TE Vwgh Erkenntnis 1996/6/25 96/05/0123

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Veröffentlicht am 25.06.1996
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Index

L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Wien;
L80009 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Wien;
L80409 Altstadterhaltung Ortsbildschutz Wien;
L82000 Bauordnung;
L82009 Bauordnung Wien;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §38;
BauO Wr §129 Abs10;
BauRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde der R-Ges.m.b.H. in W, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 26. Februar 1996, Zl. MD-VfR - B XIX - 81/95, betreffend einen Bauauftrag, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und dem mit der Beschwerde vorgelegten angefochtenen Bescheid ergibt sich nachstehender Sachverhalt:

Die belangte Behörde bestätigte mit dem angefochtenen Bescheid den der Beschwerdeführerin erteilten Auftrag,

1.

das zum Teil vor der Baulinie errichtete Reihenhaus abzutragen und nach Abtragung die Geländeverhältnisse, die vor Errichtung des Gebäudes bestanden haben, wieder herzustellen, sowie

2.

die gartenseitig, bis zu 40 cm abweichend von den bewilligten Plänen errichteten Stützmauern der Außenanlage abzutragen.

Die Beschwerdeführerin gibt als objektiv richtig zu, daß das Reihenhaus an der linken Grundstücksgrenze um 77 cm und an der rechten Ecke der Gebäudefront um 11 cm vor der Baulinie liege und daß die zur Gänze auf dem Eigengrund der Bauwerberin befindlichen gartenseitigen Stützmauern bis zu 40 cm abweichend vom bewilligten Plan errichtet worden seien. Sie bringt vor, daß sie mit Eingabe vom 31. Oktober 1995 einen Antrag auf Bewilligung von unerheblichen Abweichungen gemäß § 69 BauO für Wien gestellt habe. Über diesen Antrag sei noch nicht entschieden worden.

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid darin verletzt, daß ihr die vollständige Abtragung des von ihr neu errichteten Gebäudes gemäß § 29 (richtig wohl: 129) Abs. 10 BauO für Wien ohne Bedachtnahme auf eine dort ausdrücklich vorgesehene "nachträgliche" Bewilligung der versehentlich unterlaufenen "unwesentlichen Abweichungen" gemäß § 69 leg. cit. aufgetragen wurde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

§ 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien, LGBl. Nr. 11/1930 in der hier anzuwendenden Fassung LGBl. Nr. 18/1976 (im folgenden: BO), lautet:

"Abweichungen von den Bauvorschriften sind zu beheben und es ist der vorschriftswidrige Bau, für den eine nachträgliche Bewilligung nicht erteilt worden ist, zu beseitigen. In Schutzzonen sind überdies Abweichungen von den Bebauungsbestimmungen im Bebauungsplan, für die eine Baubewilligung weder nachgewiesen noch infolge des erinnerlichen Bestandes des Gebäudes vermutet werden kann, zu beheben und die Gebäude und baulichen Ziergegenstände in stilgerechten und den Bebauungsbestimmungen entsprechenden Zustand zu versetzen. Lassen sich Art und Umfang von vermuteten Abweichungen von den Bauvorschriften nicht durch bloßen Augenschein feststellen, ist der Eigentümer (jeder Miteigentümer) eines Gebäudes oder einer baulichen Anlage verpflichtet, über das Vorliegen der vermuteten Abweichungen und gegebenenfalls über deren Art und Umfang den Befund eines Sachverständigen vorzulegen. Der dem Befund zugrundegelegte Sachverhalt muß durch die Behörde überprüfbar sein."

Die Beschwerdeführerin bestreitet die Vorschriftswidrigkeit ihres Baues (sowohl des Reihenhauses als auch der Stützmauern) nicht und behauptet auch nicht, daß eine nachträgliche Bewilligung bereits erteilt worden sei. Die für den Auftrag herangezogene Bestimmung stellt aber allein auf diese objektiven Kriterien ab und läßt weder einen Raum für eine Berücksichtigung der Ursachen der Abweichung, noch, ob der Verursacher dieser Abweichungen vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, daß die Frage, ob eine nachträgliche Baubewilligung erteilt werden kann, keine Vorfrage für die Erlassung eines Abtragungsauftrages nach § 129 Abs. 10 BO ist, da die letztgenannte Bestimmung allein darauf abstellt, daß ein vorschriftswidriger Bau vorliegt, für den eine nachträgliche Bewilligung nicht erteilt worden ist. Ohne Belang ist es daher, ob über ein Ansuchen um nachträgliche Baubewilligung noch nicht rechtskräftig entschieden wurde. Die Erlassung eines unbedingten Abtragungsauftrages steht einem Ansuchen um die Erteilung einer nachträglichen Baubewilligung nicht entgegen. Ein Bau, welcher den Gegenstand eines laufenden baubehördlichen Bewilligungsverfahrens bildet, ist als Bauwerk, für das eine nachträgliche Baubewilligung (noch) nicht erteilt wurde, zu qualifizieren (siehe die Nachweise bei Geuder-Hauer, Wiener Bauvorschriften2, 568 f).

Die Beschwerdeführerin verkennt offenbar, daß nicht die Erlassung, sondern die Vollstreckung eines baupolizeilichen Auftrages durch ein Ansuchen um nachträgliche Baubewilligung verhindert wird. Der Auftrag kann erst nach rechtskräftiger Abweisung oder Zurückweisung eines Bauansuchens vollstreckt werden (siehe die Nachweise bei Geuder-Hauer aaO, 573 f).

Da somit schon der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, daß die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Eines Ausspruches über den mit der Beschwerde verbundenen Aufschiebungsantrag bedurfte es unter diesen Umständen nicht.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1996050123.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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