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32/01 Finanzverfahren allgemeines AbgabenrechtNorm
BAO §21Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mairinger und die Hofräte Mag. Straßegger und Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision der S B.V. in A (Niederlande), vertreten durch die Oehner & Partner Rechtsanwaelte GmbH in 1220 Wien, Donau-City-Straße 7, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 2. Dezember 2019, RV/7103599/2019, betreffend Grunderwerbsteuer (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Finanzamt Österreich), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Revisionswerberin hat dem Bund Aufwendungen von 553,20 € binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde der Revisionswerberin gegen die mit Bescheid des (damaligen) Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel (nunmehr Finanzamt Österreich) ausgesprochene Abweisung des Antrags auf Festsetzung gemäß § 201 BAO und Rückzahlung von Grunderwerbsteuer gemäß § 279 BAO als unbegründet ab und sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
2 Das Bundesfinanzgericht stellte zusammengefasst fest, die Revisionswerberin habe im Juni 2018 von der S-GmbH (Verkäuferin) eine mit einem Hotel bebaute Liegenschaft - die bis zur Veräußerung von der Verkäuferin aufgrund eines Leasingvertrages an die SB-GmbH (Leasingnehmerin) überlassen worden sei - entgeltlich erworben. Parallel zum Liegenschaftskaufvertrag sei zwischen der Leasingnehmerin und weiteren Gesellschaften „im Umfeld der Leasingnehmerin“ auf der einen Seite und der Revisionswerberin auf der anderen Seite eine „Auflösungsvereinbarung“ zwecks Beendigung des Leasingvertrages abgeschlossen worden, wobei die Revisionswerberin für diese Beendigung eine weitere Zahlung geleistet habe.
3 Diese beiden, am selben Tag unterfertigten Vereinbarungen - der Liegenschaftskaufvertrag und die Auflösungsvereinbarung - seien u.a. aufgrund der wechselseitigen Bezugnahme in unmittelbarem innerem und zeitlichem Zusammenhang miteinander gestanden. Es sei in beiden Vereinbarungen auf ein gemeinsames Wirksamkeitsdatum abgestellt worden und es seien klare wechselseitig aufschiebende Bedingungen vereinbart gewesen.
4 Es sei klar erkenntlich, dass das Interesse der Revisionswerberin im Erwerb der unbelasteten - somit insbesondere ohne Belastung aufgrund des Leasingvertrages - Liegenschaft gelegen und die „Gesamtkonstruktion“ eindeutig auf die lastenfreie Übertragung der Liegenschaft zum nachfolgenden Betrieb eines Hotels - durch die Revisionswerberin - gerichtet gewesen sei. Wirtschaftlich betrachtet habe die Revisionswerberin somit nicht nur den Kaufpreis, sondern auch die Entschädigung für die Auflösung des Leasingvertrages aufwenden müssen, um die Liegenschaft in einem entsprechend für sie nutzbaren Zustand zu erhalten.
5 In rechtlicher Hinsicht folgerte das Bundesfinanzgericht, die Zahlung für die Auflösung des Leasingvertrages sei neben dem Kaufpreis als Gegenleistung für den Erwerb des Grundstückes gemäß § 5 Abs. 1 Z 1 GrEStG anzusehen und der Berechnung der Grunderwerbsteuer zugrunde zu legen.
6 Die gegen dieses Erkenntnis erhobene außerordentliche Revision legte das Bundesfinanzgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens dem Verwaltungsgerichtshof vor.
7 Der Verwaltungsgerichtshof leitete das Vorverfahren ein (§ 36 VwGG); das (damalige) Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte die kostenpflichtige Zurückweisung - in eventu die Abweisung - der Revision.
8 Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
9 Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden und hat er diese Zulässigkeit im Rahmen der dafür gemäß § 28 Abs. 3 VwGG in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe zu überprüfen.
