Index
10/07 VerwaltungsgerichtshofNorm
AVG §37Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Dr. Köller und den Hofrat Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schörner, über die Revision des A in G, vertreten durch Mag. Leopold Zechner, Rechtsanwalt in 8600 Bruck/Mur, Fridrichallee 3, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 9. September 2020, LVwG-S-615/001-2020, betreffend Übertretungen der StVO (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Scheibbs),
Spruch
1. zu Recht erkannt:
Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang der Bestätigung der Spruchpunkte 1. und 2. des vor dem Verwaltungsgericht angefochtenen Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Scheibbs vom 5. Februar 2020 sowie im Umfang des Spruchpunktes 2. des Erkenntnisses des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 9. September 2020, soweit mit ihm Kosten des Beschwerdeverfahrens für die Spruchpunkte 1. und 2. des Straferkenntnisses vorgeschrieben wurden, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat dem Revisionswerber Aufwendungen in Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
2. den Beschluss gefasst:
Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Scheibbs (im Folgenden: Bezirkshauptmannschaft) vom 5. Februar 2020 wurde dem Revisionswerber mit Spruchpunkt 1. zur Last gelegt, er sei am 3. Mai 2019 gegen 06:12 Uhr auf der B 25 nächst Straßenkilometer 30 mit einem dem Kennzeichen nach bestimmten Lastkraftwagen samt Anhänger mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden und habe nicht sofort angehalten. Nach Spruchpunkt 2. habe der Revisionswerber nach diesem Verkehrsunfall an der Sachverhaltsfeststellung nicht mitgewirkt, weil er es durch Verlassen der Unfallstelle unmöglich gemacht habe, seine körperliche und geistige Verfassung zum Unfallzeitpunkt festzustellen. Mit Spruchpunkt 3. dieses Straferkenntnisses wurde der Revisionswerber schuldig erkannt, nach diesem Verkehrsunfall mit Sachschaden nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle verständigt zu haben, obwohl er und die Person, in deren Vermögen der Schaden eingetreten sei, einander Namen und Anschrift nicht nachgewiesen hätten. Der Revisionswerber habe dadurch 1. § 4 Abs. 1 lit. a StVO, 2. § 4 Abs. 1 lit. c StVO und 3. § 4 Abs. 5 StVO verletzt, weshalb über ihn zu den Spruchpunkten 1. und 2. gemäß § 99 Abs. 2 lit. a StVO jeweils eine Geldstrafe von € 220,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 108 Stunden) und zu Spruchpunkt 3. gemäß § 99 Abs. 3 lit. b StVO eine Geldstrafe von € 150,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 72 Stunden) verhängt sowie ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens festgesetzt wurden.
2 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (im Folgenden: Verwaltungsgericht) - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - als unbegründet ab. Das Verwaltungsgericht verpflichtete den Revisionswerber zur Zahlung eines Beitrages zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens und sprach aus, dass eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
3 Das Verwaltungsgericht stellte zunächst fest, dass der Zeuge zu der im bekämpften Straferkenntnis angegebenen Tatzeit am dort genannten Tatort in Fahrtrichtung Kienberg mit seinem PKW gefahren sei. Der Revisionswerber habe zu diesem Zeitpunkt den mit Holz beladenen LKW samt ebenfalls mit Holz beladenen Anhänger in entgegengesetzter Fahrtrichtung gelenkt und habe sich dem PKW des Zeugen grundlos mittig auf der Fahrbahn genähert. Da der Zeuge einen Unfall befürchtet habe, habe er seinen PKW abgebremst. Trotz des Versuches sein Fahrzeug bis zum äußersten rechten Fahrbahnrand auszulenken und weiterer Geschwindigkeitsreduktion sei es zu einer Berührung des Anhängers des Revisionswerbers mit dem PKW des Zeugen im Bereich des linken Außenspiegels gekommen, welcher dadurch beschädigt worden sei. Zudem seien auch der linke vordere und der linke hintere Kotflügel dieses PKW beschädigt worden. Durch die Kollision sei ein lautes Geräusch entstanden, das die Beteiligten bei gehöriger Aufmerksamkeit hätten hören müssen. Obwohl der Zeuge sofort angehalten und die Warnblinkanlage eingeschaltet habe, habe der Revisionswerber seine Fahrt mit gleicher Geschwindigkeit fortgesetzt. Das Verhalten des Revisionswerbers sei im ursächlichen Zusammenhang mit dem Verkehrsunfall gestanden.
