Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §38;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde der bzw. des
1. FK, 2. EX und GX, 3. MP und JP, 4. MD und 5. JN, alle in M, alle vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 22. November 1995, Zl. 18.325/07-IA8/95, betreffend Rodungsbewilligung (mitbeteiligte Partei: Österreichische Bundesforste), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Die Österreichischen Bundesforste beantragten am 10. Februar 1995 die Erteilung einer Rodungsbewilligung für näher bezeichnete Waldflächen zum Zweck der Erweiterung eines bestehenden Schotterabbaues. Die zur Rodung beantragten Flächen sind mit Einforstungsrechten im Sinne des § 1 des Salzburger Einforstungsrechtegesetzes, LGBl. Nr. 74/1986, belastet. Die Beschwerdeführer zählen zu den Einforstungsberechtigten. Die Bezirkshauptmannschaft verständigte die Agrarbezirksbehörde vom Rodungsantrag. Diese teilte unter anderem mit, es sei kein Verfahren über Bestand und Ausmaß von Einforstungsrechten auf der Rodungsfläche anhängig.
Eine Rodungsbewilligung betreffend benachbarte Flächen war Gegenstand des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Februar 1992, Zlen. 91/10/0139, 0141.
Mit dem im Instanzenzug erlassenen angefochtenen Bescheid erteilte die belangte Behörde die beantragte Rodungsbewilligung zum Zweck der Fortführung und Erweiterung des Schotterabbaues unter Einhaltung bestimmter Auflagen und Bedingungen. Begründend legte sie u.a. dar, es handle sich um die planmäßige Fortsetzung eines Schotterabbaues innerhalb eines großräumigen Gesamtkonzeptes, wobei bereits mit Bescheid vom 28. Juni 1990 eine Rodungsbewilligung erteilt worden sei. Das öffentliche Interesse an der Rodung werde damit begründet, daß die auf den Rodeflächen betriebene Schotteraufbereitung für die gesamte Region von Bedeutung und zur Versorgung mit Qualitätsschotter notwendig sei. Das bestehende Schotterwerk sei das einzige große und leistungsfähige Unternehmen, das die Region versorge. Es seien eine Asphaltaufbereitungsanlage sowie ein Fertigbetonbetrieb angeschlossen. Aufgrund der umfangreichen Erhebungen, unter anderem der Gutachten von forsttechnischen und landwirtschaftlichen Amtssachverständigen sowie Stellungnahmen der Agrarbehörde sei festgestellt worden, daß keine Beeinträchtigung der Walderhaltung und auch keine Beeinträchtigung der Einforstungsrechte gegeben sei und das öffentliche Interesse an der vorübergehenden Verwendung der zur Rodung beantragten Waldfläche für einen Schotterabbau das öffentliche Interesse an der Erhaltung dieser Fläche als Wald überwiege. Im Berufungsverfahren sei eine ergänzende Stellungnahme der Agrarbehörde eingeholt worden. Daraus gehe eindeutig hervor, aufgrund welcher Regulierungsurkunden bzw. Regulierungserkenntisse Holzbezugsrechte, Streubezugsrechte und Heimweiderechte für die Beschwerdeführer bestünden und welche Liegenschaften mit ziffernmäßig bestimmten Bezügen in welchen Einforstungswäldern bezugsberechtigt seien. Es sei festgestellt worden, daß die Liegenschaften der Beschwerdeführer heimweideberechtigt seien; Streubezugsrechte bestünden nicht. Zum Holzbezug berechtigt sei nur die Liegenschaft der MP, wobei diese näher zu einem anderen Einforstungswald liege als zur Rodefläche. Zu den Heimweideberechtigungen habe der landwirtschaftliche Sachverständige festgestellt, daß keine der Liegenschaften der Beschwerdeführer an die weidebelasteten Flächen angrenzten, der Auftrieb bei allen Liegenschaften großteils über das öffentliche Wegenetz führe und die Auftriebsmöglichkeiten für alle Liegenschaften weiterhin unverändert ohne jeden Umweg vorhanden seien. Durch die Randlage des neuen Abbaugebietes zur übrigen belasteten Fläche ergäben sich auch keine zeitlichen Mehraufwendungen für die Viehnachschau, da die Abbaufläche abgezäunt sei und unter normalen Umständen das Vieh nicht in das Abbaugebiet gelangen könne. Die belangte Behörde schließe sich diesen Feststellungen und auch den rechtlichen Erwägungen der Behörde zweiter Instanz an.
Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer zunächst Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof, deren Behandlung mit Beschluß vom 13. März 1996, B 94/96 abgelehnt wurde. Nach Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht diese eine Verletzung im Recht auf Aussetzung des Rodungsverfahrens nach § 20 Abs. 1 ForstG geltend.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerde macht geltend, der angefochtene Bescheid verstoße gegen § 20 Abs. 1 ForstG. Die belangte Behörde habe nicht ermittelt, ob bei der Agrarbehörde ein Verfahren anhängig sei. Die Beschwerdeführer hätten einen "Unterlassungsantrag" eingebracht, der derzeit Gegenstand eines Kompetenzkonfliktverfahrens beim Verfassungsgerichtshof sei. Weiters hätten 69 eingeforstete Liegenschaftseigentümer gemäß §§ 37 und 38 des Salzburger Einforstungsrechtegesetzes beantragt, die Nutzungsrechte zu sichern; dieser Antrag sei bisher nicht erledigt. Am 10. Oktober 1995 sei ausdrücklich ein Ergänzungsregulierungsantrag wegen der Streubezugsrechte bei der Agrarbehörde anhängig gemacht worden. Obwohl somit drei Verfahren bei der Agrarbehörde anhängig seien, habe die belangte Behörde sich nicht an das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Februar 1992,
Zlen. 91/10/0139, 0141 gehalten und das Rodungsverfahren nicht
unterbrochen.
§ 20 Abs. 1 ForstG lautet:
"Bestehen am Wald Einforstungs- oder Gemeindegutnutzungsrechte, so hat die Behörde die Agrarbehörde zu verständigen und das Rodungsverfahren bis zu deren Entscheidung über Bestehen und Ausmaß solcher Rechte auszusetzen."
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshof läßt sich dieser Vorschrift weder ein Recht der Forstbehörde entnehmen, bei der Agrarbehörde eine Entscheidung über Bestehen und Ausmaß der zur Rodung beantragten Fläche bestehenden Einforstungsrechte zu beantragen, noch dementsprechend eine Verpflichtung der Agrarbehörde, aufgrund der Verständigung durch die Forstbehörde von Amts wegen eine solche Entscheidung (in Form eines Bescheides) zu treffen. Eine Entscheidung über Bestehen und Ausmaß von Einforstungsrechten ist nur dann sinnvoll, wenn Bestehen und Ausmaß solcher Rechte strittig sind. Ob Einforstungsrechte durch eine geplante Rodung beeinträchtigt werden, ist nicht Gegenstand der Entscheidung der Agrarbehörde; hiezu ist die Forstbehörde berufen. § 20 Abs. 1 ForstG kann daher nicht als unbedingte, von der Lage des jeweiligen Falles losgelöste Anordnung an die Forstbehörde verstanden werden, das Rodungsverfahren in jedem Fall auszusetzen, wenn die Rodungsfläche mit Einforstungsrechten belastet ist. Die Bestimmung kann nur so verstanden werden, daß sie die Forstbehörde verpflichtet, die Agrarbehörde zu verständigen. Ist bei dieser bereits ein Verfahren anhängig, so ist das Rodungsverfahren auszusetzen. Das gleiche gilt, wenn die Agrarbehörde aufgrund der Verständigung durch die Forstbehörde ein Verfahren einleitet. Nur in diesen Fällen bestimmt das ForstG etwas "anderes" im Sinne des § 38 erster Halbsatz AVG. In allen anderen Fällen hat die Forstbehörde die vorfrageweise Beurteilung des Bestehens und des Ausmaßes von Einforstungsrechten selbst vorzunehmen (vgl. die Erkenntnisse vom 17. Februar 1992, Zlen. 91/10/0139, 0141, und vom 2. Dezember 1992, Zlen. 91/10/0211, 0212 und Zl. 91/10/0224).
Die Beschwerde macht geltend, die belangte Behörde habe sich nicht an die zitierte Rechtsprechung gehalten, wonach sie das Rodungsverfahren wegen der bei der Agrarbehörde anhängigen Verfahren hätte unterbrechen müssen. Damit verkennt die Beschwerde, daß § 20 Abs. 1 ForstG eine Verpflichtung der Forstbehörde, das Rodungsverfahren auszusetzen, lediglich für den Fall normiert, daß bei der Agrarbehörde ein Verfahren ÜBER BESTEHEN UND AUSMAß von Einforstungs- oder Gemeindegutnutzungsrechten anhängig ist. Die oben wiedergegebenen Aussagen der zitierten Erkenntnisse beziehen sich daher, wie auch mehrfach betont wird, nur auf diesen Fall. Es besteht keine Vorschrift des Inhaltes, daß die Forstbehörde ein Rodungsverfahren (auch) im Hinblick auf andere Verfahren vor der Agrarbehörde, deren Gegenstand Nutzungsrechte an der Rodefläche sind, auszusetzen hätte. Die Frage einer Beeinträchtigung der Einforstungsrechte durch die Rodung hat die Forstbehörde bei der Entscheidung über einen Rodungsantrag als Vorfrage für ihre Beurteilung zu lösen, welches Gewicht dem Interesse an der Walderhaltung (auch unter dem Gesichtspunkt der mit diesem öffentlichen Interesse verbundenen subjektiven Rechte der Nutzungsberechtigten) zukäme (vgl. das Erkenntnis vom 29. Jänner 1996, Zl. 94/10/0064).
