Index
10/07 VerwaltungsgerichtshofNorm
StVO 1960 §24 Abs1 litaBetreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Dr. Köller sowie die Hofrätinnen Mag. Dr. Maurer-Kober und Mag. Schindler als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schörner, über die Revision der Landespolizeidirektion Kärnten gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Kärnten vom 2. April 2020, KLVwG-398/2/2020, betreffend Übertretung der StVO (mitbeteiligte Partei: S in V), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis vom 11. Februar 2020 wurde die mitbeteiligte Partei schuldig erachtet, sie habe zu einem näher genannten Zeitpunkt ihr Fahrzeug im Bereich des Verbotszeichens „Halten und Parken verboten“ abgestellt, weshalb über sie eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde.
2 Der von der mitbeteiligten Partei dagegen erhobenen Beschwerde gab das Landesverwaltungsgericht Kärnten (in der Folge: Verwaltungsgericht) mit dem angefochtenen Erkenntnis Folge und stellte das Strafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG ein. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte das Verwaltungsgericht für unzulässig, eine solche wegen Verletzung in Rechten gemäß § 25a Abs. 4 VwGG für ausgeschlossen.
3 Nach der Begründung des Verwaltungsgerichts stelle sich die Situation vor Ort so dar, dass unter dem Verbotszeichen „Halten und Parken verboten - Anfang“ auf einer Zusatztafel folgender Text angebracht gewesen sei:
„ausgenommen
Ladetätigkeit
werktags
Mo-Fr von 08:00 bis 10:00 Uhr“
Im vorliegenden Fall sei es durchaus möglich, die Zusatztafel - wie die mitbeteiligte Partei - so zu deuten, dass sich die zeitliche Einschränkung nicht auf die Gestattung der Ladetätigkeit, sondern auf die Geltung des Halte- und Parkverbots beziehe. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes sei das Verschulden der mitbeteiligten Partei daher nicht gegeben und eine Bestrafung wegen der Verwaltungsübertretung nicht möglich.
4 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende (außerordentliche) Amtsrevision.
5 Die mitbeteiligte Partei hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
6 Als zulässig erachtet die revisionswerbende Behörde die Amtsrevision unter anderem deshalb, weil die zur Begründung des angefochtenen Erkenntnisses herangezogenen Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar seien. Die Zusatztafel stelle einen logischen Satz dar, welcher keine „mehrfache Deutung“ zulasse.
7 Verwaltungsübertretungen nach § 24 Abs. 1 lit. a StVO sind gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO mit einer Geldstrafe von bis zu € 726,--, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen zu bestrafen, weshalb die Voraussetzungen des § 25a Abs. 4 Z 1 VwGG nicht erfüllt sind. Dies gilt allerdings nur für Revisionen wegen Verletzung in Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG), nicht jedoch für Amtsrevisionen zur Sicherung der Einheit und Gesetzmäßigkeit der Vollziehung. Amtsrevisionen sind demnach nicht von der „Bagatellgrenze“ des § 25a Abs. 4 VwGG erfasst und unabhängig von der Höhe der verhängten Strafe und des Strafrahmens möglich (vgl. zB VwGH 27.9.2019, Ra 2019/02/0008, Rn. 10, mwN). Die vorliegende Amtsrevision ist daher nicht absolut unzulässig.
8 Sie ist vielmehr im Sinne der Zulassungsbegründung zulässig und berechtigt.
9 Gemäß § 54 Abs. 2 StVO müssen Angaben und Zeichen auf Zusatztafeln zu Verkehrszeichen leicht verständlich sein.
10 Nur wenn eine unter einem Verkehrszeichen angebrachte Zusatztafel eine „mehrfache Deutung“ zulässt, kann sich der Lenker eines Fahrzeuges auf die Unkenntnis der Vorschrift berufen und diese fällt nicht ihm, sondern der Behörde zur Last, weil diese die Anordnung des § 54 Abs. 2 StVO, betreffend die leichte Verständlichkeit der Angaben und Zeichen auf Zusatztafeln, nicht befolgt hat (vgl. VwGH 23.5.2016, Ra 2016/02/0088, mit Hinweis auf VwGH 14.6.2005, 2005/02/0047).
11 Die revisionswerbende Behörde macht zu Recht geltend, dass diese Rechtsprechung fallbezogen nicht zur Anwendung kommt, weil die Zusatztafel bei verständiger Lesart nur so verstanden werden kann, dass sich die zeitliche Beschränkung einzig auf die Ladetätigkeit als Ausnahme vom Halte- und Parkverbot und nicht auf die Geltung des Halte- und Parkverbots an sich bezieht. Für eine „mehrfache Deutung“ der insoweit unmissverständlichen und einzigen Zusatztafel besteht im vorliegenden Einzelfall daher kein Raum.
12 Der vom Verwaltungsgericht vertretenen Ansicht, die mitbeteiligte Partei treffe an der Unkenntnis kein Verschulden, weshalb die vorliegende Bestrafung wegen Abstellens des Fahrzeuges im Bereich eines Halte- und Parkverbots rechtswidrig sei, kann demnach nicht gefolgt werden.
13 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
Wien, am 18. März 2022
Schlagworte
Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2020020137.L00Im RIS seit
11.04.2022Zuletzt aktualisiert am
09.05.2022