10 Gemäß § 4 Abs. 1 GrEStG 1987 ist die Steuer vom Wert der Gegenleistung, mindestens aber vom Grundstückswert zu berechnen.
11 Gemäß § 5 Abs. 1 Z 1 GrEStG 1987 ist Gegenleistung bei einem Kauf der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen und der dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen. Gemäß § 5 Abs. 2 Z 1 GrEStG 1987 gehören zur Gegenleistung auch Leistungen, die der Erwerber des Grundstückes dem Veräußerer neben der beim Erwerbsvorgang vereinbarten Gegenleistung zusätzlich gewährt.
12 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Begriff der Gegenleistung im Sinne der §§ 4 und 5 GrEStG 1987 ein dem Grunderwerbsteuerrecht eigentümlicher Begriff, der über den bürgerlich-rechtlichen Begriff der Gegenleistung hinausgeht. Er ist vielmehr im wirtschaftlichen Sinn (§ 21 BAO) zu verstehen. Für die Beurteilung der Gegenleistung kommt es nicht auf die äußere Form der Verträge, sondern auf den wahren wirtschaftlichen Gehalt an, der nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu ermitteln ist. Unter einer Gegenleistung ist daher jede geldwerte entgeltliche Leistung zu verstehen, die für den Erwerb des Grundstückes zu zahlen ist (vgl. VwGH 11.9.2014, 2012/16/0108, mwN).
13 Im Sinne des § 5 Abs. 1 GrEStG 1987 ist die Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Grunderwerbsteuer in erster Linie die Gegenleistung d.h. jede bewertbare Leistung, die der Erwerber aufwenden muss, um das Grundstück zu erhalten. Es ist somit auf denjenigen abzustellen, der die Leistung erbringt, also auf den Erwerber des Grundstücks, der die Gegenleistung (für das Grundstück) erbringt (vgl. VwGH 24.2.2021, Ro 2020/16/0024, mwN).
14 Steht die Leistung des Erwerbers in einem unmittelbaren, tatsächlichen und wirtschaftlichen - somit „inneren“ - Zusammenhang mit dem Erwerb des Grundstückes, dann ist sie als Gegenleistung im Sinne des GrEStG anzusehen. Für die Frage nach der finalen Verknüpfung zwischen Erwerbsgegenstand und Gegenleistung ist es unerheblich, ob mehrere abgeschlossene Verträge nach dem Willen der jeweils vertragschließenden Parteien zivilrechtlich ihren Bestand nach voneinander abhängig sein sollen. Entscheidend für die Qualifikation einer Leistung als Gegenleistung im Sinne des § 5 Abs. 1 Z 1 GrEStG 1987 ist, dass die Verpflichtung zur Leistung auf den Erwerb des Grundstücks in dem Zustand, in dem es zum Erwerbsgegenstand gemacht wurde, bezogen ist (vgl. VwGH 25.8.2005, 2005/16/0104).
15 Werden vom Erwerber im Hinblick auf den beabsichtigten Erwerbszustand des Grundstückes - beispielsweise als bebaut, freigemacht oder unbelastet - neben dem als Kaufpreis bezeichneten Betrag - an wen auch immer - weitere Leistungen erbracht, sind diese als Teil der Gegenleistung anzusehen, wenn sie mit dem Grundstückserwerb in einer finalen Verknüpfung stehen. Diese Leistungen können also auch an Dritte - somit vom Veräußerer verschiedene Personen - erbracht werden, wobei es nicht darauf ankommt, ob sie auf Grundlage - vom Kaufvertrag - unterschiedlicher Verträge oder Vertragsurkunden geleistet werden (vgl. etwa VwGH 10.4.2008, 2007/16/0223; 20.2.2003, 2002/16/0123; 20.8.1998, 95/16/0334, jeweils mwN).
16 Bei einem mit Nutzungsrechten belasteten Grundstück ist daher zunächst ausschlaggebend, ob der Erwerber das Grundstück belastet oder lastenfrei erwerben will.
