Index
001 Verwaltungsrecht allgemeinNorm
AVG §13 Abs8Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Dr. Lehofer und Mag. Nedwed als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der revisionswerbenden Partei Ö Landesverband in G, vertreten durch die hba Held Berdnik Astner & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1090 Wien, Rooseveltplatz 10, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 27. April 2021, Zl. LVwG 41.24-720/2021-2, betreffend Vergütung für Verdienstentgang gemäß § 32 EpiG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Landeshauptstadt Graz), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit einem am 27. April 2020 eingebrachten (mit 9. April 2020 datierten) Antrag begehrte die revisionswerbende Partei eine Vergütung gemäß § 32 Epidemiegesetz 1950 (EpiG) für (unter anderem) ihren Dienstnehmerin B. W., der vom 10. bis 24. März 2020 bescheidmäßig abgesondert war. Dabei wurde für den betroffenen Dienstnehmer die „Personalkosten inkl. SV DG“ mit € 4.058,28 angegeben und angemerkt, dass es sich dabei um das regelmäßige Entgelt ohne Sonderzahlungsanteil handle.
2 Mit Eingabe vom 19. November 2020 übermittelte die revisionswerbende Partei der belangten Behörde ein Berechnungsblatt für den Verdienstentgang betreffend den konkreten Dienstnehmer, in dem schließlich eine „Verdienstvergütung“ von € 4.865,80 (inklusive aliquoter Sonderzahlungen) begehrt wurde.
3 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 22. Februar 2022 wurde dem Antrag der revisionswerbenden Partei, „eingebracht am 9.4.2020, konkretisiert am 19.11.2020,“ teilweise stattgegeben und eine Vergütung für den Verdienstentgang in der Höhe von € 3.852,85 zugesprochen.
4 Die revisionswerbende Partei erhob gegen die Abweisung des Mehrbegehrens, das sich auf die Vergütung der aliquoten Sonderzahlung richtete, Beschwerde an das Verwaltungsgericht, die mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis als unbegründet abgewiesen wurde. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde nicht zugelassen.
5 Das Verwaltungsgericht führte begründend aus, dass es sich beim Verfahren um Zuerkennung einer Vergütung für den Verdienstentgang nach § 32 EpiG um ein antragsbedürftiges Verfahren handle, in welchem der Antragsteller bestimme, was Gegenstand des Verfahrens sei. Behörde und Gericht seien an den Inhalt des Antrags gebunden und es sei der Behörde und dem Gericht auch verwehrt, einseitig von diesem abzuweichen.
6 Dem klaren Wortlaut des Antrags vom 9. April 2020 sei unmissverständlich zu entnehmen, dass sich der begehrte Vergütungsbetrag aus dem regelmäßigen Entgelt und dem Dienstgeberbeitrag zur Sozialversicherung, jedoch ohne Sonderzahlungsanteil, zusammensetze. Zwar habe die revisionswerbende Partei mit E-Mail vom 19. November 2020 das ausgefüllte „Erhebungsformular zum Antrag des Arbeitgebers auf Vergütung gemäß § 32 Epidemiegesetz“ samt einem ausgefüllten Berechnungsblatt, in welchem nun auch eine aliquote Sonderzahlung dargestellt sei, übermittelt, jedoch sei damit keine Antragsausdehnung verbunden, zumal diese Unterlagen lediglich als Beilagen zum Antrag anzusehen seien. Eine „verbale Antragsausdehnung“ gegenüber dem ursprünglichen Antrag vom 9. April 2020 sei durch bloße Übermittlung dieser Unterlagen nicht verbunden.
7 Gegen dieses Erkenntnis erhob die revisionswerbende Partei zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 22. September 2021, E 2272/2021-10, ab und trat sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof ab.
8 Der Verwaltungsgerichtshof leitete über die daraufhin erhobene außerordentliche Revision das Vorverfahren ein, in dem die revisionswerbende Partei und die belangte Behörde jeweils eine aufgetragene Stellungnahme einbrachten. Die belangte Behörde verzichtete auf eine Revisionsbeantwortung.
9 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
11 Die Revision macht zu ihrer Zulässigkeit zunächst ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Zulässigkeit von Antragsänderungen in jeder Lage des Verfahrens geltend.
12 Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt.
