TE OGH 2022/3/24 15Os17/22x

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Veröffentlicht am 24.03.2022
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. März 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in der Strafsache gegen * M* wegen des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 1, 130 Abs 2 (iVm § 130 Abs 1) StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 5. November 2021, GZ 39 Hv 112/21v-95, nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich (§ 62 Abs 1 zweiter Satz OGH-Geo 2019) zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der rechtlichen Unterstellung der vom Schuldspruch zu 1./ erfassten Tat (auch) nach § 130 Abs 2 (iVm § 130 Abs 1 erster Fall StGB), demzufolge auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Salzburg verwiesen.

Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1]       Mit dem angefochtenen Urteil wurde * M* des Verbrechens des „gewerbsmäßig schweren“ Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 1 und 130 Abs 2 (iVm § 130 Abs 1) StGB (1./) und des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (2./) schuldig erkannt.

[2]       Danach hat er im Zeitraum 14. August 2019 bis 16. August 2019 in M* im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit unbekannten Mittätern (§ 12 StGB)

1./ Gewahrsamsträgern des Geschäfts „B*“ fremde bewegliche Sachen gewerbsmäßig (§ 70 Abs 1 Z 3 zweiter Fall StGB) in einem 5.000 Euro übersteigenden Wert durch Einbruch, nämlich Bargeld in Höhe von 151,97 Euro, Damenschuhe im Gesamtwert von 28.644,42 Euro, Herrenschuhe im Gesamtwert von 10.765,77 Euro, Sportschuhe im Gesamtwert von 1.845,22 Euro, Sport- und Freizeitbekleidung im Gesamtwert von 22.786,73 Euro, Taschen im Gesamtwert von 1.631,95 Euro und Gürtel im Gesamtwert von 460 Euro, mit dem Vorsatz weggenommen, sich oder Dritte durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem sie das Zylinderschloss abdrehten und die Schlossrosette abmontierten und dadurch in das Geschäftslokal gelangten;

2./ eine fremde Sache, nämlich die Alarmanlage des zu 1./ genannten Geschäftslokals, beschädigt, indem sie diese abzwickten, wodurch ein Schaden von 3.200 Euro entstand.

Rechtliche Beurteilung

[3]       Gegen dieses Urteil richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten * M*, die ihr Ziel verfehlt.

[4]       Die (ausdrückliche) Verneinung einer Nötigung des Angeklagten zur Tatbegehung durch seine Gläubiger (US 5) haben die Tatrichter auf den Umstand, dass es – abgesehen von den ohnehin erörterten Angaben des Angeklagten – keine Anhaltspunkte dafür gab, „dass der Angeklagte zur Tatbegehung in irgendeiner Form gedrängt wurde“, sowie auf die Erwägung gestützt, dass er immerhin einen Teil der Beute für sich eingefordert hatte (vgl auch US 4 zur Lukrierung eines „Lohns“ von 200 Euro neben der Abdeckung der Schulden von 2.500 Euro). Dem sinngemäßen Einwand der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zuwider ist dies unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden. Mit der Berufung auf diverse Details der Aussage des Angeklagten und mit nicht aktenbasierten Spekulationen und Behauptungen wird kein Begründungsdefizit iSd Z 5 dargetan, sondern bloß die tatrichterliche Beweiswürdigung (gleich einer – im kollegialgerichtlichen Verfahren jedoch unzulässigen – Schuldberufung) kritisiert.

[5]       Die Rechtsrüge (Z 9 [richtig] lit b) begehrt (unter lapidarem Hinweis darauf, dass „der Geldverleiher dem Angeklagten gedroht [habe], er werde schon sehen, was passiert“) Feststellungen zum Vorliegen eines entschuldigenden Notstands (§ 10 StGB). Sie übergeht dabei aber – entgegen den für die gesetzmäßige Ausführung eines materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrundes maßgeblichen Kriterien (RIS-Justiz RS0099810) – die dem entgegenstehenden, bereits erwähnten Urteilsaussagen (US 5).

[6]       Zur eingangs der Beschwerde weiters genannten Z 10 des § 281 Abs 1 StPO wurde kein Vorbringen erstattet; solcherart wird der herangezogene Nichtigkeitsgrund nicht deutlich und bestimmt bezeichnet (vgl §§ 285a Z 2, 285d Abs 1 Z 1 erster Fall StPO).

[7]       Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten * M* war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

[8]       Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch – gleichfalls im Einklang mit der Generalprokuratur – davon, dass dem angefochtenen Urteil hinsichtlich der rechtlichen Unterstellung der dem Schuldspruch 1./ zu Grunde liegenden Tat (auch) unter § 130 Abs 2 (iVm § 130 Abs 1 [erster Fall]) StGB eine vom Angeklagten nicht geltend gemachte Nichtigkeit (Z 10) anhaftet, die sich zu dessen Nachteil auswirkt und daher von Amts wegen wahrzunehmen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):

[9]       Ein Schuldspruch wegen gewerbsmäßiger Begehung (§ 70 StGB) setzt unter anderem Feststellungen hinsichtlich der zeitlichen Komponente der Absicht des Angeklagten voraus, sich durch die wiederkehrende Begehung der Tat ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen zu verschaffen (dazu eingehend Jerabek/Ropper in WK² StGB § 70 Rz 7; RIS-Justiz RS0107402, RS0092527). Die dazu fallaktuell bloß mit Hilfe der verba legalia getroffenen Urteilsannahmen (US 4, vgl auch US 5) weisen angesichts eines (einzigen) Angriffs mit dem (erreichten) Ziel einer Schuldentilgung (US 4) keinen im Sinn der Rechtsprechung ausreichenden Sachverhaltsbezug hinsichtlich der zeitlichen Komponente auf (vgl RIS-Justiz RS0119090; näher dazu auch 13 Os 87/19x) und stellen daher keine Tatsachengrundlage für die Subsumtion nach § 130 Abs 2 (iVm Abs 1 erster Fall) StGB dar (RIS-Justiz RS0107402 [T6 und T9]).

[10]     Der aufgezeigte Rechtsfehler mangels Feststellungen (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 605 f) erforderte daher die Aufhebung des Urteils im aus dem Spruch ersichtlichen Umfang.

[11]     Bleibt anzumerken, dass eine allfällige (vom Erstgericht offenbar intendierte) Subsumtion unter § 130 Abs 2 erster und zweiter Fall (iVm Abs 1 erster Fall) StGB auch deutlicher Feststellungen betreffend die Absicht auf wiederkehrende Begehung von Diebstählen durch Einbruch und in Bezug auf schweren Diebstahl (§ 128 Abs 1 StGB) bedarf.

[12]     Mit ihren Berufungen waren der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung zu verweisen.

[13]     Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO. Die Ersatzpflicht erstreckt sich nicht auf die mit dem amtswegigen Vorgehen verbundenen Kosten (RIS-Justiz RS0101558).

Textnummer

E134351

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2022:0150OS00017.22X.0324.000

Im RIS seit

08.04.2022

Zuletzt aktualisiert am

08.04.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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