Index
E3R E05205000;Norm
31985R3820 Harmonisierung best Sozialvorschriften Strassenverkehr Art15 Abs2;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 96/11/0063 96/11/0064 96/11/0065Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde des Bundesministers für Arbeit und Soziales gegen die Bescheide des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 29. Jänner 1996, Zlen. VwSen-280152 bis 280155/6/Le/La, betreffend Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes (mitbeteiligte Partei: Ing. R in H, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in L), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat dem Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von S 12.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit vier Straferkenntnissen der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 11. Oktober 1995 wurde der Mitbeteiligte in seiner Eigenschaft als handelsrechtlicher Geschäftsführer einer näher genannten Gesellschaft m.b.H. schuldig erkannt, es verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten zu haben, daß vier als Lkw-Lenker beschäftigte Arbeitnehmer der Gesellschaft an näher bezeichneten Tagen im Juni 1995 eingesetzt waren, wobei jeweils auf der Tagesdiagrammscheibe näher bezeichnete Angaben gefehlt hätten. Er habe dadurch vier Übertretungen nach § 28 Abs. 1b Z. 2 des Arbeitszeitgesetzes in Verbindung mit Art. 13 und Art. 15 Abs. 5 der Verordnung (EWG) Nr. 3821/1985 begangen. Über ihn wurden vier Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt. Dagegen hat der Mitbeteiligte berufen.
Mit den angefochtenen Bescheiden wurde den Berufungen Folge gegeben, die Straferkenntnisse vom 11. Oktober 1995 aufgehoben und die Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.
In der auf § 13 des Arbeitsinspektionsgesetzes 1993 gestützten, gegen die vier Berufungsbescheide gerichteten Beschwerde macht der beschwerdeführende Bundesminister Rechtswidrigkeit des Inhaltes der angefochtenen Bescheide geltend und beantragt deren Aufhebung. Die belangte Behörde und der Mitbeteiligte haben Gegenschriften erstattet, in denen die Abweisung der Beschwerde, vom Mitbeteiligten unter Zuspruch von Aufwandersatz, beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 28 Abs. 1b Z. 2 des Arbeitszeitgesetzes in der Fassung BGBl. Nr. 446/1994 sind Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte, die die Pflichten betreffend das Kontrollgerät und das Schaublatt gemäß u.a. Art. 13 und Art. 15 Abs. 5 der Verordnung (EWG) Nr. 3821/1985 verletzen, mit Geldstrafen innerhalb eines näher genannten Rahmens zu bestrafen.
Nach Art. 13 der in Rede stehenden Verordnung des Rates vom 20. Dezember 1985 über das Kontrollgerät im Straßenverkehr sorgen der Unternehmer und die Fahrer für das ordnungsgemäße Funktionieren und die richtige Verwendung des Gerätes. Nach Art. 15 Abs. 5 der Verordnung hat der Fahrer auf dem Schaublatt näher genannte Angaben einzutragen, unter denen sich auch die in den Straferkenntnissen vom 11. Oktober 1995 vermißten Angaben befinden.
Die belangte Behörde vertrat in den angefochtenen Bescheiden - wie in ihrer Gegenschrift - den Standpunkt, daß die eigentlich übertretene Norm laut Tatvorwurf der Straferkenntnisse (nur) Art. 15 Abs. 5 der Verordnung sei. In dieser Verordnungsbestimmung würden ausschließlich Verpflichtungen der Fahrer normiert. Unterlassungen der Fahrer könnten nicht dem Arbeitgeber zum Vorwurf gemacht werden.
Der beschwerdeführende Bundesminister vertritt hingegen (verkürzt) den Standpunkt, daß sich aus Art. 13 der Verordnung auch Verpflichtungen der Arbeitgeber ergäben. Art. 19 der Verordnung verlange von den Mitgliedstaaten, auch Vorschriften betreffend Ahndung von Zuwiderhandlungen gegen die Verordnung zu erlassen. § 28 Abs. 1b AZG entspreche in Ansehung der Unternehmerpflichten diesem Gebot.
Der Mitbeteiligte hat sich in seiner Gegenschrift der Sache nach der Ansicht der belangten Behörde angeschlossen.
