TE OGH 2022/2/22 8ObA9/22i

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Veröffentlicht am 22.02.2022
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Andreas Mörk (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Robert Hauser (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. E*, vertreten durch Puttinger Vogl Rechtsanwälte OG in Ried/Innkreis, wider die beklagte Partei G* GmbH, *, vertreten durch Saxinger Chalupsky & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wels, wegen Rechnungslegung und Zahlung (Stufenklage gemäß Art XLII EGZPO), über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 24. November 2021, GZ 11 Ra 68/21f-54, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Teilurteil des Landesgerichts Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 13. August 2021, GZ 8 Cga 112/19m-50, in seinem klagsabweisenden Teil aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und in der Sache selbst zu Recht erkannt, dass das Teilurteil des Erstgerichts einschließlich des in Rechtskraft erwachsenen Teils zu lauten hat:

„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen vierzehn Tagen Rechnung zu legen über jene Umsätze, die im Zeitraum 1. 1. 2016 bis 31. 12. 2020 unter Nutzung der Diensterfindung DE102011007618_A1 'Extrusionsvorrichtung und Verfahren zur Beeinflussung von Wanddicken eines extrudierten Kunststoffprofils' erfindungsgemäß in der beklagten Partei und in den Gesellschaften G* GmbH, G* GmbH, G* GmbH erzielt wurden, durch Ausgangs- und Eingangsrechnungen (Kaufpreise) für die erfindungsgemäßen Werkzeuge mit Flow.Control-Ausstattung; die Richtigkeit und Vollständigkeit dieser Rechnungslegung ist zu beeiden und die Überprüfung auf Richtigkeit durch einen Sachverständigen zu dulden.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten wird der Endentscheidung vorbehalten.“

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

[1]       Der Kläger war von 1. 1. 2009 bis 31. 5. 2018 bei der Beklagten bzw deren Rechtsvorgängerinnen angestellt und an einer Diensterfindung beteiligt, die bei Produktionsanlagen für Kunststoffprofile im Bereich der sogenannten Düse (in der Folge auch „Werkzeug“) eingesetzt wird. Diese besteht aus sechs bis acht Platten, durch welche Kunststoff extrudiert wird. Das Wesen der Erfindung liegt in einer Schubsteuerung (Flow.Control), die als Zusatzoption von der Beklagten verkauft wird. Die Zusatzoption wird in eine der sechs bis acht Platten der Düse eingearbeitet. Außer dieser speziell ausgestatteten Platte ist noch ein Steuergerät erforderlich. Kunden können eine Produktionsanlage mit oder ohne Steuergerät und Zusatzoption kaufen. Sie können in einer vorhandenen Produktionsanlage auch die Zusatzoption nachrüsten.

[2]       Der Kläger begehrt mit Stufenklage Rechnungslegung und Zahlung einer Diensterfindungsvergütung. Er habe Anspruch auf Rechnungslegung hinsichtlich der Umsätze aus Werkzeugen und Werkzeugsätzen, welche auf Basis des klagsgegenständlichen Patents erzeugt und verkauft worden seien.

[3]       Die Beklagte beantragt die Abweisung der Klage.

[4]            Im zweiten Rechtsgang ist nach rechtskräftiger Erledigung eines Teils des ursprünglich vom Kläger geltend gemachten Rechnungslegungsbegehrens nur mehr die Position „Ausgangs- und Eingangsrechnungen für die erfindungsgemäßen Werkzeuge mit Flow.Control-Ausstattung“ strittig.

[5]            Mit Teilurteil gab das Erstgericht dem Rechnungslegungsbegehren in Ansehung der „Kaufpreise für die erfindungsgemäßen Anteile von Werkzeugsätzen, die auf die Zusatzoption einer Flow.Control-Ausstattung entfallen, durch Ausgangs- und Eingangsrechnungen“ (rechtskräftig) statt und wies das darüber hinausgehende Mehrbegehren insoweit ab, „als es sich auf Kaufpreis-Umsätze mit solchen Anteilen an Werkzeugen und Werkzeugsätzen (also Düsen) bezieht, die über die Zusatzoption Flow.Control hinausgehen und auch bei nicht mit dieser Zusatzoption ausgestatteten Düsen erzielt werden“. Aus den Feststellungen ergebe sich, dass insofern keine Zurechenbarkeit zur Diensterfindung bestehe.