13 Zunächst ist festzuhalten, dass - entgegen einem offensichtlichen Versehen sowohl im angefochtenen Erkenntnis als auch in der Revision, wonach ein ausgefülltes Erhebungs- bzw. Berechnungsformular bereits am 29. September 2020 eingebracht worden sei - das Berechnungsformular mit dem begehrten höheren Vergütungsbetrag (der auch anteilige Sonderzahlungen umfasst) erst am 19. Oktober 2020 eingebracht wurde, wie sich aus den vorgelegten Akten ergibt und auch in der aufgetragenen Stellungnahme der revisionswerbenden Partei eingeräumt wurde. Damit ist aber die Ausdehnung des begehrten Vergütungsbetrages durch das erst am 19. Oktober 2020 eingebrachte Berechnungsblatt verfristet:
14 Gemäß § 33 EpiG ist der Anspruch auf Vergütung des Verdienstentganges gemäß § 32 leg. cit. binnen sechs Wochen vom Tage der Aufhebung der behördlichen Maßnahmen bei der Bezirksverwaltungsbehörde, in deren Bereich diese Maßnahmen getroffen wurden, geltend zu machen, widrigenfalls der Anspruch erlischt. In Bezug auf diese Frist wurde jedoch mit BGBl. I Nr. 62/2020 eine Sonderbestimmung für die Dauer der Pandemie mit SARS-CoV-2 geschaffen, die in § 49 Abs. 1 EpiG vorsieht, dass abweichend von § 33 EpiG der Anspruch auf Vergütung des Verdienstentganges, der aufgrund einer wegen des Auftretens von SARS-CoV-2 ergangenen Maßnahme besteht, binnen drei Monaten vom Tag der Aufhebung der behördlichen Maßnahmen bei der Bezirksverwaltungsbehörde, in deren Bereich diese Maßnahmen getroffen wurden, geltend zu machen ist. Bereits vor Inkrafttreten dieser Bestimmung laufende und abgelaufene Fristen sollten gemäß § 49 Abs. 2 EpiG mit Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 62/2020 (am 8. Juli 2020) neu zu laufen beginnen.
15 Im gegenständlichen Fall begann die Frist zur Geltendmachung der Ansprüche der revisionswerbenden Partei mit Ende der Absonderung des Dienstnehmers am 24. März 2020 zu laufen. Sie war somit bei Inkrafttreten des § 49 EpiG bereits abgelaufen, begann jedoch gemäß § 49 Abs. 2 EpiG mit Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 62/2020 (am 8. Juli 2020) in der Dauer von drei Monaten neu zu laufen. Die Frist endete daher am 8. Oktober 2020. Ansprüche, die bis dahin nicht geltend gemacht wurden, waren nach den oben angeführten gesetzlichen Vorgaben erloschen (zur Qualifikation der Frist als materiell-rechtliche Fallfrist vgl. etwa VwGH 24.6.2021, Ra 2021/09/0094).
16 Bei der zeitlichen Begrenzung des Anspruchs auf Ersatz des Verdienstentgangs durch die §§ 33 und 49 EpiG handelt es sich der Sache nach um eine Verjährungsbestimmung: Das Recht auf Ersatz des Verdienstentgangs wird zeitlich begrenzt und erlischt durch nicht rechtzeitige Geltendmachung.
17 Gemäß § 13 Abs. 8 AVG kann der verfahrensleitende Antrag zwar in jeder Lage des Verfahrens geändert werden. Durch die Antragsänderung darf die Sache ihrem Wesen nach aber nicht geändert und die sachliche und örtliche Zuständigkeit nicht berührt werden. Ist ein Leistungsanspruch, wie im vorliegenden Fall, befristet, kommt eine Antragsausdehnung nach Ablauf der Frist um einen insoweit bereits erloschenen Anspruch nicht mehr in Betracht (vgl. zu all dem näher VwGH 13.12.2021, Ra 2021/03/0309).
18 Auch das weitere Zulässigkeitsvorbringen geht einerseits davon aus, dass die Antragsausdehnung nach Ablauf der Frist für die Geltendmachung von Ansprüchen zulässig wäre. Dieses Vorbringen ist damit nicht geeignet, eine für die Entscheidung über die vorliegende Revision entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen. Soweit das Zulässigkeitsvorbringen andererseits auch von einer bloßen „Konkretisierung“ bzw. „Klarstellung“ des Begehrens nach Maßgabe des amtlich vorgegebenen Berechnungsblattes spricht, übersieht es, dass in dem innerhalb der Frist für die Geltendmachung des Anspruchs eingebrachten Antrag ein konkretes, betragsmäßig bestimmtes Begehren gestellt wurde. Bei einem nach Ablauf der Frist für die Geltendmachung des Anspruchs gestellten Begehren, das auf einen höheren Betrag gerichtet ist, handelt es sich nicht um eine „Konkretisierung“ bzw. „Klarstellung“ des bereits im ursprünglichen Antrag zahlenmäßig bestimmten Betrages.
19 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 3 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 18. März 2022
Schlagworte
Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5 Rechtsgrundsätze Verjährung im öffentlichen Recht VwRallg6/6European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022030005.L00Im RIS seit
11.04.2022Zuletzt aktualisiert am
26.04.2022