4 Zur Beweiswürdigung führte das Verwaltungsgericht aus, dass die Feststellungen auf der glaubwürdigen und nachvollziehbaren Aussage des Zeugen beruhen würden. Dieser habe den Unfallhergang schildern, das Geräusch des Zusammenstoßes sowie die Schäden am Fahrzeug beschreiben können, die mit den Fotos des Verkehrsunfallberichtes korrespondieren würden. Er habe glaubhaft dargelegt, dass er eindeutig die Kennzeichentafel des Anhängers des Revisionswerbers habe erkennen können. Von besonderer Bedeutung sei, dass der Zeuge in seiner nach der Kollision erstatteten Anzeige (laut vorgelegtem Verwaltungsakt erfolgte diese um 07:00 Uhr) das Ladegut des Anhängers habe benennen können. Zudem habe der Zeuge bei der Polizei und bei der verwaltungsgerichtlichen Einvernahme die unüblich helle Farbe des Führerhauses des LKW beschreiben können. Die festgestellten Schäden am PKW seien auch vom einschreitenden Polizeibeamten gesehen und fotografiert worden. Die Aussage des Revisionswerbers in der mündlichen Verhandlung, wonach er im Tatzeitpunkt (eine andere Route) auf der B 28 gefahren sei, sei unglaubwürdig. Es sei anzunehmen, dass der Revisionsweber wie bei der ersten Kontaktaufnahme mit der Polizei wahrheitsgemäß ausgesagt habe, dass er im Unfallzeitpunkt „entlang der B 25 in Richtung Scheibbs bzw. Puchenstuben unterwegs“ gewesen sei. Die Polizei habe am LKW und am Anhänger des Revisionswerbers keine Schäden feststellen können, weil der Revisionswerber vor der Besichtigung durch die Polizisten das Holz am Zielort abgeladen habe.
5 Im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht unter Verweis auf die herangezogenen Rechtsgrundlagen und Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aus, es könne schon möglich sein, dass der Revisionswerber die Kollision tatsächlich nicht bemerkt habe, er hätte sie aber aufgrund der Nähe der beteiligten Fahrzeuge und aufgrund der durch den Zusammenstoß verursachten Geräusche für möglich halten müssen und daher sei ihm jedenfalls Fahrlässigkeit anzulasten gewesen. Bei entsprechender Sorgfalt hätte der Revisionswerber seine Fahrweise und das Geräusch des Zusammenstoßes in seine Beurteilung miteinbeziehen und sich angesichts dessen vergewissern müssen, ob sein Fahrmanöver für einen Verkehrsunfall ursächlich gewesen sei oder nicht.
6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
7 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, die Revision kostenpflichtig zurück- oder abzuweisen.
8 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
9 Die Revision bemängelt in der Zulässigkeitsbegründung im Wesentlichen die Beweiswürdigung und bringt vor, dass das Verwaltungsgericht zu Unrecht dem Antrag auf Beiziehung eines KFZ-Sachverständigen nicht nachgekommen sei.
10 Die Revision erweist sich als teilweise zulässig und begründet.
11 Das vom Revisionswerber angefochtene Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft enthielt den Vorwurf, drei verschiedene Verwaltungsübertretungen begangen zu haben, mithin drei voneinander unabhängige Spruchpunkte. Auch das Verwaltungsgericht hat mithin hinsichtlich der drei angelasteten Verwaltungsübertretungen getrennte Absprüche getroffen (vgl. VwGH 5.1.2021, Ra 2020/02/0279).
12 Liegen - wie hier - trennbare Absprüche vor, so ist die Zulässigkeit einer dagegen erhobenen Revision auch getrennt zu überprüfen (vgl. VwGH 10.9.2021, Ra 2021/02/0165).
