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L80005 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan SalzburgNorm
AVG §8Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma und die Hofrätinnen Mag.a Merl und Mag. Liebhart-Mutzl als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, in der Revisionssache der L Limited in G, vertreten durch Dr. Gerhard Lebitsch, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Rudolfskai 48, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 25. Februar 2021, 405-3/711/1/43-2021, betreffend Versagung einer Baubewilligung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Zell am See; weitere Partei: Salzburger Landesregierung; mitbeteiligte Partei: L F G in H, vertreten durch Berlin & Partner Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Schwarzstraße 21), denBeschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Revisionswerberin hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.
4 Mit Bescheid vom 10. März 2020 erteilte die Bezirkshauptmannschaft Zell am See (Behörde) der Revisionswerberin die baubehördliche Bewilligung für die Änderung der Betriebsanlage Clubhotel H. durch Abbruch, Errichtung und Betrieb eines Neubaus der Lodge auf der GP A, Zu- und Umbau der Lodge auf den GP B und GP C, Neubau einer unterirdischen Garage auf der GP D (Spruchpunkt I.) und für die Unterschreitung des gesetzlichen Mindestabstandes des Gebäudes auf der GP A zu der GP D sowie auf der GP D zu der GP A, jeweils KG H (Spruchpunkt II.).
5 Der Mitbeteiligte ist Eigentümer der unmittelbar an die GP A angrenzenden GP E. Sowohl auf den Grundstücken der Revisionswerberin als auch dem des Mitbeteiligten befinden sich Großbeherbergungsbetriebe. Sämtliche Betriebsgrundstücke - mit Ausnahme des Grundstückes GP D, für das im Jahr 2018 auf einer Teilfläche eine Bauplatzerklärung erfolgte - sind Teil eines gemeinsamen Bauplatzes und im gültigen Flächenwidmungsplan als Flächen für Großbeherbergungsbetriebe ausgewiesen.
6 Der gegen den Bescheid vom 10. März 2020 erhobenen Beschwerde des Mitbeteiligten gab das Landesverwaltungsgericht Salzburg (LVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - teilweise Folge und änderte den Spruch dahingehend ab, dass die Baubewilligung (in der Fassung des Austauschprojektes vom 14. Oktober 2020) für den Abbruch der bestehenden Lodge auf der GP A erteilt, jedoch hinsichtlich des Neubaus der Lodge auf der GP A, des Zu- und Umbaus der Lodge auf den GP B und GP C, sowie des Neubaus einer Garage auf der GP D die Baubewilligung gemäß § 9 Abs. 1 Z 6 Baupolizeigesetz 1997 (BauPolG) iVm § 25 Abs. 4 Bebauungsgrundlagengesetz (BGG) versagt werde. Eine ordentliche Revision wurde für zulässig erklärt.
Begründend führte das LVwG - soweit für das gegenständliche Verfahren relevant - aus, die Grundstücke der Revisionswerberin und des Mitbeteiligten seien Teil eines gemeinsamen Bauplatzes, zwischen ihnen existierten keine Bauplatzgrenzen, daher komme § 25 Abs. 4 BGG zur Anwendung. Durch den geplanten Abriss des auf der GP A befindlichen Altbestandes gehe die Bauplatzeigenschaft nicht verloren.