[6]       Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge, hob das angefochtene Teilurteil in seinem klagsabweisenden Teil auf und verwies die Arbeitsrechtssache in diesem Umfang zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Im Verfahren sei unstrittig, dass der Vergütungsanspruch des Klägers unter Heranziehung der „Lizenzanalogie“ zu ermitteln sei. Strittig sei, welche Umsätze für die Ermittlung des Vergütungsanspruchs maßgeblich seien. Während der Kläger den gesamten Werkzeugumsatz eines mit seiner Erfindung ausgestatteten Werkzeugs in die Berechnung einbezogen haben wolle, stehe die Beklagte auf dem Standpunkt, dass nur die Kosten für die Zusatzoption als Berechnungsgrundlage zu dienen hätten. Im Berufungsverfahren sei demnach die Bezugsgröße zu klären. Diese betreffe den Umsatz, von welchem bei der Ermittlung des Erfindungswerts auszugehen sei. Der maßgebliche Umsatz sei zwar im Regelfall der Gegenstand der geschützten erfinderischen Lehre; es sei jedoch von einer Gesamtanlage, die neben der geschützten Erfindung auch Elemente des allgemeinen Standes der Technik enthalte, als Bezugsgröße für die Ermittlung des Erfindungswerts auszugehen, wenn der Erfindungsgegenstand die Gesamtanlage technisch, wirtschaftlich oder funktional entscheidend präge. Im Normalfall müsse aber die kleinste Organisationseinheit gewählt werden, zu der die erfinderische Lehre als Teil gehöre und die in Verbindung mit sonstigen, zum allgemeinen Stand der Technik gehörenden Merkmalen und Qualifikationskriterien eine in sich geschlossene Einheit darstelle, die nunmehr ihrerseits wiederum durch die erfinderische Lehre funktional bestimmt und geprägt werde. Zur im zweiten Rechtsgang vom Kläger behaupteten wirtschaftlichen Bedeutung der Erfindung für die Beklagte, welche nach den Klagebehauptungen die Heranziehung der Gesamtumsätze der Werkzeuge mit Flow.Control-Funktion rechtfertigen solle, seien – mangels Beweisaufnahme durch das Erstgericht – keine Feststellungen getroffen worden und habe diese der beigezogene Sachverständige im Rahmen seines Gutachtens auch nicht berücksichtigt.

[7]       Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof ließ das Berufungsgericht zu, weil dieser zur Frage der Umsatzberücksichtigung bei der Ermittlung des Vergütungsanspruchs nach den §§ 8 f PatG – soweit ersichtlich – noch nicht Stellung genommen habe.

[8]       Dagegen richtet sich der Rekurs der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und (erkennbar) das Ersturteil wiederherzustellen.

[9]       Der Kläger beantragt in der Rekursbeantwortung, den Rekurs zurückzuweisen; in eventu ihm nicht Folge zu geben.

[10]     Der Rekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig und auch berechtigt, weil bereits eine abschließende Sachentscheidung möglich ist.

Rechtliche Beurteilung

[11]     1. Bei der Stufenklage handelt es sich um die Möglichkeit, eine Klage auf Leistung mit einer Klage gemäß Art XLII Abs 1 EGZPO zu verbinden, wobei die bestimmte Angabe der begehrten Leistung vorbehalten werden kann, bis die eidliche Angabe über das Vermögen gemacht worden ist (RS0108687 [T2]). Bei einer Stufenklage ist zuerst das Verfahren über das Rechnungslegungsbegehren durchzuführen und darüber mit Teilurteil zu entscheiden; erst dann ist das Klagebegehren ausreichend bestimmt zu gestalten, so dass darüber (mit Endurteil) entschieden werden kann (RS0108687). Das Anlassverfahren befindet sich in der ersten Phase zur Entscheidung über das Rechnungslegungsbegehren.

