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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §71 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde des J in E, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 12. Dezember 1995, Zl. VerkR-392.093/1-1995/Gb, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Angelegenheit Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 17. August 1995 auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Vorstellungsfrist in Bezug auf den Mandatsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 20. Juli 1995 gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG abgewiesen.
In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend; er beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten, und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.
Der Beschwerdeführer brachte in seiner (vom nunmehrigen Beschwerdevertreter unter Hinweis auf die ihm erteilte Vollmacht verfaßten) Eingabe vom 17. August 1995 zur Begründung seines für den Fall der Versäumung der Vorstellungsfrist gestellten Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vor, der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 20. Juli 1995 sei ihm "auf Umwegen" in die Justizanstalt Ried im Innkreis zugestellt worden. Er habe nicht damit rechnen können, daß - wie in seinem Fall geschehen - der Postlauf von Ried im Innkreis nach Schärding (zum Beschwerdevertreter) sieben Tage überschreite. Über Ersuchen der Bezirkshauptmannschaft teilte der Beschwerdeführer in der schriftlichen Äußerung vom 4. September 1995 mit, es sei für ihn nicht vorhersehbar gewesen, daß "das Kuvert" den Rechtsanwalt nicht rechtzeitig erreichen werde. Darüber hinaus habe er nicht wissen und ahnen können, "daß die Kanzlei meines Vertreters am 12.8.1995 (Samstag) geschlossen ist, gleichzeitig am 14.8.1995 geschlossen ist, darüber hinaus am 15.8.1995 wegen des Feiertages keine Post zugestellt werden konnte und erst am 16.8.1995 zugestellt worden ist, weil erstmals an diesem Tag wiederum normaler Kanzleidienst war".
Die belangte Behörde begründete die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages damit, daß den Beschwerdeführer an der Versäumung der Vorstellungsfrist ein über einen minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden treffe. Er habe davon ausgehen müssen, daß die Vorstellung gegen den ihm am 27. Juli 1995 zugestellten Mandatsbescheid spätestens am 10. August 1995 hätte zur Post gegeben werden müssen. Der Beschwerdeführer habe erst am vorletzten Tag der Rechtsmittelfrist dem Beschwerdevertreter den Auftrag zur Einbringung einer Vorstellung erteilt und außerdem unterlassen, das für Postsendungen zuständige Personal der Justizanstalt auf die Dringlichkeit der Sendung hinzuweisen. Ein sorgfältiger Durchschnittsmensch hätte im Bewußtsein der Fristgebundenheit eines Rechtsmittels einerseits eine mehr als eintägige Beförderungsdauer einkalkuliert bzw. andererseits zumindest bei der Übergabe der Sendung an das Anstaltspersonal auf deren Dringlichkeit hingewiesen.
Der Beschwerdeführer bringt zunächst vor, es sei unverständlich, daß die belangte Behörde einerseits den Umstand, daß die Kanzlei des Beschwerdevertreters "in dieser Zeit" nicht besetzt gewesen sei, als unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis qualifiziere, andererseits aber sein Verhalten bei Erteilung des Auftrages an den Beschwerdevertreter im Postweg am 9. August 1995 als ein die Wiedereinsetzung ausschließendes Verschulden werte, da die Versäumung der Vorstellungsfrist ausschließlich durch den ihm unbekannten Umstand verursacht worden sei, daß die Kanzlei des Beschwerdevertreters im Sommer mehrere Tage unbesetzt gewesen sei.
Dieses Vorbringen ist im Ansatz verfehlt. Die belangte Behörde hat zwar den (in der Äußerung des Beschwerdeführers vom 4. September 1995 angeführten) Umstand, daß die Kanzlei des Beschwerdevertreters in der Zeit vom 12. August 1995 (Samstag) bis einschließlich 16. August 1995 unbesetzt war, als für den Beschwerdeführer unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis erachtet. Dieser Umstand war aber, weil bereits nach dem Ende der Vorstellungsfrist gelegen, nicht kausal für die Versäumung dieser Frist. Er kann daher begrifflich nicht jenes Ereignis darstellen, durch welches der Beschwerdeführer an der rechtzeitigen Einbringung einer Vorstellung gehindert war. Als solches Ereignis ist im Beschwerdefall der Umstand anzusehen, daß die vom Beschwerdeführer am 9. August 1995 dem Anstaltspersonal übergebene Sendung nicht spätestens am 10. August 1995, dem letzten Tag der Vorstellungsfrist, beim Beschwerdevertreter eingelangt ist. (Daß dessen Kanzlei auch schon an diesem Tag, einem Donnerstag, geschlossen gewesen sei, hat der Beschwerdeführer nie behauptet.)
Es kann dahinstehen, ob ein die Wiedereinsetzung ausschließendes Verschulden allein schon darin liegt, daß er den Brief an den Beschwerdevertreter erst am vorletzten Tag der Vorstellungsfrist abgesendet hat. Die belangte Behörde erblickte nämlich das Verschulden des Beschwerdeführers darin, daß er es unterließ, die Möglichkeit eines Postenlaufes von mehr als einem Tag einzukalkulieren und zumindest die Bediensteten der Justizanstalt auf die Dringlichkeit der Sendung hinzuweisen. Sie ist damit im Recht.
Aufgrund der nachweislichen Übernahme des Mandatsbescheides am 27. Juli 1995 und der dort enthaltenen zutreffenden Rechtsmittelbelehrung war dem Beschwerdeführer bekannt, daß ihm für eine Vorstellung eine Frist von zwei Wochen zur Verfügung stand, daß also die Vorstellung spätestens am Donnerstag, dem 10. August 1995, eingebracht werden mußte. Es lag daher am Beschwerdeführer, innerhalb dieser Frist entweder selbst eine Vorstellung einzubringen oder - wenn er sich dazu eines Rechtsvertreters bedienen wollte - diesen so rechtzeitig damit zu betrauen, daß ihm die fristgerechte Erhebung einer Vorstellung möglich war. Daß dies zwingend das Einlangen des Auftrages beim Rechtsanwalt noch am 10. August 1995 erforderte, mußte dem Beschwerdeführer bewußt sein. Er hätte daher entweder die Aufgabe der Sendung an den Beschwerdevertreter so rechtzeitig veranlassen müssen, daß er deren fristgerechtes Einlangen bei diesem erwarten konnte, oder, nachdem er mit der Aufgabe bis zum vorletzten Tag der Frist zugewartet hatte, jedenfalls Vorkehrungen treffen müssen, die unter den gegebenen Umständen mit gutem Grund das Einlangen der Sendung in der Kanzlei des Beschwerdevertreters am nächsten Tag erwarten ließen. Es liegt auf der Hand, daß es dazu zumindest der Information des für Postsendungen zuständigen Personals der Justizanstalt über die Dringlichkeit der Sendung bedurft hätte. Da der Beschwerdeführer unbestritten nicht einmal diese naheliegende Vorsorgemaßnahme getroffen hat, kann nicht mehr von einem minderen Grad des Versehens gesprochen werden. Vielmehr liegt in Anbetracht der jede Verfahrenspartei treffenden erhöhten Sorgfaltspflicht bei der Wahrnehmung von Fristen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. September 1989, Zl. 89/11/0184) ein Verschulden des Beschwerdeführers an der Versäumung der Vorstellungsfrist vor, das die begehrte Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausschloß.
Da sich die Beschwerde als unbegründet erwiesen hat, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1996110034.X00Im RIS seit
20.11.2000