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50 GewerberechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Zurückweisung von Individualanträgen auf Aufhebung von Ausnahmeregelungen für die Genehmigungspflicht gewerblicher Betriebsanlagen im AbfallwirtschaftsG mangels rechtlicher Betroffenheit der antragstellenden Gesellschaften; sachliche Rechtfertigung der unterschiedlichen, abfallwirtschaftsrechtlichen Behandlung von Altanlagen und neuen Betriebsanlagen; verfassungskonforme Auslegung der Stichtagsregelung hinsichtlich der Verpflichtung zur Vorlage eines Abfallwirtschaftskonzeptes für die Betreiber bestimmter Anlagen; analoge Anwendung dieser Verpflichtung auf eine bestimmte Beschäftigtenzahl erst nach dem Stichtag überschreitende AltanlagenSpruch
1. Die Anträge der zweitantragstellenden Gesellschaft werden zurückgewiesen.
2. Der Antrag der erstantragstellenden Gesellschaft, §45 Abs6 Abfallwirtschaftsgesetz zur Gänze, in eventu einzelne Wortfolgen dieser Bestimmung, als verfassungswidrig aufzuheben, wird zurückgewiesen.
3. Der Antrag der erstantragstellenden Gesellschaft, §376 Z11 Abs4 GewO 1973 idF BGBl. Nr. 325/1990, in eventu einzelne Wortfolgen dieser Bestimmung, als verfassungswidrig aufzuheben, wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die antragstellenden Gesellschaften beantragen gemäß Art140 B-VG die Aufhebung des §45 Abs6 Abfallwirtschaftsgesetz (AWG), in eventu der Wortfolge "zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes mehr als 100", in eventu der Wortfolge "zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes" dieser Bestimmung sowie die Aufhebung des §376 Z11 Abs4 GewO 1973 idF BGBl. 325/1990, in eventu der Wortfolge "zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Abfallwirtschaftsgesetzes mehr als 100", in eventu der Wortfolge "zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Abfallwirtschaftsgesetzes" dieser Bestimmung, als verfassungswidrig.
2. Zur Antragslegitimation bringen die Antragsteller vor, daß sie durch die Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Bestimmungen in ihren Rechten unmittelbar verletzt seien. Durch die angefochtenen Bestimmungen werde ihnen eine Rechtspflicht - die Pflicht zur Erstellung und Vorlage eines Abfallwirtschaftskonzeptes an die Behörde - auferlegt, die in ihre Rechtssphäre tatsächlich und unmittelbar nachteilig eingreife und ihre Interessen aktuell beeinträchtige. Ein anderer zumutbarer Weg zur Bekämpfung der angefochtenen Bestimmungen stehe ihnen nicht zur Verfügung.
Die antragstellenden Gesellschaften begründen ihre Anträge im einzelnen damit, daß die in den angefochtenen Bestimmungen normierte Pflicht zur Erstellung und Vorlage eines Abfallwirtschaftskonzeptes von "Zufälligkeiten" und "manipulativen Umständen" abhänge, sachlich nicht gerechtfertigt sei und daher dem Gleichheitsgrundsatz widerspreche.
Die Normierung einer Rechtspflicht nur für gewisse Anlagen durch Abstellen auf die Anzahl der in diesem Betrieb zu einem bestimmten Zeitpunkt (1. Juli 1990) beschäftigten Arbeitnehmer führe zu "Zufälligkeiten" dadurch, daß die jeweilige Zahl der Arbeitnehmer, damit aber das Entstehen dieser Rechtspflicht davon abhängig sei, ob ein Hotelbetrieb im Winter- oder Sommerfremdenverkehr tätig sei, bzw. davon, ob der Betrieb einer Anlage am Stichtag zufällig durch Umstände wie Umbauarbeiten gestört sei. Möglichkeiten für Manipulationen ergäben sich durch kurzfristigen Abbau von Arbeitnehmern.
