TE OGH 2022/2/21 1Ob238/21p

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Veröffentlicht am 21.02.2022
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat Mag. Dr. Wurdinger als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer, Dr. Parzmayr und MMag. Sloboda als weitere Richter in der Familienrechtssache des Antragstellers H*, vertreten durch Dr. Gabriele Schubert, Rechtsanwältin in Baden, gegen die Antragsgegnerin A*, vertreten durch Dr. Heinz-Eckard Lackner, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufteilung der ehelichen Ersparnisse und des ehelichen Gebrauchsvermögens, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 16. November 2021, GZ 16 R 205/21t-90a, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Baden vom 21. Mai 2021, GZ 3 Fam 50/19t-84, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten seiner Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung:

[1]       Die im Jahr 2008 geschlossene Ehe der Streitteile wurde mit dem seit September 2017 rechtskräftigen Urteil des Erstgerichts aus gleichteiligem Verschulden geschieden; die eheliche Gemeinschaft ist seit dem Jahr 2015 aufgehoben. Die Ehewohnung befand sich auf einer Liegenschaft, die im Alleineigentum des Antragstellers steht und von diesem samt dem darauf befindlichen Haus in die Ehe eingebracht worden war. Die Antragsgegnerin bewohnt dieses Haus weiterhin. Sie erwarb bereits vor Eheschließung eine Liegenschaft mit einem darauf errichteten Haus, die sie mit einem (endfälligen) Fremdwährungskredit finanzierte. Sie ist darüber hinaus Eigentümerin eines Mehrparteienhauses (Zinshauses) in B*.

[2]            Das Erstgericht verpflichtete die Antragsgegnerin (unter anderem), die (vormalige) Ehewohnung unter Mitnahme der von ihr in die Ehe eingebrachten Fahrnisse zu räumen, wies ihren Antrag, ihr ein lebenslanges Wohnrecht daran einzuräumen, ab und sprach aus, dass der Antragsteller schuldig sei, ihr eine Ausgleichszahlung von 10.000 EUR zu zahlen. Den von der Antragsgegnerin zur Abdeckung des Fremdwährungskredits zum Aufteilungsstichtag angesparten Tilgungsträger bezog es wertmäßig in die Aufteilungsmasse ein.

[3]       Dem von der Antragsgegnerin erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz nicht Folge. Rechtlich führte es – soweit für das Revisionsrekursverfahren noch von Relevanz – aus, in der Rechtsprechung werde vertreten, dass eine in die Ehe eingebrachte, fremdfinanzierte Liegenschaft eine Wertsteigerung erfahre, die als eheliche Errungenschaft anzusehen und in die Aufteilung einzubeziehen sei, wenn die Kreditbelastung mit während der Ehe erwirtschafteten Mitteln verringert werde. Dieser Grundsatz sei auf den zur Deckung des Fremdwährungskredits der Antragsgegnerin während aufrechter Ehe angesparten Tilgungsträger zu übertragen, der insoweit auch in die Aufteilung einzubeziehen sei. Die Antragsgegnerin sei Eigentümerin einer Liegenschaft mit einem darauf errichteten Wochenendhaus und damit nicht auf die (ehemalige) Ehewohnung zur Befriedigung ihres Wohnbedürfnisses angewiesen. Selbst wenn sie allein mit ihrem Pensionseinkommen finanziell nicht in der Lage sein sollte, ihr Haus bewohnbar zu machen, sei es ihr zumutbar, zu diesem Zweck auf ihre sonstigen Vermögenswerte zuzugreifen.

Rechtliche Beurteilung

[4]       Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsgegnerin, in dem sie keine Rechtsfragen von der Bedeutung gemäß § 62 Abs 1 AußStrG aufzeigen kann.

[5]       1.1 Die Antragsgegnerin behauptet eine Mangelhaftigkeit der Entscheidung zweiter Instanz, weil das Rekursgericht ihre Beweisrüge zu dem vom Erstgericht angenommenen Wert ihres Zinshauses in B* und dem von ihr aus der Vermietung lukrierten Einkommen nicht erledigt habe, obwohl es in seiner Entscheidung von diesen Feststellungen ausgegangen sei.

