Index
L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
BauO Wr §129 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Pallitsch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 7. Dezember 1995, Zl. UVS-04/A/40/00406/95, betreffend Übertretung der Bauordnung für Wien (weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, vom 23. Mai 1978 wurde dem Beschwerdeführer als Eigentümer des Hauses Wien 15, G-Straße 80, gemäß § 129 Abs. 4 und 10 der Bauordnung für Wien (BO) u.a. der Auftrag erteilt:
"...
2.) Der schadhafte Verputz der Gassen- und Hofschauseite ist instandsetzen zu lassen.
3.) Die schadhaften äußeren hofseitigen Fensterflügel sind instandsetzen zu lassen.
...
Die Maßnahmen sind binnen 3 Monaten nach Rechtskraft dieses Bescheides durchzuführen.
..."
Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 15. Bezirk, vom 18. Juli 1995 wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt:
"Sie haben als Eigentümer des Hauses Wien 15, G-Straße 80, in der Zeit vom 5.10.1994 bis 10.3.1995 insoferne nicht dafür gesorgt, daß die Baulichkeit in gutem, der Baubewilligung und den Vorschriften der Bauordnung für Wien entsprechendem Zustand erhalten wurde, als Sie den schadhaften Verputz der Gassen- und Hofschauseite sowie die schadhaften äußeren hofseitigen Fensterflügel nicht instandsetzen ließen.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:
§ 135 Abs. 1 der Bauordnung für Wien, LGBl. Nr. 11/19930 in der geltenden Fassung in Verbindung mit § 129 Abs. 2 leg. cit. ..."
Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 135 Abs. 1 BO eine Geldstrafe von S 84.000,--, im Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreitsstrafe von 20 Tagen, verhängt.
Der dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung wurde mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 7. Dezember 1995 gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge gegeben.
In der Begründung führte die belangte Behörde aus, der Verputz der Hofschauseite des gegenständlichen Hauses sei - wie anläßlich des im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung durchgeführten Ortsaugenscheines festgestellt habe werden können - über weite Flächen derart desolat bzw. abgefallen, daß das Ziegelmauerwerk deutlich zu Tage trete. Das Ausmaß dieser hofseitig fehlenden Verputzflächen habe im Tatzeitraum etwa 30 Prozent der Gesamtfassade betragen und habe sich bis zum heutigen Tage noch weitaus vergrößert. Straßenseitig seien fehlende Verputzflächen mit freiliegendem Ziegelmauerwerk in geringerem Ausmaß vorhanden, jedoch über die gesamte Straßenfassade verteilt (vorwiegend im ebenerdigen Geschoß). Hofseitig gebe es kaum ein Fenster, dessen Verglasung noch komplett vorhanden sei; diese Fenster seien mit Styropor, Karton oder Brettern notdürftig verschlagen. In Einzelfällen seien Fensteraußenflügel gar nicht vorhanden. Der schadhafte Zustand des abfallenden Verputzes bestehe zum Teil seit über 8 Jahren. Die Behebung und Sanierung dieses Zustandes als auch die Erneuerung der gegenständlichen hofseitigen Fenster seien bereits Gegenstand eines vom Beschwerdeführer eingeholten Kostenvoranschlages vom 28. Mai 1990 gewesen. Trotz dieses Kostenvoranschlages und eines Sanierungsauftrages habe der Beschwerdeführer die Fassaden- und Fenstersanierung von einem dem Bauunternehmen L erteilten Sanierungsauftrag ausgeklammert. Der Beschwerdeführer sei somit seit 17 Jahren vom Bestehen der gegenständlichen Mängel in Kenntnis. Er sei bereits mehrfach wegen Unterlassung der Behebung der gegenständlichen Mängel bestraft worden (zuletzt mit Straferkenntnis vom 15. September 1994). Ihm sei daher die Verschuldensform der Wissentlichkeit anzulasten. Die Mängelbeseitigung sei nicht an der Finanzierbarkeit gescheitert, sondern vielmehr am starren Festhalten des Beschwerdeführers an seinem Konzept, die Mängel erst nach Durchführung von Umbauarbeiten beseitigen zu lassen. Durch die Verwaltungsübertretung habe der Beschwerdeführer das öffentliche Interesse an der unverzüglichen Beseitigung von Baumängeln zur Erhaltung eines guten Bauzustandes und damit letztendlich auch zum Schutz von Personen über einen längerem Zeitraum beträchtlich verletzt. Bei der Strafbemessung seien als erschwerend drei einschlägige Verwaltungsvorstrafen, die dieselben Mängel am selben Haus aus früheren Tatzeiträumen beträfen, zu berücksichtigen gewesen. Ausgehend von den bekanntgegebenen Einkommensverhältnissen und den beträchtlichen Vermögensverhältnissen des Beschwerdeführers sei die von der Strafbehörde erster Instanz festgesetzte Strafe angemessen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht, "nur bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen bestraft zu werden bzw. angemessen bestraft zu werden", verletzt. Er macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Beschwerdeführer replizierte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 135 Abs. 1 BO werden Übertretungen der Vorschriften dieses Gesetzes und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen mit Geld bis zu S 300.000,--, im Falle der Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu 6 Wochen bestraft.