Insgesamt würden sohin gleiche Betriebsanlagen ohne sachliche Rechtfertigung einer unterschiedlichen gesetzlichen Pflicht zur Erstellung und Vorlage eines Abfallwirtschaftskonzeptes unterliegen, "weil ein von verschiedensten Umständen (seien sie zufälliger oder manipulativer Natur) abhängiger und beeinflußbarer Ist-Zustand (nämlich die Anzahl der ... Arbeitnehmer) auf einen willkürlich festgelegten Stichtag bezogen wird".
3. Die Bundesregierung beantragt in ihrer Äußerung, den Antrag der zweitantragstellenden Gesellschaft zur Gänze mangels Antragslegitimation zurückzuweisen, den Antrag der antragstellenden Gesellschaften auf Aufhebung des §45 Abs6 AWG mangels Betroffenheit zurückzuweisen, im übrigen den Antrag auf Aufhebung des §376 Z11 Abs4 GewO 1973 abzuweisen, hinsichtlich der Eventualanträge zurückzuweisen.
Inhaltlich seien die angefochtenen Bestimmungen des §376 Z11 Abs4 GewO 1973 bzw. §45 Abs6 AWG als "einfache und leicht handhabbare Regelungen" im Rahmen einer Durchschnittsbetrachtung sachlich gerechtfertigt. "Der Gesetzgeber hat durch die in den angefochtenen Gesetzesstellen erfolgte Festlegung eines Stichtages die Zielsetzung der Vereinfachung und Verwaltungsökonomie auch nicht in einem Ausmaß verfolgt, das die Regelung unsachlich erscheinen ließe."
Der Gesetzgeber sei aus dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes auch nicht verhalten, auf die Möglichkeit der Umgehung der durch die angefochtenen Bestimmungen bewirkten gesetzlichen Pflicht ausdrücklich Bedacht zu nehmen, "zumal durch die Ab- und Wiederanmeldung von Arbeitnehmern ein weitaus höherer wirtschaftlicher und organisatorischer Aufwand und wohl auch wesentlich höhere Kosten entstanden wären, als bei Erstellung eines Abfallwirtschaftskonzeptes".
Im übrigen seien die angefochtenen Bestimmungen bloße Übergangsregelungen, da jeder Betrieb bei einer gewerberechtlich relevanten Änderung einer bestehenden Anlage unabhängig von der Anzahl der beschäftigten Arbeitnehmer verpflichtet sei, ein Abfallwirtschaftskonzept zu erstellen, was "im Laufe der Zeit ohnehin für die meisten oder gar alle Anlagen und Betriebe in Österreich" der Fall sein werde.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß Art140 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg. 8009/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, daß das Gesetz in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie - im Fall seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt. Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art140 Abs1 letzter Satz B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl. zB VfSlg. 8594/1979, 10353/1985, 11730/1988).
1.1. Da die zweitantragstellende Gesellschaft nach den Antragsvorbringen keine den Rechtspflichten der angefochtenen Bestimmungen unterliegende Betriebsanlage betreibt, ist durch diese Bestimmungen kein unmittelbarer Eingriff in ihre Rechtssphäre möglich, mag sie auch persönlich haftende Gesellschafterin der erstantragstellenden Gesellschaft sein (vgl. auch VfSlg. 11454/1987). Die Anträge der zweitantragstellenden Gesellschaft waren daher zur Gänze als unzulässig zurückzuweisen.
1.2. Aber auch die Anträge der erstantragstellenden Gesellschaft auf gänzliche oder teilweise Aufhebung des §45 Abs6 AWG sind unzulässig.
Gemäß §9 Abs1 zweiter Satz AWG sind gewerbliche Betriebsanlagen von der Genehmigungspflicht gemäß §9 Abs1 AWG ausgenommen. Die angefochtene Bestimmung des §45 Abs6 AWG, die auf §9 Abs1 AWG verweist, bezieht sich daher ausschließlich auf nach dem AWG genehmigungspflichtige Anlagen (arg. "derartige Anlagen"). Da die antragstellende Gesellschaft sohin von der Rechtspflicht des §45 Abs6 AWG von vornherein nicht betroffen sein kann, war ihr auf Aufhebung dieser Bestimmung gerichteter Antrag zurückzuweisen.
