TE Vwgh Beschluss 2022/3/14 Ro 2022/10/0001

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Veröffentlicht am 14.03.2022
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Index

L55057 Nationalpark Biosphärenpark Tirol
L66307 Alm Weide Tirol
001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

AlmschutzG Tir 1987 §2 Abs2 litb
B-VG Art133 Abs4
NationalparkG Hohe Tauern Tir 1991 §7 Abs1 lita
VwGG §34 Abs1
VwRallg

Beachte


Serie (erledigt im gleichen Sinn):
Ro 2022/10/0002 B 14.03.2022

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Derfler, über die Revision der M K in S, vertreten durch Dr. Robert Kerschbaumer, Rechtsanwalt in 9900 Lienz, Burghard Breitner-Straße 4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 3. November 2021, Zl. LVwG-2021/44/0553-4, betreffend Übertretungen des Tiroler Nationalparkgesetzes Hohe Tauern (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Lienz), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Revisionswerberin hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        1.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 3. November 2021 legte das Landesverwaltungsgericht Tirol der Revisionswerberin - im Beschwerdeverfahren - zur Last, diese habe, wie am 28. Juli 2020 festgestellt worden sei, auf einem bestimmten Grundstück innerhalb der Außenzone des Natura 2000-Gebietes Nationalpark Hohe Tauern ohne nationalparkrechtliche Bewilligung einerseits ein (nicht unter die Ausnahmebestimmung des § 7 Abs. 1 lit. a zweiter Satz Tiroler Nationalparkgesetz Hohe Tauern fallendes) Gebäude von ca. 4,10 m x 4,20 m mit Satteldach und diversen Nebenanlagen errichtet, obwohl in der Außenzone des Nationalparks Hohe Tauern (u.a.) der Neubau von Gebäuden einer nationalparkrechtlichen Ausnahmebewilligung bedürfe, sowie andererseits einen ca. 40 m langen Zufahrtsweg errichtet, obwohl der Neubau von Wegen einer nationalparkrechtlichen Bewilligung bedürfe.

2        Damit habe die Revisionswerberin zum einen § 7 Abs. 1 lit. a, zum anderen § 7 Abs. 1 lit. c Tiroler Nationalparkgesetz Hohe Tauern verletzt, weshalb über sie jeweils nach § 32 Abs. 1 lit. c leg. cit. Geldstrafen in Höhe von € 450,-- verhängt wurden.

3        Darüber hinaus legte das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zugrunde, das neu errichtete Gebäude sei mit Tisch und Stühlen möbliert sowie mit Isolierverglasung und einer Kochgelegenheit ausgestattet. Die Revisionswerberin betreibe selbst keine Landwirtschaft; die Viehwirtschaft auf ihrem Heimbetrieb sei bereits vor ca. 20 Jahren eingestellt worden. Zuletzt sei das gegenständliche Grundstück verpachtet gewesen; seit dem Jahr 2020 liege es brach. „Geplant“ sei, dass die Tochter der Revisionswerberin „künftig die Bewirtschaftung dieses Grundstückes übernimmt“.

4        In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht - soweit für die vorliegende Revisionssache von Interesse - aus, das gegenständliche Gebäude falle nicht unter die durch § 7 Abs. 1 lit. a zweiter Satz Tiroler Nationalparkgesetz Hohe Tauern ausgenommenen „Almgebäude“:

5        Zwar enthalte dieses Gesetz keine Definition von Almgebäuden. Allerdings könne auf § 2 Tiroler Almschutzgesetz zurückgegriffen werden, demzufolge Almen wegen ihrer Höhenlage und der klimatischen Verhältnisse während der Sommermonate vorwiegend zur weidewirtschaftlichen Nutzung dienten; „Almgebäude“ seien für diesen Almbetrieb - also für die Weidewirtschaft - erforderlich.

6        Ein Almgebäude - so das Verwaltungsgericht weiter - setze somit eine Weidewirtschaft und damit die Haltung von Tieren voraus, was vorliegend nicht der Fall sei.

7        Die Zulassung der Revision begründete das Verwaltungsgericht damit, dass es an Rechtsprechung zu den Voraussetzungen für das Vorliegen eines Almgebäudes iSd § 7 Abs. 1 lit. a Tiroler Nationalparkgesetz Hohe Tauern fehle.

8        1.2. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Revision.

9        Die belangte Behörde hat eine Revisionsbeantwortung erstattet.

10       2. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

12       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

13       3.1. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat ein Revisionswerber auch bei Erhebung einer ordentlichen Revision von sich aus die Zulässigkeit der Revision (gesondert) darzulegen, sofern er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichtes für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht, oder er eine andere Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet. Die vom Verwaltungsgerichtshof vorzunehmende Kontrolle einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung stützt sich für außerordentliche und ordentliche Revisionen in gleicher Weise jeweils auf eine gesonderte Darlegung der Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Revision (vgl. etwa VwGH 18.12.2019, Ro 2018/10/0002, mwN).

14       Da die vorliegende ordentliche Revision ein eigenes Zulässigkeitsvorbringen in diesem Sinn nicht enthält, ist deren Zulässigkeit unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B-VG allein nach der Zulassungsbegründung des Verwaltungsgerichtes zu beurteilen.

15       3.2. Bei der darin thematisierten Auslegung des Begriffes der „Almgebäude“ iSd § 7 Abs. 1 lit. a Tiroler Nationalparkgesetz Hohe Tauern hat das Verwaltungsgericht in nicht zu beanstandender Weise auf das Begriffsverständnis eines anderen Tiroler Landesgesetzes, nämlich des Tiroler Almschutzgesetzes, zurückgegriffen, ist doch nach der hg. Rechtsprechung gemäß dem Auslegungsprinzip der Einheit der Rechtsordnung und der Rechtssprache im Allgemeinen davon auszugehen, dass in der Rechtssprache geprägte Begriffe jeweils die gleiche Bedeutung haben (vgl. etwa VwGH 19.12.2019, Ro 2019/07/0012, mwN).

16       Damit ergibt sich schon aufgrund des Gesetzes klar und eindeutig, dass Almgebäude - wie dem angefochtenen Erkenntnis zugrunde gelegt - „für den Almbetrieb erforderliche Anlagen“ darstellen (vgl. insbesondere § 2 Abs. 2 lit. b Tiroler Almschutzgesetz), weshalb ungeachtet des Fehlens von hg. Rechtsprechung zu dem Begriff des Almgebäudes eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht vorliegt (vgl. etwa VwGH 27.8.2019, Ra 2018/08/0188, mwN).

17       4. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

18       Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf §§ 47 ff, insbesondere § 51 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 14. März 2022

Schlagworte

Auslegung unbestimmter Begriffe VwRallg3/4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RO2022100001.J00

Im RIS seit

07.04.2022

Zuletzt aktualisiert am

11.04.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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