Gemäß § 129 Abs. 2 BO hat der Eigentümer (jeder Miteigentümer) dafür zu sorgen, daß die Gebäude und die baulichen Anlagen (Gärten, Hofanlagen, Einfriedungen und dgl.) in gutem, der Baubewilligung und den Vorschriften dieser Bauordnung entsprechenden Zustand erhalten werden. Für Gebäude in Schutzzonen besteht darüberhinaus eine Verpflichtung, das Gebäude, die dazugehörigen Anlagen und die baulichen Ziergegenstände in stilgerechtem Zustand und nach den Bestimmungen des Bebauungsplanes zu erhalten.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei einer Verwaltungsübertretung nach § 129 Abs. 2 BO um ein Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 VStG. Das bedeutet, daß schon das bloße Nichterfüllen des Gebotes, Gebäude und deren Anlagen in gutem Zustand zu erhalten, als eine Verletzung der gesetzlichen Instandhaltungspflicht eine Strafe nach sich zieht, wenn der Eigentümer nicht aufzuzeigen vermag, daß er während des ihm angelasteten Tatzeitraumes alles in seinen Kräften Stehende (Ausschöpfung der tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten) unternommen hat, um das Baugebrechen innerhalb kürzester Zeit zu beseitigen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 10. Oktober 1995, Zl. 95/05/0225, m.w.N.). Ein Baugebrechen liegt dann vor, wenn sich der Zustand einer Baulichkeit derart verschlechtert, daß hiedurch öffentliche Interessen berührt werden. Beeinträchtigungen öffentlicher Interessen, die ein Einschreiten der Baubehörde rechtfertigen, sind die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Gesundheit und die gröbliche Störung der architektonischen Schönheit des Stadtbildes.
Auf Grund der von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen vermag es der Verwaltungsgerichtshof nicht für rechtswidrig zu erkennen, wenn die belangte Behörde vom Vorliegen eines die Instandhaltungspflicht des Beschwerdeführers auslösenden Baugebrechens ausgegangen ist. Ein Auftrag, den schadhaften Verputz instandzusetzen, ist bei Vorliegen entsprechender Verputzschäden im Gesetz begründet, da gewöhnliches Rohziegelmauerwerk gegen Witterungseinflüsse anfällig ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Jänner 1996, Zl. 95/05/0275). Das Beweisverfahren vor der belangten Behörde hat zweifelsfrei ergeben, daß die Fensterflügel des gegenständlichen Hauses an der Hofseite schadhaft sind und auf Grund ihres Zustandes die Sicherheit von Personen gefährdet ist. Auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens vor der belangten Behörde bedurfte es keiner Beiziehung eines Sachverständigen zur Feststellung der mangelnden Sicherheit des Gebäudes des Beschwerdeführers. Ob nämlich dritten Personen der Zutritt zum Innenhof verweigert wird, kann an der Instandsetzungspflicht des Beschwerdeführers gemäß § 129 Abs. 2 BO schon deshalb nichts ändern, weil sich das öffentliche Interesse an der gefahrlosen Benutzung des Grundstückes auch auf Personen erstreckt, die befugt den Innenhof betreten. Ein öffentliches Interesse, das die Behörde zum Einschreiten ermächtigt, ist - wie oben bereits dargelegt - immer schon dann gegeben, wenn durch den bestehenden Zustand eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit einer Person herbeigeführt oder vergrößert werden kann (vgl. hiezu nochmals das schon zitierte hg. Erkenntnis vom 23. Jänner 1996.