2.1. Soweit die Aufhebung des §376 Z11 Abs4 GewO 1973 beantragt wird, ist der Antrag der erstantragstellenden Gesellschaft zulässig. Die Verpflichtung dieser Gesellschaft zur Erstellung eines Abfallwirtschaftskonzeptes sowie zu dessen Vorlage an die Behörde beruht unmittelbar auf dem Gesetz; ihre Vernachlässigung führt zur Einleitung von Strafverfahren. Ein derartiges Strafverfahren zur Erwirkung eines letztlich vor dem Verfassungsgerichtshof anfechtbaren Bescheides ist der erstantragstellenden Gesellschaft nicht zumutbar (VfSlg. 8396/1978, 9253/1981, 9826/1983, 11454/1987).
2.2. §376 Z11 Abs3 und 4 sowie die damit in Zusammenhang stehenden §§77 Abs4 und 353 Z1 GewO 1973, jeweils idF BGBl. 325/1990, lauten:
"(3) Auf die am 1. Juli 1990 bereits genehmigten Betriebsanlagen sowie auf Betriebsanlagen, für die in diesem Zeitpunkt ein Genehmigungsverfahren anhängig ist, ist §77 Abs4 nicht anzuwenden.
(4) Für Betriebsanlagen gemäß Abs3, in denen zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Abfallwirtschaftsgesetzes mehr als 100 Arbeitnehmer beschäftigt sind, ist bis zum 1. Juli 1993 ein Abfallwirtschaftskonzept gemäß §353 Z1 litc zu erstellen und der Behörde auf Verlangen vorzulegen."
"(4) Die Betriebsanlage ist erforderlichenfalls unter Vorschreibung bestimmter geeigneter Auflagen zu genehmigen, wenn die Abfälle (§2 Abfallwirtschaftsgesetz) nach dem Stand der Technik (§71 a) vermieden oder verwertet oder, soweit dies wirtschaftlich nicht vertretbar ist, ordnungsgemäß entsorgt werden. Ausgenommen davon sind Betriebsanlagen, soweit deren Abfälle nach Art und Menge mit denen der privaten Haushalte vergleichbar sind."
"Dem Ansuchen um Genehmigung einer Betriebsanlage sind folgende Unterlagen anzuschließen:
1. in vierfacher Ausfertigung
a)
...
b)
...
c)
eine Beschreibung der beim Betrieb der Anlage zu erwartenden Abfälle und der betrieblichen Vorkehrungen zu deren Vermeidung, Verwertung und Entsorgung (Abfallwirtschaftskonzept) sowie
d)
..."
2.3. Die von der erstantragstellenden Gesellschaft gegen §376 Z11 Abs4 GewO 1973 aus dem Grunde der Verletzung des Gleichheitssatzes vorgetragenen Bedenken teilt der Verfassungsgerichtshof - bei verfassungskonformer Interpretation der angefochtenen Gesetzesbestimmung - nicht.
Die rechtliche Regelung differenziert in einer vom Standpunkt des Gleichheitssatzes (wie die Bundesregierung zu Recht hervorhebt und auch von der antragstellenden Gesellschaft nicht bezweifelt wird) verfassungsrechtlich unbedenklichen Weise zwischen Betriebsanlagen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verpflichtung für Betriebsanlageninhaber, ein Abfallwirtschaftskonzept zu erstellen, das war der 1. Juli 1990, bereits genehmigt oder zumindest zur Genehmigung beantragt waren (Altanlagen), einerseits und den nach diesem Zeitpunkt zur Genehmigung oder zu deren Änderung beantragten gewerblichen Betriebsanlagen andererseits, für welche das Abfallwirtschaftskonzept ein zwingender Bestandteil des Antrages ist und bei der Erteilung der Genehmigung zu entsprechenden Auflagen im Genehmigungsbescheid führen kann. Es ist jedenfalls sachlich gerechtfertigt, daß Altanlagen im Hinblick auf die bereits erworbene Betriebsberechtigung und die für den Betrieb der Anlage getätigten Investitionen vom Gesetzgeber abfallwirtschaftsrechtlich anders behandelt werden als Betriebsanlagen, bei denen das Verfahren zur Genehmigung ihrer Errichtung oder Änderung noch nicht abgeschlossen ist.