[12]     2.1 Nach § 8 Abs 1 PatG gebührt einem Dienstnehmer in jedem Fall für die Überlassung einer von ihm gemachten Erfindung an den Dienstgeber sowie für die Einräumung eines Benützungsrechts hinsichtlich einer solchen Erfindung eine angemessene besondere Vergütung. Bei der Bemessung dieser Vergütung ist gemäß § 9 PatG nach den Umständen des Falls insbesondere Bedacht zu nehmen: a) auf die wirtschaftliche Bedeutung der Erfindung für das Unternehmen, b) auf eine sonst etwa erfolgte Verwertung der Erfindung im Inland oder Ausland und c) auf den Anteil, den Anregungen, Erfahrungen, Vorarbeiten oder Hilfsmittel des Unternehmens des Dienstgebers oder dienstliche Weisungen an dem Zustandekommen der Erfindung gehabt haben (RS0071330 [T7]). Die gerichtliche Festsetzung der Höhe der Vergütung ist unter Beachtung der im § 9 PatG beispielsweise vorgezeichneten Umstände und aller sonstigen Momente, die für die Beurteilung aus wirtschaftlichen und aus anderen im Zusammenhang mit der Erfindung stehenden Gründen ebenso bedeutungsvoll sind, nach dem § 273 ZPO vorzunehmen (RS0071330 [T5]).

[13]     Die Erfindervergütungen werden in der Praxis je nach der Art der Erfindung in der Regel nach drei Methoden ermittelt, und zwar nach der „Lizenzanalogie“, nach dem erfassbaren betrieblichen Nutzen oder in Form der Schätzung (RS0071330 [T6]). Bei der „Lizenzanalogie“ wird der Erfindungswert im Wege der Berücksichtigung jener Gegenleistung (Lizenzgebühr) ermittelt, die ein freier Erfinder für seine Erfindung bekäme. Es ist also ein für vergleichbare Fälle bei freien Erfindern branchenüblicher Lizenzsatz zu ermitteln. Diese Methode ist vor allem in Fällen geeignet, in denen mit der Erfindung ein Umsatz verbunden ist, der den Marktwert der Erfindung am zutreffendsten widerspiegelt (9 ObA 7/04a mwN). Aus dem Lizenzwert multipliziert mit der Bezugsgröße ergibt sich sodann der Erfindungswert (Burgstaller/Bürscher, Erfindungsvergütung für Dienstnehmer [2014] 98; ua). In diesem Zusammenhang stellt sich daher die – vom Berufungsgericht aufgeworfene – Frage nach der Bezugsgröße, also dem Umsatz, von welchem bei der Ermittlung des Erfindungswerts auszugehen ist (vgl auch K. Mayr in ZellKomm3 § 9 PatG Rz 3).

[14]           Der „Anteilsfaktor“ („Reduktor“) wiederum berücksichtigt den Einfluss des Unternehmens am Zustandekommen der Erfindung (vgl K. Mayr in ZellKomm3 § 9 PatG Rz 18; Laimer/Habe/Zojer, Geheimnisschutz und IP im Arbeitsverhältnis 1. Kapitel Rz 1.165 ff). Anders ausgedrückt dient der Anteilsfaktor dazu, den Anteil des Arbeitnehmers an der Diensterfindung zu ermitteln (Burgstaller/Bürscher, Erfindungsvergütung für Dienstnehmer [2014] 96 f). Der Anteilsfaktor ist vom Erfindungswert abzuziehen bzw, wenn er in Prozent angegeben ist, mit dem Erfindungswert zu multiplizieren (Laimer/Habe/Zojer, aaO Rz 1.142 [Fn 83]).

[15]           2.2 Diese – vom Berufungsgericht prinzipiell richtig dargestellte – Rechtslage betrifft jedoch das Zahlungsbegehren und damit erst die zweite Phase der Stufenklage. Der Oberste Gerichtshof hat (zu einem immaterialgüterrechtlichen Rechnungslegungsanspruch nach § 9 Abs 4 UWG iVm §§ 150, 151 PatG) klargestellt, dass die (gesonderten) Grundlagen des Zahlungsbegehrens in der ersten Phase des Stufenklageverfahrens grundsätzlich nicht zu prüfen sind. Allein durch die Geltendmachung des Rechnungslegungsanspruchs im Rahmen einer Stufenklage wird der Manifestationsanspruch inhaltlich nicht beschränkt bzw vom Bestehen des damit verbundenen Zahlungsbegehrens („dem Grunde nach“) abhängig gemacht. Die Berechtigung des Rechnungslegungsbegehrens richtet sich demnach nur nach seinem Inhalt (RS0133558).

[16]           Ausgangspunkt für die Beurteilung muss hier daher die vom Kläger begehrte Rechnungslegung und nicht der dem Kläger letztlich tatsächlich zustehende Vergütungsanspruch sein.