Die Beschwerde behauptet nicht, daß bei der Agrarbehörde ein (Anlaß zur Aussetzung des Rodungsverfahrens bildendes) Verfahren ÜBER BESTEHEN UND AUSMAß von Nutzungsrechten anhängig wäre. Die Beschwerde bezieht sich zunächst auf einen (an die Agrarbehörde gerichteten) "Unterlassungsantrag"; dieser war nach der Aktenlage auf die Erlassung eines Gebotes, den Schotterabbau zu unterlassen, gerichtet. Sie verweist weiters auf einen am 6. Jänner 1989 eingebrachten, auf die §§ 37 und 38 des Salzburger Einforstungsrechtegesetzes gestützten Antrag. Die Beschwerde enthält sich näherer Hinweise, worauf der erwähnte Antrag im einzelnen gerichtet war; dieser ist auch in den Akten der Forstbehörde nicht enthalten. Nach den zitierten Vorschriften kommen behördliche Entscheidungen im Zusammenhang mit der Bewilligung von Aufforstungen, Zuweisung von Weideboden, Zuerkennung einer Rente, Bewilligung der Säuberung des Weidebodens, Festsetzung einer Entschädigung, Zuordnung von Grundflächen zu einer Benützungsart und Erlassung eines Nutzungsplanes in Betracht. Es bedarf keiner weiteren Erörterung, daß weder eine allfällige Entscheidung über den "Unterlassungsantrag" noch eine solche über den Sicherungsantrag eine Entscheidung ÜBER BESTEHEN UND AUSMAß von Einforstungsrechten darstellte.
Auch den behaupteten "Ergänzungsregulierungsantrag" betreffend enthält sich die Beschwerde näherer Darlegungen. In den Verwaltungsakten findet sich ein Hinweis lediglich in Gestalt der in der Berufung gegen den Bescheid des Landeshauptmannes enthaltenen "Bekanntgabe, daß inzwischen ein Antrag auf Regulierung bzw. Neuregulierung der Streubezugsrechte von uns eingebracht worden ist". Schon mangels einer näheren Konkretisierung liegt kein Anhaltspunkt dafür vor, daß der behauptete, nach dem Vorbringen der Berufung auf "Regulierung bzw. Neuregulierung", nach jenem der Beschwerde auf "Ergänzungsregulierung" gerichtete Antrag (vgl. hiezu die §§ 11 bis 23 des Salzburger Einforstungsrechtegesetzes) auf eine Entscheidung über Bestehen und Ausmaß von Einforstungsrechten im Sinne des § 20 Abs. 1 ForstG gerichtet gewesen wäre. Den Akten des Verwaltungsverfahrens ist nicht zu entnehmen, daß Bestehen und Ausmaß der Einforstungsrechte überhaupt strittig wäre; die Einwendungen der Beschwerdeführer bezogen sich vielmehr - neben ihrem auf Umstände, die mit einer allfälligen privatrechtlichen Einigung bzw. der Leistung von Entschädigung in Zusammenhang stehend bezogenen und somit nicht den Gegenstand des Rodungsverfahrens betreffenden Vorbringen - auf Gegebenheiten im Zusammenhang mit der BEEINTRÄCHTIGUNG der Einforstungsrechte. Die Forstbehörde war ihrer im § 20 Abs. 1 ForstG normierten Verpflichtung, die Agrarbehörde zu verständigen, nachgekommen. Nach der daraufhin ergangenen Stellungnahme der Agrarbehörde konnte die Forstbehörde davon ausgehen, daß ein Verfahren über Bestehen und Ausmaß von Einforstungsrechten weder anhängig war noch aufgrund der Verständigung eingeleitet wurde. Da zudem Bestehen und Ausmaß der Einforstungsrechte nicht strittig war, lag ein Fall vor, in dem die Forstbehörde die vorfrageweise Beurteilung dieser Umstände - soweit sie für die Beurteilung des Ausmaßes der Beeinträchtigung erforderlich war - selbst vorzunehmen hatte (vgl. hiezu die bereits erwähnten Erkenntnisse vom 17. Februar 1992 und 2. Dezember 1992). Das Vorbringen der Berufung bot somit keinen Anlaß zu einer Aussetzung des Verfahrens durch die belangte Behörde; der behauptete Verstoß gegen § 20 Abs. 1 ForstG liegt nicht vor.
Mit dem nicht weiter konkretisierten Hinweis der Beschwerde, die belangte Behörde habe kein Ermittlungsverfahren über die Beeinträchtigung der Einforstungsrechte durchgeführt, wird kein relevanter Verfahrensmangel aufgezeigt, weil nicht dargelegt wird, zu welchen vom angefochtenen Bescheid abweichenden Feststellungen die belangte Behörde aufgrund weiterer von der Beschwerde nicht konkret bezeichneter Ermittlungen hätte gelangen können.
Es läßt somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen, daß die behauptete Rechtswidrigkeit nicht vorliegt; die Beschwerde war gemäß § 35 Abs. 1 VwGG abzuweisen. Es erübrigt sich daher auch eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1996100050.X00Im RIS seit
20.11.2000