[6]       1.2 Damit spricht die Antragsgegnerin schon deshalb keinen Mangel des Rekursverfahrens im Sinn des § 66 Abs 1 Z 2 AußStrG an, weil das Rekursgericht entgegen ihrer Darstellung im Revisionsrekurs nicht von den angegriffenen Feststellungen ausgegangen ist, sondern lediglich darlegte, dass der Wert der Liegenschaft auch unter Zugrundelegung der in ihrem Rechtsmittel genannten Prämissen die darauf lastenden Schulden um mehr als das Doppelte übersteige. Die Frage, ob ihr eine Veräußerung dieser Liegenschaft grundsätzlich zumutbar ist, um ihr Wohnbedürfnis auf anderem Weg als durch die von ihr auch noch in dritter Instanz angestrebte Einräumung eines Wohnrechts an der vormaligen Ehewohnung zu befriedigen, betrifft aber ausschließlich die rechtliche Beurteilung.

[7]       2.1 Trotz Fehlens einer ausdrücklichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einer konkreten Fallgestaltung liegt dann keine erhebliche Rechtsfrage vor, wenn die Lösung trotz neuer Sachverhaltselemente bereits mit Hilfe vorhandener Leitlinien höchstgerichtlicher Rechtsprechung erfolgen kann (RIS-Justiz RS0042656 [T48]; vgl auch Lovrek in Fasching/Konecny³ § 502 ZPO Rz 33).

[8]       2.2 Im Revisionsrekursverfahren ist nicht mehr strittig, dass sowohl die Liegenschaft mit der Ehewohnung als auch die von der Antragsgegnerin vor Eheschließung mit einem Fremdwährungskredit finanzierte Liegenschaft im Sinn des § 82 Abs 1 Z 1 EheG von der Aufteilung ausgenommen sind. Nach der Judikatur zählt jedoch die Wertsteigerung einer in das Aufteilungsverfahren nicht einzubeziehenden Liegenschaft zur Aufteilungsmasse, wenn sie nicht nur auf die allgemeine Werterhöhung, sondern auf gemeinsame Anstrengungen der Ehepartner zurückzuführen ist (RS0057308; vgl RS0057363). Dadurch soll erreicht werden, dass derjenige Teil, der Sachgüter in die Gemeinschaft eingebracht hat, nicht auch jenen Wertzuwachs erhält, der durch die Verdienste des anderen Ehepartners bewirkt wurde (RS0057644 [T5]). Der Fachsenat hat daher bereits wiederholt ausgesprochen, dass die von einem (oder auch beiden) Ehepartnern in die Ehe eingebrachte, aber fremdfinanzierte Liegenschaft eine als eheliche Errungenschaft anzusehende und in die Aufteilung miteinzubeziehende Wertsteigerung erfährt, soweit der Kredit aus während aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft erwirtschafteten Mitteln vermindert wird. Werden keine weiteren Investitionen, Sanierungs- oder Umbauarbeiten während dieser Zeit erbracht, entspricht die auf der Kredittilgung beruhende Wertsteigerung einer Liegenschaft in der Regel betragsmäßig der Reduktion des Kreditsaldos (RS0130671; vgl auch 1 Ob 191/12p).

[9]       2.Ähnliches hat zu gelten, wenn ein Ehepartner, wie im vorliegenden Fall die Antragsgegnerin, eine mit einem Fremdwährungskredit finanzierte Liegenschaft in die Ehe einbringt, der nicht durch regelmäßige Ratenzahlungen abgetragen, sondern bei Ende der Laufzeit mittels eines angesparten Tilgungsträgers getilgt werden soll. Im Rahmen der Billigkeitsentscheidung (§ 83 Abs 1 EheG) ist nämlich ausschlaggebend, welche Wertschöpfung während der aufrechten Ehe geschaffen wurde und welche Beiträge die Ehegatten geleistet haben. Zur Frage, ob ein erhebliches Überwiegen der Wertschöpfung während aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft vorliegt, und die eingebrachte Sache selbst (in natura) zur Aufteilung zur Verfügung steht, hat der Senat bereits ausgesprochen, dass auf die durch Schuldentilgung unter Einbeziehung der Tilgungsträger erzielte Wertschöpfung abzustellen ist (1 Ob 55/19y).