13 Soweit sich die Revision gegen das angefochtene Erkenntnis betreffend Spruchpunkt 3. des Straferkenntnisses richtet, ist auszuführen:
14 Gemäß § 25a Abs. 4 VwGG ist eine Revision wegen Verletzung in Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) nicht zulässig, wenn in einer Verwaltungsstrafsache eine Geldstrafe von bis zu € 750,-- und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu € 400,-- verhängt wurde.
15 Diese Voraussetzungen treffen für den Abspruch des Verwaltungsgerichtes zu Spruchpunkt 3. des Straferkenntnisses zu. Über den Revisionswerber wurde wegen Übertretung des § 4 Abs. 5 StVO gemäß § 99 Abs. 3 lit. b StVO eine Geldstrafe von € 150,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 72 Stunden) verhängt, wobei der Strafrahmen der anzuwendenden Strafnorm € 726,-- beträgt.
16 Bei der im Sinne des § 25a Abs. 4 Z 1 VwGG in der Strafdrohung vorgesehenen „Freiheitsstrafe“ muss es sich um eine primäre Freiheitsstrafe handeln (vgl. etwa VwGH 9.9.2020, Ra 2020/02/0177). Eine solche ist hinsichtlich der vorgenannten Übertretung der StVO jedoch nicht vorgesehen.
17 Die Revision erweist sich daher, soweit das Verwaltungsgericht über Spruchpunkt 3. des Straferkenntnisses entschied, gemäß § 25a Abs. 4 VwGG als absolut unzulässig.
18 Soweit sich die Revision gegen das angefochtene Erkenntnis betreffend die Spruchpunkte 1. und 2. des Straferkenntnisses sowie der damit untrennbar verbundenen Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren mit Spruchpunkt 2. des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtes richtet, ist auszuführen:
19 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen. Einer Rechtsfrage des Verfahrensrechts kann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung entfaltet, und setzt einen schwerwiegenden Verstoß gegen tragende Verfahrensgrundsätze voraus (vgl. VwGH 12.2.2021, Ra 2021/02/0028, mwN).
20 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass die Beurteilung, ob eine Beweisaufnahme, etwa ein Sachverständigengutachten bzw. zusätzliche Einvernahmen, im Einzelfall notwendig ist, dem Verwaltungsgericht obliegt. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG läge diesbezüglich nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Ergebnis geführt hätte (vgl. VwGH 2.6.2021, Ra 2019/02/0239, mwN).
21 Eine derartige Fehlbeurteilung zeigt die gegenständliche Revision auf. Das Verwaltungsgericht stützte sich nur auf die Aussage des Zeugen. Mit dem Vorbringen des Revisionswerbers, wonach er den Unfall nicht verursacht habe, setzte es sich nicht ausreichend auseinander.
22 Den Antrag auf Beiziehung eines kraftfahrtechnischen Sachverständigen wies das Verwaltungsgericht (nur) in den Entscheidungsgründen seines Erkenntnisses ab, weil aufgrund der glaubwürdigen Aussage des Zeugen für das Verwaltungsgericht außer Zweifel stehe, dass sich ein Verkehrsunfall ereignet habe, bei welchem die festgestellten Schäden entstanden seien. Insbesondere erscheine die Einholung eines kraftfahrtechnischen Gutachtens zum Beweis dafür, dass die Beschädigungen am Außenspiegel des PKW auch zu Beschädigungen am Fahrzeug des Revisionswerbers hätten führen müssen, als nicht zielführend, zumal die gesamte Holzbeladung am Vormittag des Tattages abgeladen worden sei.
23 Eine entsprechend fachkundige Auseinandersetzung oder die Beiziehung eines Sachverständigen wäre aber bereits aufgrund des Vorbringens des Revisionswerbers sowohl im behördlichen als auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren notwendig gewesen. Der Revisionswerber bestritt den Unfall vor allem mit dem Vorbringen, dass sein LKW und der Anhänger gar keine Beschädigungen aufgewiesen hätten und die Schäden am PKW des Zeugen nicht vom Fahrzeug des Revisionswerbers hätten verursacht werden können.