17 Beabsichtigt ein Erwerber, ein Grundstück frei von bestehenden Nutzungsrechten - etwa Mietrechten - zu erhalten, und soll daher das Grundstück lastenfrei übertragen werden, so ist eine neben dem Kaufpreis zu leistende Entschädigungszahlung an die (weichenden) Nutzungsberechtigten Teil der Gegenleistung gemäß § 5 Abs. 1 Z 1 GrEStG 1987. Dabei ist bedeutungslos, ob der Veräußerer selbst Nutzungsberechtigter (z.B. Mieter) von Räumen auf dem veräußerten Grundstück ist oder ob er sich Leistungen zukommen lässt, um andere Nutzungsberechtigte durch entsprechende Aufwendungen dazu zu bewegen, ihre Nutzungsrechte aufzugeben (vgl. VwGH 17.10.1985, 84/16/0214; 26.5.1966, 2181/65; 23.1.1964, 1756/63).
18 Ist hingegen der Erwerber bereit, das Grundstück belastet durch vorhandene Nutzungsrechte zu erwerben, um in Folge diese Nutzungsrechte aufgrund selbst getroffener Vereinbarungen über die Zahlung einer entsprechenden Entschädigung mit den Nutzungsberechtigten zu beseitigen, kann diese Entschädigung nicht als Teil der Gegenleistung angesehen werden. Dies gilt allerdings nicht, wenn der Verkäufer des Grundstücks an diesen Vereinbarungen beteiligt ist, weil in einem solchen Fall nach wie vor ein unmittelbarer, tatsächlicher und wirtschaftlicher - „innerer“ - Zusammenhang der Leistung des Erwerbers mit dem Erwerb des Grundstücks gegeben ist (vgl. VwGH 10.1.1985, 83/16/0181).
19 Im vorliegenden Revisionsfall wollte die Revisionswerberin nach den - in der Revision nicht bestrittenen - Feststellungen des BFG das Grundstück ausschließlich unbelastet und frei von Nutzungsrechten Dritter - abgesehen von der nicht verfahrensgegenständlichen, nicht verbücherten Servitut eines Vereins bezüglich Nutzung einer Fluchttreppe - erwerben.
20 Zur Zulässigkeit der Revision wird geltend gemacht, das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts weiche von näher angeführter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, weil das Bundesfinanzgericht die Ablösezahlung der Revisionswerberin als Teil der Gegenleistung angesehen habe, obwohl der Kaufvertrag auf den „belasteten Erwerb“ der Liegenschaft ausgerichtet gewesen sei und sich die Revisionswerberin selbst um die Auflösung des Leasingvertrages habe „kümmern“ müssen.
21 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.
22 Das Bundesfinanzgericht hat die Ansicht vertreten und nachvollziehbar und schlüssig begründet, dass die von der Revisionswerberin geleistete Zahlung für die Beendigung des Leasingvertrages in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Erwerb des Grundstücks stehe. Das Bestehen dieses wirtschaftlichen Zusammenhanges wird von der Revisionswerberin nicht in Abrede gestellt.
23 Damit ist das Bundesfinanzgericht nicht von der oben dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen.
24 Wenn in der Zulässigkeitsbegründung der Revision zudem gerügt wird, das Bundesfinanzgericht habe unrichtige Annahmen und keine ausreichenden Feststellungen getroffen, ist dem entgegenzuhalten, dass weder ausreichend konkret dargelegt wird, welche Annahmen unrichtig seien und welche konkreten Feststellungen zu treffen gewesen wären, noch die Relevanz dieser behaupteten Verfahrensmängel dargestellt wird.
25 Die vorliegende Revision ist daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
26 Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.
27 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 15. März 2022
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2020160018.L00Im RIS seit
11.04.2022Zuletzt aktualisiert am
02.05.2022