[17]     3. Nach § 151 PatG ist der „Verletzer“, also derjenige, der ein Patent unbefugt verwendet (siehe § 150 Abs 1 PatG), dem Verletzten zur Rechnungslegung und dazu verpflichtet, deren Richtigkeit durch einen Sachverständigen prüfen zu lassen. Eine ausdrückliche Norm, die auch den Dienstgeber, dem von einem Dienstnehmer eine gemachte Erfindung überlassen wird, zur Rechnungslegung verpflichtet, fehlt im Gesetz. Nach der Rechtsprechung ist § 151 PatG aber nicht nur auf deliktische Ansprüche anzuwenden; vielmehr ist per analogiam – besonders nach Auflösung des Dienstverhältnisses – auch einem Dienstnehmer, der Anspruch auf eine Vergütung für eine Diensterfindung hat, sowohl der Anspruch auf Rechnungslegung als auch derjenige zuzuerkennen, die gelegte Rechnung durch Sachverständige prüfen zu lassen. Erst mit der Rechnungslegung wird dem Dienstnehmer die Möglichkeit eröffnet, seine Ansprüche dem Grund und der Höhe nach zu konkretisieren (9 ObA 7/11m mwN). Voraussetzung ist, dass dem Dienstnehmer im konkreten Fall ein Anspruch auf Vergütung grundsätzlich zusteht (vgl RS0071262). Letzteres ist im Anlassfall nicht mehr strittig.

[18]     Inhalt und Umfang der Verpflichtung nach § 151 PatG richten sich nach dem Zweck der Rechnungslegung. Zweck der Rechnungslegung ist es, den jeweils Berechtigten in die Lage zu versetzen, die Grundlage für seine Zahlungsansprüche gegen den Beklagten zu ermitteln, um sein Leistungsbegehren beziffern zu können. Um diesen Zweck der Rechnungslegung zu erreichen, darf der Umfang der Rechnungslegungspflicht nicht allzu sehr eingeschränkt werden; es muss nach der Natur des Geschäfts und den Umständen des Falls auf das Verkehrsübliche abgestellt werden (RS0019529). Um diesem Zweck zu genügen, gewährt die Rechtsprechung grundsätzlich Einsicht in die Wareneingangs- und Warenausgangsrechnungen, sofern einer derartigen Einsicht nicht besondere Geheimhaltungsinteressen des Rechnungspflichtigen entgegenstehen (RS0120237 [T1]). Vom Anspruch auf Rechnungslegung hinsichtlich der durch die Erfindung gemachten Umsätze wird von der Lehre und Rechtsprechung auch bei einem Diensterfinder ausgegangen (9 ObA 7/11m mwN).

[19]     4.1 Der Kläger hat im zweiten Rechtsgang zum offenen Rechnungslegungsbegehren ergänzend unter anderem vorgebracht, dass „eine Ausmessung des Anspruchs nach § 8 PatG ohne Berücksichtigung der Rechnungen für die Werkzeuge, die hergestellt und verkauft worden seien, und der Nutzung des Patents nicht möglich“ sei, „da im Rahmen des sogenannten Anteilsfaktors die Erfindung beim Werkzeugumsatz selbst zu berücksichtigen“ sei. Die Erfindung habe zur Kaufentscheidung auch im Hinblick auf die Bewerbung durch die Beklagte wesentlich beigetragen bzw einen überproportionalen Anstoß gegeben. So habe die Beklagte Ersparnisse und sonstige Kundenvorteile für Werkzeuge mit eingebauter Flow.Control ausdrücklich beworben. Deshalb seien die Umsätze für Werkzeuge relevant, in denen die Erfindung eingebaut sei. Ein Effekt der Erfindung liege auch in Umsätzen, die in den Rechnungen nicht rein der Zusatzoption Flow.Control zugeordnet bzw gesondert als Nutzungsgebühr ausgewiesen seien, weil es für den Kunden insgesamt vorteilhaft sei, eine Anlage mit Flow.Control zu erwerben. Der bloße Werkzeugumsatz sei daher auf Basis eines Anteilsfaktors ebenfalls beim Anspruch des Klägers zu berücksichtigen.