[10]           2.4 Zwar zeigt sich eine Wertsteigerung der Liegenschaft bei der von der Antragsgegnerin gewählten Finanzierungsvariante anders als bei einer durch regelmäßige Ratenzahlungen bewirkten Verminderung der Kreditverbindlichkeiten nicht schon zum Aufteilungsstichtag. Ihrem Zweck nach dienen die während der ehelichen Gemeinschaft am Tilgungsträger angesparten Beträge aber ausschließlich der Abdeckung der von der Antragsgegnerin vor der Ehe eingegangenen Kreditverbindlichkeit und schlagen sich bei Fälligkeit des Fremdwährungskredits in einer entsprechenden Wertschöpfung betreffend die Liegenschaft nieder. Diese Wertschöpfung von der Aufteilung auszunehmen wäre schon deshalb nicht sachgerecht, weil der während der ehelichen Gemeinschaft angesparte Betrag ohne seine Zweckbindung zur Kredittilgung jedenfalls als eheliche Ersparnis einzubeziehen wäre. Damit ist es nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanzen den am Tilgungsträger angesparten Betrag wertmäßig berücksichtigten. Dem hält die Antragsgegnerin im Wesentlichen den erheblichen Anstieg der Verbindlichkeit aus dem Fremdwährungskredit entgegen. Damit spricht sie aber schon deshalb keine erhebliche Rechtsfrage an, weil der in Rede stehende Fremdwährungskredit in keinem Zusammenhang mit der ehelichen Lebensführung steht (vgl § 83 Abs 1 EheG) und daher auch nicht aus Billigkeitserwägungen berücksichtigt werden kann.

[11]           3. Eine erhebliche Rechtsfrage kann die Antragsgegnerin auch zur unterbliebenen Einbeziehung der Ehewohnung nach § 82 Abs 2 EheG nicht aufzeigen. Bereits das Rekursgericht hat zutreffend ausgeführt, dass ein dringendes Wohnbedürfnis nach dieser Bestimmung eine existentielle Bedrohung im Sinne einer länger dauernden Obdachlosigkeit voraussetzt (RS0058357 [T6]; RS0058370). Ein existenzielles Angewiesensein auf eine bestimmte Wohnung wird etwa dann verneint, wenn schon das laufende Einkommen den ehemaligen Ehegatten in die Lage versetzt, sich eine – wenn auch bescheidene – Wohnmöglichkeit selbst zu finanzieren (RS0058370 [T9]). Nach den Feststellungen ist zwar ein Betrag von 8.000 EUR erforderlich, um das Haus auf der in ihrem Eigentum stehenden Liegenschaft bewohnbar zu machen. Diesen Aufwand kann die Antragsgegnerin aber schon mit der ihr zuerkannten Ausgleichszahlung bestreiten. Soweit sie erneut auf den Anstieg der auf dieser Liegenschaft haftenden Verbindlichkeiten verweist und meint, es sei ihr deswegen unzumutbar, auf das darauf errichtete Haus verwiesen zu werden, zeigt sie ohnedies selbst auf, dass es ihr wirtschaftlich möglich wäre, diese Verbindlichkeiten abzutragen, ohne ihr Zinshaus in B* veräußern zu müssen. Ein im Sinn der oben wiedergegebenen Judikatur dringendes Wohnbedürfnis an der vormaligen Ehewohnung und damit eine im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung der Frage, ob ihr daran ein Wohnrecht einzuräumen sei, kann sie mit dieser Argumentation nicht darlegen.

[12]                    4. Einer weitergehenden Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

[13]     5. Die vom Antragsteller ohne Freistellung gemäß § 71 Abs 2 AußStrG durch den Obersten Gerichtshof erstattete Rechtsmittelbeantwortung ist nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig und damit auch nicht zu honorieren (§ 508a Abs 2 ZPO analog; RS0124792 [T3]).

Textnummer

E134343

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2022:0010OB00238.21P.0221.000

Im RIS seit

08.04.2022

Zuletzt aktualisiert am

08.04.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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