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41 Innere AngelegenheitenNorm
B-VG Art144 Abs1 / AnlaßfallLeitsatz
Anlaßfallwirkung der Aufhebung des §3 Abs2 erster Satz MeldeG 1991 bzw Feststellung der Verfassungswidrigkeit des §3 Abs2 erster Satz MeldeG 1972 mit E v 17.06.94, G236,237/93.Spruch
Die Beschwerdeführerinnen sind durch die angefochtenen Bescheide wegen Anwendung eines verfassungwidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.
Die Bescheide werden aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, den Beschwerdeführerinnen zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit je S 29.130,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1.a) Die Beschwerdeführerin zu B1091/93 übermittelte mit Eingabe vom 30. Juli 1992 auf dem Postweg dem Bürgermeister der Stadtgemeinde Hohenems (Vorarlberg) Meldezettel, mit denen sie ihre polizeiliche Anmeldung vornehmen wollte. Beigelegt war eine Kopie des Reisepasses.
Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg (SiD Vlbg.) wies mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 8. April 1993 diesen Antrag auf polizeiliche Anmeldung gemäß §3 Abs2 des Meldegesetzes 1991, BGBl. 9/1992, (im folgenden: MeldeG 1991), ab; die zitierte Gesetzesbestimmung schließe eine Anmeldung im Postwege aus.
b) Gegen diesen Berufungsbescheid wendet sich die zu B1091/93 erhobene, auf Art144 B-VG gegründete Beschwerde, in der die Verletzung näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird. Die Beschwerdeführerin deutet an, daß §3 Abs2 des Meldegesetzes 1991, auf den der Bescheid ausdrücklich Bezug nimmt, verfassungswidrig sei.
c) Die SiD Vlbg. als belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch davon ab, eine Gegenschrift zu erstatten.
Der Bundesminister für Inneres erstattete eine Äußerung, in der er für die Abweisung der Beschwerde eintritt.
2.a) Die Beschwerdeführerin zu B1176/93 wurde mit dem aufgrund einer Berufung gegen ein Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn vom 17. August 1992 ergangenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg (UVS Vlbg.) vom 3. Mai 1993 schuldig erkannt, dadurch eine Verwaltungsübertretung nach §16 Z1 iVm §6 Abs1 und §3 Abs1 des Meldegesetzes 1972, BGBl. 30/1973 idF der Novelle BGBl. 427/1985, (im folgenden: MeldeG 1972), begangen zu haben, daß sie am 17. Jänner 1991 an einer bestimmten Anschrift in Dornbirn Unterkunft genommen und es bis zum 4. Juni 1991 unterlassen habe, sich polizeilich anzumelden. Über sie wurde eine Geld- und eine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt.
Der Bescheid wurde u.a. damit begründet, daß die Beschwerdeführerin zwar mit einem an den Bürgermeister der Stadt Dornbirn als Meldebehörde gerichteten Schreiben vom 4. Feber 1991 zwei Meldezettel sowie eine Kopie von zwei Doppelseiten ihres Reisepasses übermittelt habe, daß aber dem §3 Abs2 MeldeG 1972 zufolge eine Anmeldung auf postalischem Wege nicht zulässig sei.
b) Gegen diesen Bescheid wendet sich die zu B1176/93 eingebrachte, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird. Die Beschwerde wird ähnlich wie die zu B1091/93 erhobene (s.o. I.1.b) begründet.
c) Der UVS Vlbg. als belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der er die Verfassungsmäßigkeit des §3 Abs2 erster Satz MeldeG 1972 verteidigt und beantragt, die Beschwerde abzuweisen.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat am 30. September 1993 beschlossen, gemäß Art140 Abs1 B-VG die Verfassungsmäßigkeit jeweils des ersten Satzes des §3 Abs2 MeldeG 1991 (Anlaßbeschwerde: B1091/93) und des §3 Abs2 MeldeG 1972 (Anlaßbeschwerde: B1176/93) von Amts wegen zu prüfen.
Mit Erkenntnis vom 17. Juni 1994, G236,237/93, sprach er aus, daß §3 Abs2 erster Satz MeldeG 1991 als verfassungswidrig aufgehoben wird und daß §3 Abs2 erster Satz MeldeG 1972 verfassungswidrig war.
Die belangten Behörden haben jeweils eine verfassungswidrige Gesetzesbestimmung angewendet. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, daß ihre Anwendung für die Rechtsstellung der Beschwerdeführerinnen nachteilig war.
Die Beschwerdeführerinnen wurden also durch die angefochtenen Bescheide wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in ihren Rechten verletzt (zB VfSlg. 10404/1985).
Die Bescheide waren daher aufzuheben.
Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von (je) S 4.150,-- enthalten.
Schlagworte
VfGH / AnlaßfallEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1994:B1091.1993Dokumentnummer
JFT_10059375_93B01091_00