Ausgehend davon, daß eine Verletzung der gesetzlichen Instandhaltungspflicht schon vorliegt, wenn der Eigentümer nicht aufzuzeigen vermag, daß er während des ihm angelasteten Tatzeitraumes alles in seinen Kräften Stehende (Ausschöpfung der tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten) unternommen hat, um das Baugebrechen innerhalb kürzester Zeit zu beseitigen, bedarf es keiner weiteren Erörterung darüber, ob es im Rahmen der Revitalisierung des gegenständlichen Hauses logisch und ökonomisch ist, vor Abschluß anderer baulicher Maßnahmen die hier zu beurteilenden Instandsetzungsarbeiten durchzuführen. Steht nämlich fest, daß Baugebrechen vorliegen, hat diese der Eigentümer des Hauses innerhalb kürzester Zeit zu beseitigen.
Ob die Abdeckung von Fenstern mit Plastik und Styropor in der Baubranche üblich ist, um Baustellen abzusichern und einzuwintern, ist im gegenständlichen Fall schon deshalb ohne Belang, weil im Rahmen des gegenständlichen Strafverfahrens ausschließlich zu beurteilen ist, ob der Beschwerdeführer seiner im § 129 Abs. 2 BO auferlegten Verpflichtung zur Instandhaltung seines Gebäudes nachgekommen ist.
Entgegen den Beschwerdeausführungen liegt ein Verstoß gegen § 129 Abs. 2 BO nicht nur dann vor, wenn gegen eine Baubewilligung verstoßen wird. Die belangte Behörde verweist in ihrer Gegenschrift zutreffend darauf, daß gemäß § 129 Abs. 2 BO der Eigentümer (Miteigentümer) dafür zu sorgen hat, daß die Gebäude und baulichen Anlagen in gutem, der Baubewilligung UND DEN VORSCHRIFTEN DIESER BAUORDNUNG entsprechenden Zustand erhalten werden. Daß Baugebrechen vorliegen, welche der BO widersprechen, wurde bereits oben aufgezeigt.
Auch gegen die Höhe der festgesetzten Strafe bestehen keine Bedenken. Gemäß § 19 Abs. 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Der Beschwerdeführer bringt zur Strafhöhe nur vor, daß sie "exorbitant überhöht festgesetzt" worden sei. Er werde auch bei bescheidener Lebensführung jahrelang sparen müssen, um die Geldstrafe bezahlen zu können. Es werde ihm unmöglich gemacht, die mit hohen Kosten verbundenen Renovierungsarbeiten vornehmen zu lassen. Er werde durch die hohe Strafe geradezu gehindert, sich bescheidkonform zu verhalten.
Mit diesem Vorbringen vermag der Beschwerdeführer einen Verstoß gegen § 19 Abs. 1 VStG nicht aufzuzeigen. Die belangte Behörde hat in nicht als unschlüssig zu erkennender Weise hinreichend begründet, warum sie die festgesetzte Strafe für angemessen hält. Unter Berücksichtigung der Tatsache, daß der Beschwerdeführer seit 17 JAHREN () die mit Bescheid vom 23. Mai 1978 aufgetragenen Instandsetzungsarbeiten nicht durchgeführt hat und wegen des gleichen Sachverhaltes frühere Tatzeiträume betreffend auf Grund dreier Straferkenntnisse des Magistrates der Stadt Wien bereits bestraft worden ist, kann die festgesetzte Strafe im Hinblick auf die im § 19 VStG für die Bemessung derselben umschriebenen Voraussetzungen nicht als überhöht angesehen werden. Damit ist der Strafrahmen des § 135 BO nicht einmal zu einem Drittel ausgeschöpft. Der Beschwerdeführer ist verpflichtet, die aufgetragenen Instandsetzungsarbeiten unverzüglich durchführen zu lassen. Ob er auch seine in Auftrag gegebenen Baumaßnahmen zur Revitalisierung des gegenständlichen Gebäudes durchführen kann, ist für die Erfüllung der im § 129 Abs. 2 BO umschriebenen Voraussetzungen nicht von Bedeutung.
Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1996050045.X00Im RIS seit
07.08.2001Zuletzt aktualisiert am
01.06.2010