[20]     4.2 Das Vorbringen des Klägers zielt auf die Behauptung ab, dass die Beklagte eine Umsatzsteigerung in Bezug auf das Werkzeug (Düse) erzielt habe, die „wesentlich und überproportional“ auf die Erfindung zurückzuführen sei. Das heißt, die Umsatzerhöhung soll nicht nur im – vermutlich höheren – Verkaufspreis für die mit der Erfindung ausgestatteten oder nachgerüsteten Werkzeuge liegen, sondern auch in einem Zuwachs von Kunden, die das Werkzeug der Beklagten ohne die Erfindung nicht gekauft hätten. Diese Behauptung lässt sich allein durch die Kaufpreise „für die erfindungsgemäßen Anteile von Werkzeugsätzen, die auf die Zusatzoption einer Flow.Control-Ausstattung entfallen“, über die die Beklagte nach dem bereits rechtskräftigen Teil des Ersturteils Rechnung zu legen hat, nicht darstellen.

[21]           Im Übrigen hat die Beklagte das Vorbringen des Klägers nur mit dem Hinweis bestritten, „es seien ausschließlich Kundenentscheidungen, sich für Werkzeug mit Flow.Control zu entscheiden“. Die wirtschaftlichen Überlegungen der Kunden könnten nicht Grundlage für die Bemessung einer Erfindungsvergütung sein. Soweit Werkzeuge mit Flow.Control-Funktion verkauft würden, sei der Aufpreis für die Flow.Control-Funktion auch entsprechend für diese Funktionalität ausgewiesen, sodass kein genereller Verkauf eines Flow.Control-Werkzeugs ohne entsprechenden Ausweis dieser Funktion erfolge.

[22]           Damit setzt die Beklagte dem noch strittigen Rechnungslegungsbegehren allerdings nichts Stichhältiges entgegen:

[23]           Es liegt auf der Hand, dass für ein Produkt, das aufgrund der Erfindung nicht nur einen höheren Verkaufspreis bringt, sondern auch die Zahl der Kunden erhöht, auf dem freien Markt eine höhere Lizenzgebühr erzielbar ist. Dieser Umstand hat Einfluss auf den wirtschaftlichen Wert der Erfindung für das Unternehmen und damit in weiterer Folge auf die Höhe des Vergütungsanspruchs des Klägers. Zur Konkretisierung seines Anspruchs dem Grunde und der Höhe nach hat der Kläger daher einen entsprechenden Manifestationsanspruch. Diesem entgegenstehende besondere Geheimhaltungsinteressen hat die Beklagte gar nicht behauptet. An dem Ergebnis vermögen auch die von der Beklagten im Rekurs ins Treffen geführten erstgerichtlichen Feststellungen nichts zu ändern, wonach das Wesen der Erfindung in der Schubsteuerung (Flow.Control) liegt und der Umfang der Erfindung eine Zusatzoption ist. Diese Feststellungen enthalten – wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat – keine Aussage über die vom Kläger behauptete Umsatzsteigerung in Bezug auf das Werkzeug mit eingebauter Flow.Control. Entgegen der Meinung des Berufungsgerichts bedarf es – im derzeitigen Verfahrensstadium – aber auch keiner weiteren Feststellungen dazu, ob das Vorbringen des Klägers zur wirtschaftlichen Bedeutung der Erfindung für die Gesamtumsätze der Werkzeuge mit Flow.Control-Funktion zutrifft, wenn es gerade dieser Umstand ist, der durch die begehrte Rechnungslegung abgeklärt werden soll.

[24]     5. Im Rekursverfahren gegen berufungsgerichtliche Aufhebungsbeschlüsse gilt das Verschlechterungsverbot (Verbot der reformatio in peius) nicht, sodass der Oberste Gerichtshof an die Stelle des Aufhebungsbeschlusses auch auf Rekurs der beklagten Partei ein Urteil auf Klagestattgebung fällen kann (RS0043853 [T3]). Dem Rekurs der Beklagten war daher Folge zu geben, der angefochtene Beschluss aufzuheben und in der Sache selbst im gänzlich klagestattgebenden Sinn zu erkennen.

[25]     6. Der Kostenvorbehalt gründet auf § 52 Abs 3 ZPO. Das Erstgericht hat die Kostenentscheidung gemäß § 393 Abs 2 ZPO iVm § 52 Abs 2 ZPO der Endentscheidung vorbehalten.

Textnummer

E134360

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2022:008OBA00009.22I.0222.000

Im RIS seit

11.04.2022

Zuletzt aktualisiert am

11.04.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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