24 Sofern das Verwaltungsgericht die Beiziehung eines Sachverständigen mit dem Argument, das mit dem Anhänger transportierte Holz sei nach dem Unfall abgeladen worden, verwirft, ist dies nicht ausreichend. Die Ausführungen des Verwaltungsgerichtes indizieren die Annahme, dass die Beschädigungen am PKW des Zeugen durch das beladene Holz verursacht worden seien. Das angefochtene Erkenntnis lässt - wie die Revision richtigerweise aufzeigt - aber jegliche Feststellung sowie Beweiswürdigung zu dieser Annahme vermissen. Vor allem setzte sich das Verwaltungsgericht nicht mit dem Aufbau des Anhängers auseinander und legte weder das Ladegut noch die Art der Beladung konkret dar.
25 Hinzu kommt die in der Revision beanstandete bloß rudimentäre Feststellung der Schäden am PKW des Zeugen. Ein näheres Eingehen auf die Schäden am PKW wäre schon deshalb erforderlich gewesen, weil es an diesem - laut Anzeige der LPD Niederösterreich an die Bezirkshauptmannschaft vom 3. Mai 2019 - durch den Unfall zu einem weißen Abrieb am linken hinteren Kotflügel gekommen sein soll und daher die Kausalität des Revisionswerbers auch unter diesem Aspekt zu prüfen gewesen wäre.
26 Im Fall der (substantiierten) Bestreitung, einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verursacht zu haben, bedarf es genauer Feststellungen der Art und des Ausmaßes der Schäden an beiden Fahrzeugen und daraus gezogener fachkundiger Ableitungen, etwa durch ein Gutachten eines technischen Sachverständigen, um die Frage zu klären, ob die am PKW des die Anzeige erstattenden Zeugen festgestellten Schäden überhaupt durch den Anstoß des LKW des Revisionswerbers entstehen konnten (vgl. zu einer ähnlichen Konstellation etwa VwGH 28.10.1988, 85/18/0136). Es ist nicht ausgeschlossen, dass dadurch das Verwaltungsgericht zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können.
27 Weiter begründete das Verwaltungsgericht, dem Beweisantrag auf Einholung eines Gutachtens zur Frage, ob der Zeuge das Kennzeichen des vom Revisionswerber gelenkten Fahrzeugs hätte ablesen können, sei nicht Folge zu geben gewesen. Der Zeuge habe nachvollziehbar dargelegt, dass sich sein PKW bei der Kollision mit dem Anhänger nahezu im Stillstand befunden habe. Demnach hätte der LKW nach den Berechnungen des Revisionswerbers in drei Sekunden eine Wegstrecke von lediglich 50 m zurückgelegt. Der Zeuge sei augenscheinlich in seinem Sehsinn nicht beeinträchtigt gewesen und zudem habe er ein Anhängerkennzeichen lesen können, das in der Realität existiere und noch dazu die von ihm wahrgenommene Holzbeladung aufgewiesen habe. Daher habe es für diese Beweiswürdigung keines Gutachtens bedurft.
28 Es ist nicht zu erkennen, dass das Vorbringen des Revisionswerbers zur Ablesbarkeit des Kennzeichens am Fahrzeug des Revisionswerbers keiner näheren fachlichen Auseinandersetzung bedürfte, als sich auf den augenscheinlich nicht beeinträchtigten Sehsinn des Zeugen zu berufen. § 49 Abs. 4 KFG schreibt für die Ausgestaltung der Kennzeichen vor, dass - mit hier nicht in Betracht kommender Ausnahme - die Schriftzeichen bei Tag und klarem Wetter auf mindestens 40 m lesbar sein müssen. Mit den in der bereits genannten Anzeige wiedergegebenen Witterungsverhältnissen und daraus allenfalls folgenden Beeinträchtigungen der Sicht setzt sich das Verwaltungsgericht nicht auseinander. Die demgegenüber vom Revisionswerber konkret aufgestellte Zeit- und Wegberechnung stellt kein bloß allgemeines, aus Mutmaßungen bestehendes Vorbringen (vgl. das vom Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang zitierte Erkenntnis VwGH 17.9.2019, Ra 2019/18/0332, mwN) dar, welches keiner weiteren fachlichen Auseinandersetzung bedurft hätte. Es ist nicht auszuschließen, dass das Verwaltungsgericht bei umfassender Erörterung sämtlicher Beweisergebnisse und Lösung aller Fachfragen, sowie allfälliger Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Ergebnis hätte gelangen können, dass der Zeuge das Kennzeichen des vom Revisionswerber gelenkten Fahrzeugs nicht hätte ablesen können und nicht der von ihm gelenkte LKW oder Anhänger den PKW des Zeugen gestreift hätte.