Der Gesetzgeber unterscheidet darüber hinaus aber auch bei Altanlagen hinsichtlich der Verpflichtung zur Erstellung eines Abfallwirtschaftskonzeptes: Für Altanlagen, in denen am 1. Juli 1990, d.i. der Zeitpunkt des Inkrafttretens des Abfallwirtschaftsgesetzes, "mehr als 100 Arbeitnehmer beschäftigt sind", muß binnen drei Jahren ein Abfallwirtschaftskonzept erstellt werden, für alte Betriebsanlagen, die nicht mehr als einhundert Arbeitnehmer beschäftigten, entfällt diese Verpflichtung.
Die antragstellende Gesellschaft ist - entgegen der Auffassung der Bundesregierung - im Recht, wenn sie eine Regelung für gleichheitswidrig hält, mit der für Betriebsanlagen die Erstellung eines Abfallwirtschaftskonzeptes verpflichtend vorgeschrieben wird, die lediglich zu einem bestimmten Zeitpunkt, d. i. zum Stichtag 1. Juli 1990, die vom Gesetzgeber dafür geforderte Zahl an beschäftigten Arbeitnehmern (über einhundert) aufweisen, Betriebsanlagen derselben Größenordnung, welche die Zahl von mehr als einhundert Arbeitnehmern erst später erreichen, aber von der Verpflichtung ausnimmt. Ist es der Sinn der Stichtagsregelung des §376 Z11 Abs4 GewO 1973, jedenfalls Anlagen, die - bereits - zu diesem Zeitpunkt eine bestimmte Mindestgröße (gemessen an der Zahl der Arbeitnehmer) aufweisen, der Verpflichtung zur Erstellung eines Abfallwirtschaftskonzeptes zu unterwerfen, so gibt es keinen einsichtigen Grund, Betriebsanlagen von der Verpflichtung auszunehmen, die erst später jene (anhand der Zahl der Arbeitnehmer errechnete) Größe aufweisen. Ansonsten wäre es nicht nur von Zufälligkeiten abhängig, sondern unter Umständen auch der Manipulation des Betriebsinhabers überlassen, Betriebe einer Größenordnung, für die der Gesetzgeber an sich ein verpflichtendes Abfallwirtschaftskonzept für notwendig erachtete, nur deshalb jener Verpflichtung zu entheben, weil sie gerade am Stichtag die dafür vorgeschriebene Arbeitnehmerzahl von mehr als einhundert nicht aufwiesen. Am Stichtag zur Genehmigung erst beantragte Betriebsanlagen, in denen zwangsläufig zu diesem Zeitpunkt noch keine Arbeitnehmer beschäftigt waren, wären außerdem von der Verpflichtung zur Erstellung des Abfallwirtschaftskonzeptes überhaupt befreit, mögen sie auch nach Aufnahme ihres Betriebes diese Kennzahl bei weitem überschreiten.