Im Jahr 2011 habe die Behörde dem Mitbeteiligten - unter gleichzeitiger Genehmigung einer Unterschreitung des nachbarlichen Seitenabstandes gemäß § 25 Abs. 8 BGG - u.a. die Baubewilligung für einen Zubau (Garage, Sauna, Technik, Vorraum) auf der GP E bis an die Grundgrenze zu der im Eigentum der Revisionswerberin stehenden GP A bewilligt. Dieser Zubau sei als oberirdisch zu werten und bei der Berechnung des erforderlichen Nachbarabstandes gemäß § 25 Abs. 4 BGG betreffend den Neubau auf der GP A zu berücksichtigen. Der Zubau sei Teil der aus mehreren Lodges bestehenden Betriebsanlage Clubhotel H. und daher keine eingeschossige Nebenanlage, die zu Wohnbauten gehöre und dem Bedarf der Bewohner diene (§ 25 Abs. 4 letzter Satz BGG); ein Teil einer gewerblichen Betriebsanlage könne nicht zugleich ein Wohnbau bzw. zu einem solchen zugehörig sein (Hinweis auf § 2 Z 4 Bautechnikgesetz). Daher sei im Jahr 2011 auch nicht die Ausnahmeregelung für Nebenanlagen gemäß § 25 Abs. 4 letzter Satz BGG zur Anwendung gekommen, sondern gemäß § 25 Abs. 8 BGG sei das Bauen bis an die Grundgrenze zu der GP A bewilligt worden. Darüber hinaus gelte die in § 25 Abs. 4 letzter Satz BGG normierte Privilegierung dem Wortlaut nach nur für den Bau dieser Nebenanlagen selbst und nicht für das Heranbauen an diese. Der auf der GP A beantragte Neubau habe daher einen Abstand von acht Metern zwischen der nordseitigen Front des Neubaus und dem südseitigen Zubau auf der GP E einzuhalten. Da dieser Abstand nicht eingehalten werde, sei die Baubewilligung betreffend den Neu-, Zu- und Umbau zu versagen gewesen. Der unterirdische Garagenbau auf einer Teilfläche der GP D sei mit dem Neubau auf der GP A unmittelbar verbunden, daher sei auch die Baubewilligung für das Bauvorhaben auf der GP D zu versagen gewesen.
Das LVwG erklärte eine ordentliche Revision für zulässig, weil hg. Rechtsprechung zu der Rechtsfrage, ob eine - mehrere Grundstücke umfassende - Bauplatzerklärung durch einen beantragten Abriss eines Gebäudes erlösche und ob nach Bewilligung der Unterschreitung des Nachbarabstandes durch ein Bauvorhaben gemäß § 25 Abs. 8 BGG die Front dieses Bauteiles die (neue) Abstandsgrenze im Sinn des § 25 Abs. 4 erster Satz BGG für weitere Bauvorhaben darstelle, fehle.
7 In der Zulässigkeitsbegründung wandte sich die Revisionswerberin nicht gegen die Rechtsansicht des LVwG, wonach nicht von einem Erlöschen der Bauplatzerklärung ausgegangen wurde, und verwies dazu auf den klaren Wortlaut des § 22 BGG. Damit verneinte die Revision diesbezüglich das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, weshalb auf die vom LVwG formulierte erstgenannte Rechtsfrage nicht mehr einzugehen war (vgl. dazu VwGH 26.3.2015, Ro 2014/07/0095). Die Zulässigkeitsbegründung enthält kein Vorbringen, das sich explizit gegen die Versagung der Baubewilligung betreffend den Zu- und Umbau der Lodge auf den GP B und GP C wendet, weshalb auch darauf vom Verwaltungsgerichtshof nicht einzugehen war.
8 Der vom LVwG formulierten grundsätzlichen Rechtsfrage betreffend die Abstandsbestimmungen schloss sich die Revisionswerberin an und brachte ergänzend vor, es fehle hg. Rechtsprechung zu der Frage, ob der Nachbar nach Erteilung einer Abstandsunterschreitung gemäß § 25 Abs. 8 BGG noch eine Verletzung der Abstandsvorschriften nach § 25 Abs. 4 BGG geltend machen könne und ob der Zubau des Mitbeteiligten auf der GP E als Nebenanlage gemäß § 25 Abs. 4 letzter Satz BGG zu werten sei.
9 Die verfahrensgegenständlichen Grundstücke bilden unstrittig einen gemeinsamen Bauplatz. Das LVwG legte seiner Entscheidung somit zutreffend § 25 Abs. 4 BGG zugrunde. Dafür, dass ein anderer als in Abs. 4 normierter Abstand einzuhalten wäre, wenn einem Nachbarn zuvor eine Abstandsnachsicht gemäß § 25 Abs. 8 BGG erteilte wurde, enthält das BGG ebenso wenig eine Rechtsgrundlage wie für eine Auslegung, wonach der Mitbeteiligte als Nachbar sein subjektiv-öffentliches Recht auf Einhaltung der in Abs. 4 normierten Abstände nicht geltend machen könnte, wenn ihm zuvor eine Abstandsnachsicht erteilt wurde. Diesbezüglich ist die Rechtslage klar (vgl. zum Fehlen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung bei nach den in Betracht kommenden Normen klarer Rechtslage etwa VwGH 21.10.2021, Ra 2019/06/0006).