29 Das Verwaltungsgericht stellte auch fest, durch die Kollision sei ein lautes Geräusch entstanden, das die am Verkehrsunfall Beteiligten bei gehöriger Aufmerksamkeit hätten hören müssen. Beweiswürdigend stützte es sich dazu auf die vom Zeugen geschilderte Wahrnehmung, ohne auf die Erkennbarkeit für den Revisionswerber einzugehen.
30 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bedarf es zur Beurteilung der Frage, ob der an einem Verkehrsunfall mit Sachschaden beteiligte Lenker des Fahrzeuges den Verkehrsunfall bei gehöriger Aufmerksamkeit bemerken hätte müssen, erforderlichenfalls der Einholung des Gutachtens eines technischen Sachverständigen, dessen Aufgabe es ist, aus der Art und dem Ausmaß der festgestellten Schäden und der dadurch verursachten Geräusche und Erschütterungen auf Grund seines Fachwissens entsprechende Schlüsse in Bezug auf ihre Wahrnehmbarkeit durch den Lenker zu ziehen (VwGH 23.1.1991, 90/03/0051).
31 Zur Frage der Erkennbarkeit des Verkehrsunfalls fehlt dem angefochtenen Erkenntnis eine Beweiswürdigung und eine hinreichend fachliche Auseinandersetzung, allenfalls unter Beiziehung eines Sachverständigen, weil im vorliegenden Fall nicht ohne weiteres angenommen werden kann, dass dem Revisionswerber eine Kollision erkennbar gewesen wäre.
32 Schließlich ist auch die Erwägung des Verwaltungsgerichtes, die ursprüngliche und wahrheitsgemäße Angabe des Revisionswerbers, er sei „entlang der B 25 in Richtung Scheibbs bzw. Puchenstuben unterwegs“ gewesen, lege nahe, dass er in den frühen Morgenstunden von Gußwerk nach Würnsdorf auf der B 25 gefahren sei, nicht vollkommen nachvollziehbar. Hier fehlt eine genauere Darstellung jener Fahrstrecke, die der Revisionswerber zurückgelegt haben soll, ob und wo er Holz geladen hätte, sowie die konkrete Bedeutung des wörtlich wiedergegebenen Ausdrucks und zwar dahingehend, ob er in Puchenstuben unterwegs gewesen sei oder er (von wo aus gesehen) nur in Richtung Puchenstuben gefahren sei.
33 Nicht näher erörtert wurde überdies der zwischen dem Unfall und der Erstattung der Anzeige verstrichene Zeitraum von mehr als einer dreiviertel Stunde.
34 Da sich die Beweiswürdigung als unzureichend erweist und das Verwaltungsgericht - soweit es nicht ausnahmsweise selbst über ausreichende Kenntnisse und Erfahrungen verfügt - einen Sachverständigen beizuziehen gehabt hätte, war das angefochtene Erkenntnis hinsichtlich des im Spruch genannten Umfangs wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
35 Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 14. März 2022
Schlagworte
Besondere Rechtsgebiete Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel Sachverständigenbeweis Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Verfahrensmangel Sachverständiger Aufgaben Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung Techniker Verfahrensbestimmungen Beweiswürdigung Antrag "zu einem anderen Bescheid"European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2020020249.L00Im RIS seit
11.04.2022Zuletzt aktualisiert am
19.04.2022