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10/07 VerwaltungsgerichtshofNorm
AsylG 2005 §54 Abs1 Z1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulzbacher und den Hofrat Dr. Pfiel als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gegen Spruchpunkt A.II. des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30. September 2021, W232 2237833-1/8E, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 25. Oktober 2021, W232 2237833-1/11Z, betreffend Feststellung der Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung und Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 (mitbeteiligte Partei: S D), zu Recht erkannt:
Spruch
Das bekämpfte Erkenntnis wird im Umfang seiner Anfechtung (Spruchpunkt A.II.) wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes aufgehoben.
Begründung
1 Der Mitbeteiligte ist Staatsangehöriger von Serbien und Nordmazedonien. Er ist seit März 2012 mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet und hält sich seit August 2012 durchgehend mit Hauptwohnsitz im Bundesgebiet auf, wo ihm Aufenthaltstitel als „Familienangehöriger“, zuletzt mit Gültigkeit bis zum 26. Juli 2018, erteilt wurden. Am 13. Juli 2018 stellte er dazu rechtzeitig einen Verlängerungsantrag.
2 In dem darüber abgeführten Verfahren kam hervor, dass es sich bei den vom Mitbeteiligten bislang vorgelegten A2 - Sprachzertifikaten um Totalfälschungen gehandelt hatte, womit das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) von der Niederlassungsbehörde befasst wurde.
3 Mit Bescheid vom 9. November 2020 erließ das BFA daraufhin gegen den Mitbeteiligten gemäß § 52 Abs. 4 FPG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung. Das BFA stellte unter einem gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG „nach Serbien, Nordmazedonien“ zulässig sei, und bestimmte gemäß § 55 FPG eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise.
4 Mit dem nach mündlicher Verhandlung ergangenen Erkenntnis vom 30. September 2021 gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) einer gegen den genannten Bescheid erhobenen Beschwerde des Mitbeteiligten statt und behob den angefochtenen Bescheid des BFA ersatzlos (Spruchpunk A.I.). Das BVwG stellte darüber hinaus „in Erledigung der Beschwerde“ fest, dass gemäß § 9 Abs. 2 und 3 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei, und es erteilte dem Mitbeteiligten gemäß § 58 Abs. 2 iVm § 55 Abs. 1 und § 54 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 den Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung plus“ für die Dauer von zwölf Monaten (Spruchpunkt A.II.). Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das BVwG (in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 25. Oktober 2021) noch aus, dass die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
5 Dabei ging das BVwG davon aus, dass die gemäß § 9 BFA-VG für die Rückkehrentscheidung vorzunehmende Interessenabwägung unter Berücksichtigung des langjährigen, mit der österreichischen Ehefrau, die aufgrund ihrer Invalidität im Alltag auf die Hilfe des Mitbeteiligten angewiesen sei, geführten Familienlebens, seiner sozialen und beruflichen Integration im Bundesgebiet sowie in der mündlichen Beschwerdeverhandlung gezeigter guter Deutschkenntnisse zu Gunsten des unbescholtenen Mitbeteiligten auszufallen habe.
6 Gegen Spruchpunkt A.II. dieses Erkenntnisses richtet sich die vorliegende - der Sache nach: außerordentliche - Amtsrevision des BFA, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Durchführung eines Vorverfahrens, in dessen Rahmen keine Revisionsbeantwortung erstattet wurde, in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen hat:
7 Das BVwG war vor dem Hintergrund des § 25 Abs. 2 dritter Satz NAG zu den in der Amtsrevision bekämpften Aussprüchen nicht berechtigt, wozu gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Entscheidungsgründe des in der Amtsrevision (unter anderem) ins Treffen geführten Erkenntnisses VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0224, insbesondere Rn. 15 und 18, verwiesen werden kann (siehe dazu auch VwGH 17.11.2016, Ra 2016/21/0193, Rn. 10, und VwGH 15.3.2018, Ra 2018/21/0017, Rn. 8).
8 Das BVwG hätte sich also, wie von der Amtsrevision richtig ausgeführt wird, darauf beschränken müssen, den angefochtenen Bescheid des BFA vom 9. November 2020 ersatzlos zu beheben (so der unangefochten gebliebene Spruchpunkt A.I. seines Erkenntnisses). Im Verlängerungsverfahren ist dann gemäß § 25 Abs. 2 dritter Satz NAG von der Niederlassungsbehörde ein „Aufenthaltstitel mit dem gleichen Zweckumfang“ zu erteilen, das heißt dem Verlängerungsantrag stattzugeben und der bisherige Aufenthaltstitel erneut (allenfalls aber auch ein anderer nunmehr in Betracht kommender Aufenthaltstitel nach dem NAG) auszustellen (vgl. VwGH 24.1.2019, Ra 2018/21/0227, Rn. 10).
9 Das gegenständliche Erkenntnis ist daher im Umfang seiner Anfechtung mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes behaftet, weshalb es insoweit gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG aufzuheben war.
Wien, am 10. März 2022
Schlagworte
Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021210326.L00Im RIS seit
08.04.2022Zuletzt aktualisiert am
12.04.2022