10 § 25 Abs. 4 BGG in der anzuwendenden Fassung LGBl. Nr. 31/2009 gilt gemäß dessen drittem Satz nicht für eingeschossige Nebenanlagen, die zu Wohnbauten gehören und dem Bedarf der Bewohner dienen. Diese Regelung kommt für den auf der GP E befindlichen Zubau des Mitbeteiligten schon deshalb nicht zum Tragen, weil der ständigen hg. Rechtsprechung zu § 25 BGG zufolge „eingeschossige Nebenanlagen“ ein selbstständiges Bauwerk voraussetzen und als Zubau zum Hauptgebäude ausgestaltete Teile des Hauptgebäudes nicht unter die genannte Bestimmung fallen (vgl. etwa VwGH 15.5.2020, Ra 2018/06/0320, Rn. 11; 14.4.2020, Ra 2017/06/0199, Rn. 7). Den Feststellungen des LVwG zufolge sei der Zubau auf der GP E Teil der aus mehreren Lodges bestehenden Betriebsanlage Clubhotel H. und daher keine eingeschossige Nebenanlage, die zu Wohnbauten gehöre und dem Bedarf der Bewohner diene (§ 25 Abs. 4 letzter Satz BGG); im Jahr 2011 sei daher nicht die Ausnahmeregelung für Nebenanlagen gemäß § 25 Abs. 4 letzter Satz BGG zur Anwendung gekommen, sondern gemäß § 25 Abs. 8 BGG sei das Bauen bis an die Grundgrenze zu der GP A bewilligt worden. Diesen Feststellungen tritt die Revisionswerberin nicht entgegen. § 25 Abs. 4 dritter Satz BGG kommt auf den Zubau zu der Lodge des Mitbeteiligten auf der GP E somit nicht zur Anwendung. Das LVwG ging daher zutreffend davon aus, dass der Zubau des Mitbeteiligten bei der Beurteilung der Abstände gemäß § 25 Abs. 4 BGG zu berücksichtigen war.
11 Abschließend wird in der Zulässigkeitsbegründung vorgebracht, der Mitbeteiligte sei präkludiert, weil er im Verfahren vor der Behörde keine Einwendungen betreffend die Nichteinhaltung der Mindestabstände gemäß § 25 Abs. 4 BGG erhoben habe.
Ausgangspunkt für die Prüfung, ob eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, ist gemäß § 41 VwGG zunächst grundsätzlich der vom Verwaltungsgericht festgestellte Sachverhalt. Entfernt sich der Revisionswerber bei der Darlegung der Zulässigkeit seiner Revision von diesem Sachverhalt, ohne weitere Gründe im Sinn des § 41 VwGG - wiederum als Ausfluss einer unrichtigen Beantwortung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung - zu relevieren, liegt schon deshalb keine fallbezogene Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor (vgl. etwa VwGH 10.9.2018, Ra 2018/16/0114, mwN).
Der ständigen hg. Rechtsprechung zufolge muss in einer Einwendung nur erkennbar sein, in welchem Recht sich der Nachbar verletzt erachtet, er muss aber nicht angeben, auf welche Gesetzesstelle sich seine Einwendung stützt (vgl. etwa VwGH 27.8.2014, Ro 2014/05/0037, mwN). Den Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis zufolge erhob der Mitbeteiligte rechtzeitig - nämlich bereits in der Bauverhandlung am 12. Dezember 2018 und schriftlich mit Eingabe vom 7. Dezember 2018 - Einwendungen, die unter anderem die Unterschreitung des Mindestabstandes zu seinem Grundstück zum Gegenstand gehabt hätten. Dies stimmt mit den Verfahrensakten überein. Die Behauptung der Präklusion widerstreitet damit § 41 VwGG.
12 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme; sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
13 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf §§ 47 ff, insbesondere § 51 VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 10. März 2022
Schlagworte
Baurecht Nachbar Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Abstandsvorschriften BauRallg5/1/1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RO2021060014.J00Im RIS seit
11.04.2022Zuletzt aktualisiert am
11.04.2022