Die Beschwerde ist nicht begründet. Im § 28 Abs. 1b Z. 2 AZG wird für den Arbeitgeber und seinen Bevollmächtigten die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung dafür begründet, daß sie die Pflichten nach den dort näher genannten Bestimmungen der Verordnung EWG Nr. 3821/1985 nicht erfüllen. Zu fragen ist daher, ob den Mitbeteiligten als Organ des Arbeitgebers nach den im Spruch der erstinstanzlichen Straferkenntnisse vom 11. Oktober 1995 genannten Bestimmungen der Verordnung Pflichten in Ansehung der in Rede stehenden Angaben auf der Tagesdiagrammscheibe (dem Kontrollgerät im Sinne der Verordnung) trafen.
Die belangte Behörde und der Mitbeteiligte sind insoweit im Recht, als Art. 15 Abs. 5 der Verordnung lediglich Verpflichtungen der Fahrer (= der Arbeitnehmer) statuiert. Art. 13 kann entgegen der Ansicht des beschwerdeführenden Bundesministers nicht als eine Bestimmung angesehen werden, die unmittelbar Verpflichtungen des Arbeitgebers auslöst. Art. 13 ist die das Kapitel IV (Benutzungsvorschriften) einleitende Bestimmung. Sie sagt aus, daß der Unternehmer (= der Arbeitgeber) und die Fahrer für das ordnungsgemäße Funktionieren und die richtige Funktion des Kontrollgerätes sorgen. Die folgenden Art. 14 bis 16 führen diese allgemeine Aussage aus, indem sie konkrete Verpflichtungen einerseits des Arbeitgebers sowie andererseits der Arbeitnehmer begründen. Art. 13 hat demnach lediglich einen ankündigenden Charakter; er stellt keinen (Verwaltungs-)Straftatbestand dar. Den Arbeitgeber treffen daher in Ansehung des Art. 13 und des Art. 15 Abs. 5 keine Pflichten; es ist daher ausgeschlossen, daß gegen ihn in diesem Zusammenhang nach § 28 Abs. 1b Z. 2 AZG Verwaltungsstrafen verhängt werden können.
Der Sitz der dem beschwerdeführenden Bundesminister vor Augen stehenden, nach seiner Auffassung verwaltungsstrafrechtlich zu sanktionierenden Verpflichtung zur regelmäßigen Überprüfung der Fahrer bei der Verwendung des Kontrollgerätes (hier: Tagesdiagrammscheibe), also auch in Ansehung der Vornahme der gebotenen Eintragungen, ist nicht in Art. 13 der Verordnung EWG Nr. 3821/1985, sondern offenbar in Art. 15 Abs. 2 der Verordnung EWG Nr. 3820/1985 zu finden, wonach das Unternehmen regelmäßig überprüft, ob diese beiden Verordnungen (die Verordnungen EWG Nr. 3820 und 3821/1985) eingehalten worden sind, und bei Zuwiderhandlungen die erforderlichen Maßnahmen ergreift, damit sie sich nicht wiederholen. Diese Bestimmung ist aber in § 28 Abs. 1b Z. 2 AZG nicht zum Verwaltungsstraftatbestand erklärt worden.
In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, daß die Verordnung EWG Nr. 3820/1985 im Titel "die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr" nennt, während die Verordnung EWG Nr. 3821/1985 "über das Kontrollgerät im Straßenverkehr" ergangen ist, also verwaltungsstrafrechtlich - nach österreichischer Rechtsterminologie - kraftfahrrechtlichen Inhalts ist, sodaß der Hinweis des beschwerdeführenden Bundesministers auf den dem österreichischen Arbeitnehmerschutzrecht immanenten Standard der Überwachungspflicht des Arbeitgebers betreffend Einhaltung von Arbeitnehmerschutzbestimmungen in Ansehung der zuletzt genannten Verordnung fehl geht.
Die in der Beschwerde dem angefochtenen Bescheid angelastete Rechtswidrigkeit haftet diesem nicht an. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1996110062.X00Im RIS seit
03.04.2001