Der Verfassungsgerichtshof hat bereits früher (in VfSlg. 7708/1975) eine gesetzliche Stichtagsregelung mit dem Gleichheitssatz für unvereinbar gehalten, derzufolge "es von den verschiedensten Zufälligkeiten abhängt, vor allem aber auch von manipulativen Umständen", ob eine bestimmte Rechtsfolge eintritt. In einer mit der hier erörterten durchaus vergleichbaren rechtlichen Situation hat der Verfassungsgerichtshof ferner in VfSlg. 12831/1991 ausgesprochen, daß die Stichtagsregelung des §253 Abs1 ASVG verfassungswidrig war, weil diese in sachlich nicht gerechtfertigter Weise das Anliegen des Gesetzgebers, "daß Voraussetzung für das Entstehen eines Anspruches auf Alterspension sein soll, daß der Anspruchswerber in den Ruhestand tritt", lediglich dadurch zu verwirklichen suchte, daß der Betroffene "an einem bestimmten Tag" keiner versicherungspflichtigen Tätigkeit nachgeht. Durch §376 Z11 Abs4 GewO 1973 will der Gesetzgeber Inhaber von Betriebsanlagen, in welchen mehr als einhundert Arbeitnehmer beschäftigt sind und die deshalb eine Größe erreicht haben, welche die Erstellung eines Abfallwirtschaftskonzeptes nach der Absicht des Gesetzgebers notwendig macht, zur Erstellung des Abfallwirtschaftskonzeptes verpflichten. Es wäre sachlich nicht gerechtfertigt, hätte sich der Gesetzgeber für den Entfall dieser Verpflichtung damit begnügt, auf einen einzigen (Stich-)Tag abzustellen, an dem in der Altanlage mit nicht mehr als einhundert Arbeitnehmern das Auslangen gefunden wird, mag auch dieselbe Anlage von ihrer Dimension her beim dem Stichtag nachfolgenden Betrieb einer größeren Zahl von Arbeitnehmern und dementsprechend eines Abfallwirtschaftskonzeptes bedürfen.
Nichts zwingt jedoch, der Verpflichtung des §376 Z11 Abs4 GewO 1973 eine derartige, ausschließlich auf den Stichtag 1. Juli 1990 bezogene Beschränkung zu entnehmen. Zwar soll - wohl im Interesse der Verwaltungsvereinfachung - kraft §376 Z11 Abs4 GewO 1973 bei Altanlagen die Zahl der Arbeitnehmer vor dem Stichtag, also dem 1. Juli 1990, für die Verpflichtung zur Erstellung eines Abfallwirtschaftskonzeptes unerheblich sein. Im übrigen muß aber die Regelung insoweit als lückenhaft verstanden werden, als in §376 Z11 Abs3 und 4 GewO 1973 für jene Altanlagen (einschließlich der Anlagen, für die am Stichtag ein Genehmigungsverfahren anhängig war) nichts ausdrücklich angeordnet wird, die erst nach dem 1. Juli 1990 die Grenze von einhundert dort beschäftigten Arbeitnehmern überschritten haben. Ist aber die Regelung insoferne lückenhaft, so gebietet bereits der Grundsatz verfassungskonformer, mit dem Gleichheitssatz vereinbarer Anwendung der Bestimmung des §376 Z11 Abs4 GewO 1973, daß nicht nur die Inhaber von Betriebsanlagen, die bereits zum 1. Juli 1990 die Zahl von einhundert dort beschäftigten Arbeitnehmern überschritten haben, sondern auch die Inhaber aller jener Altanlagen, die erst später diese für die Verpflichtung zur Erstellung eines Abfallwirtschaftskonzeptes gesetzlich festgelegte Grenze erreicht haben und erreichen, von der diesbezüglichen Verpflichtung betroffen sind. Dieser analogen Anwendung der Verpflichtung zur Erstellung und zur Vorlage eines Abfallwirtschaftskonzeptes auf Altanlagen, die - wann auch immer - nach dem 1. Juli 1990 die Zahl von einhundert Arbeitnehmern überschritten haben (mag diese Zahl auch später wieder unter die genannte Grenze gefallen sein), steht auch der Wortlaut des §376 Z11 Abs4 GewO 1973 nicht entgegen. So gesehen sind die Bedenken der antragstellenden Gesellschaft gegen §376 Z11 Abs4 GewO 1973 unbegründet. Ihr Antrag auf Aufhebung dieser Bestimmung, in eventu einzelner Wortfolgen dieser Bestimmung, war sohin abzuweisen.
III. Diese Entscheidung konnte
vom Verfassungsgerichtshof gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
VfGH / Individualantrag, Abfallwirtschaft, Gewerberecht, Betriebsanlage, Übergangsbestimmung, Stichtag (Betriebsanlage Abfallwirtschaft), Auslegung verfassungskonforme, AnalogieEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1994:G83.1993Dokumentnummer
JFT_10059375_93G00083_00