 AMG in der Stammfassung erfaßte davon allerdings nur die letztgenannte Verhaltensweise, nämlich die Abgabe, das heißt die Verschaffung der Verfügungsmacht für den Erwerber (vgl. zum Begriff des "Abgebens" im Sinne des AMG das hg. Erkenntnis vom 18. Mai 1992, Zl. 92/10/0019 = ZfVB 1993/5/1257 - zu § 83 Z. 6 leg. cit.). Der im Spruch des Straferkenntnisses konkretisierte Tatvorwurf, der Beschwerdeführer habe die Arzneispezialität in Verkehr gebracht, indem er sie im Depot gelagert habe, erfüllt somit das mit "Abgeben" umschriebene Tatbild des angewendeten § 84 Z. 5 AMG in der Stammfassung (das entsprechende erste Tatbild der Novellen-Fassung) nicht.
Daß das dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Verhalten den anderen Tatbestand des § 84 Z. 5 AMG in der Fassung der Novelle 1988 erfüllt haben könnte, vermag angesichts des im VStG geltenden Gebotes, die angewendete Übertretungsnorm anzuführen und die Subsumtion des Sachverhaltes unter diese Norm offenzulegen und im Grundsätzlichen schon im Spruch zu konkretisieren, zu keinem anderen Ergebnis zu führen.
2.3. Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen.
Diesen Anforderungen an eine gesetzmäßige Begründung genügt die Behörde nicht, wenn sie sich darauf beschränkt, eine Zeugenaussage kommentarlos wiederzugeben.
2.4. Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, daß die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet hat.
Der angefochtene Bescheid war infolgedessen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
2.5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I Z. 1 und Art. III Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
2.6. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Schlagworte
Begründungspflicht Beweiswürdigung und Beweismittel Allgemein Begründungspflicht Manuduktionspflicht Mitwirkungspflicht Mängel im Spruch Spruch der BerufungsbehördeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1992100018.X00Im RIS seit
20.11.2000