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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
BFA-VG 2014 §9Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulzbacher sowie die Hofräte Dr. Pfiel und Dr. Chvosta als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des Aleksandar P S, vertreten durch Mag. German Bertsch, Rechtsanwalt in 6800 Feldkirch, Saalbaugasse 2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 5. August 2020, W251 2217763-1/11E, betreffend Ausweisung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein serbischer Staatsangehöriger, schloss im April 2017 die Ehe mit einer bulgarischen Staatsangehörigen, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit in Österreich Gebrauch gemacht hatte, und begründete kurz darauf an ihrer Wohnadresse seinen Hauptwohnsitz in Österreich.
2 Unter Bezugnahme auf diese Ehe beantragte der Revisionswerber am 12. September 2017 bei der Niederlassungsbehörde die Ausstellung einer Aufenthaltskarte, die ihm letztlich im Juni 2018 ausgestellt wurde. Die Ehe, der keine Kinder entstammen, wurde mit Beschluss des Bezirksgerichtes Feldkirch vom 11. Dezember 2018 im Einvernehmen rechtskräftig geschieden.
3 Daraufhin erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Bescheid vom 18. März 2019 gegen den Revisionswerber gemäß § 66 Abs. 1 FPG iVm § 55 Abs. 3 NAG eine Ausweisung und erteilte ihm gemäß § 70 Abs. 3 FPG einen Durchsetzungsaufschub von einem Monat.
4 Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 5. August 2020 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
5 Das BVwG ging davon aus, dass die Voraussetzungen für das von der Ehe des Revisionswerbers mit einer EWR-Bürgerin abgeleitete Aufenthaltsrecht schon angesichts der Scheidung dieser Ehe nach einer Dauer von weniger als drei Jahren fehlen würden und daher der Ausweisungstatbestand nach § 66 Abs. 1 FPG iVm § 55 Abs. 3 NAG verwirklicht sei. Primär begründete das BVwG die Entscheidung aber damit, dass es sich seiner Einschätzung nach um eine Aufenthaltsehe gehandelt habe, auf die sich der Revisionswerber gemäß § 30 Abs. 1 NAG nicht berufen dürfe. In seiner Interessenabwägung berücksichtigte das BVwG unter anderem die unselbständige Erwerbstätigkeit des Revisionswerbers seit Oktober 2018, den Kontakt zu seiner in Österreich lebenden Schwester und seine Unbescholtenheit, ging aber zusammengefasst davon aus, dass die Integrationsschritte des Revisionswerbers aufgrund der relativ kurzen Aufenthaltsdauer nicht derart nachhaltig wären, dass sie ein Überwiegen seines persönlichen Interesses am Verbleib im Bundesgebiet gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Aufenthaltsbeendigung bewirken könnten.
6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende - nach Ablehnung der Behandlung der an den Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde und ihrer Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof (VfGH 7.10.2020, E 3136/2020-5) fristgerecht ausgeführte - außerordentliche Revision, die sich unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B-VG als unzulässig erweist.
7 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).
9 In dieser Hinsicht wendet sich die Revision zunächst gegen die Annahme des BVwG, es habe sich bei der Ehe des Revisionswerbers um eine Aufenthaltsehe gehandelt, und verweist in diesem Zusammenhang auf die nach Durchführung von Ermittlungen der Landespolizeidirektion Vorarlberg über das Vorliegen einer Aufenthaltsehe erfolgte Einstellung des diesbezüglichen Strafverfahrens durch die Staatsanwaltschaft am 16. Jänner 2018.
10 Dieses Vorbringen ist nicht zielführend. Der Revisionswerber stellt nämlich nicht in Frage, dass das ihm aufgrund der Ehe mit einer EWR-Bürgerin zugekommene Aufenthaltsrecht infolge der Scheidung nach einer Dauer der Ehe von weniger als drei Jahren nicht mehr besteht und damit der Ausweisungstatbestand nach § 66 Abs. 1 FPG iVm § 55 Abs. 3 NAG verwirklicht ist, weshalb es auf die vom BVwG in den Vordergrund gestellte Frage, ob auch eine Aufenthaltsehe vorlag, nicht ankommt.
11 Der Revisionswerber sieht eine (weitere) grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG darin, dass Rechtsprechung zur Frage fehle, ob „eine Person, welche in Österreich verheiratet war, seit mehr als zwei Jahren fest beschäftigt ist, unbescholten und bestens integriert ist“, ausgewiesen werden dürfe.
12 Abgesehen davon, dass diese Frage nicht generell, sondern immer nur einzelfallbezogen zu beantworten und daher nicht revisibel ist, kann im Übrigen auch auf bereits bestehende Rechtsprechung zu vergleichbaren Konstellationen, in denen die Ehen weniger als drei Jahre dauerten, verwiesen werden (vgl. etwa VwGH 20.8.2020, Ra 2020/21/0292 bis 0294, und VwGH 26.6.2019, Ra 2019/21/0147; ähnlich auch VwGH 12.7.2021, Ra 2019/21/0328, und VwGH 27.8.2020, Ra 2020/21/0260).
13 Soweit der Revisionswerber erkennbar gegen die Interessenabwägung des BVwG seine berufliche Integration am Arbeitsmarkt, seine Unbescholtenheit und den Kontakt zu seiner Schwester ins Treffen führt, ist zu entgegnen, dass das BVwG ohnehin alle diese Umstände zu Gunsten des Revisionswerbers in seine Beurteilung einbezogen hat und die Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK (iVm § 9 BFA-VG bzw. § 66 Abs. 2 FPG) nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes dann nicht revisibel ist, wenn sie - wie hier - im Ergebnis vertretbar ist und keine maßgeblichen Begründungsmängel erkennen lässt (vgl. etwa VwGH 17.5.2021, Ra 2020/21/0539, Rn. 11, mwN).
14 Schließlich wird in der Revision noch ohne nähere Begründung vorgebracht, das BVwG habe nicht berücksichtigt, dass „bei der Durchführung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme die COVID-19-Situation im Herkunftsstaat des Revisionswerbers“ zu beachten sei.
15 Damit verkennt die Revision, dass die Frage der faktischen Möglichkeit der Abschiebung zu einem bestimmten Zeitpunkt im vorliegenden Ausweisungsverfahren nicht zu beurteilen war (vgl. zu einem ähnlichen Vorbringen in einem Rückkehrentscheidungsverfahren VwGH 19.8.2021, Ra 2021/21/0068, Rn. 17).
16 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
Wien, am 3. März 2022
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2020210475.L00Im RIS seit
07.04.2022Zuletzt aktualisiert am
12.04.2022