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60/04 Arbeitsrecht allgemein;Norm
AuslBG §4 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Höß und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde der O Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. Z, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 27. Oktober 1994 (ohne Zahl), betreffend Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Arbeitsmarktservice Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die beschwerdeführende Partei beantragte die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für den türkischen Staatsangehörigen H. für die Tätigkeit als Lagerarbeiter. Beschäftigungsort sollte laut Antrag Wien, J-Straße 20, sein. Die Rubrik "spezielle Kenntnisse oder Ausbildung erforderlich" war zwar mit "ja" angekreuzt, aber nicht angegeben, welche diese sein sollten.
Mit Bescheid vom 21. Jänner 1994 gab die Behörde erster Instanz dem Antrag gemäß § 4 Abs. 6 i.V.m. § 4 Abs. 1 AuslBG keine Folge. Nach der Begründung sei aufgrund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens davon auszugehen, daß auf dem relevanten Arbeitsmarkt der Lagerarbeiter Arbeitssuchende vorgemerkt seien, die für eine Vermittlung in Betracht kämen. Es spreche daher die Lage auf dem Arbeitsmarkt gegen die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung. Auch habe der Vermittlungsausschuß im gegenständlichen Verfahren die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nicht befürwortet. Darüber hinaus habe das Ermittlungsverfahren ergeben, daß keine der im § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 4 AuslBG vorgesehenen Voraussetzungen vorliege.
In der Berufung machte die beschwerdeführende Partei geltend, auf dem Arbeitsmarkt seien keine Vorzugspersonen vorgemerkt, welche für die weiterhin freie Arbeitsstelle auch nur die Mindesterfordernisse erfüllt hätten. Es sei im Bescheid auch nicht nachvollziehbar ausgeführt worden, ob ein Vermittlungsausschuß tatsächlich vor Bescheiderlassung eingeschaltet worden sei, es fehle jeder Hinweis darauf, ob dieser Vermittlungsausschuß tatsächlich "einhellig" gegen die Erteilung der beantragten Beschäftigungsbewilligung entschieden habe. Dem Bescheid liege auch keine zureichende Begründung zugrunde. Bereits im Antrag auf Erteilung der Beschäftigungsbewilligung sei vorgebracht worden, daß der beantragte Arbeitnehmer Gesellschafter der beschwerdeführenden Partei sei und an dieser mit 25 % am Stammkapital beteiligt sei. Dieses Beteiligungsverhältnis sei seit Antragstellung weiterhin aufrecht. Diese dem Arbeitsamt ab Antragstellung bekannte Tatsache sei unberücksichtigt geblieben.
Eine Zuschrift des Arbeitsamtes vom 14. Februar 1994 betreffend die Vermittlung von Ersatzkräften beantwortete die beschwerdeführende Partei durch Ankreuzen der Rubrik "Ich ersuche um Zuweisung von Arbeitskräften, die ich ANSTELLE des(r) beantragten Ausländer/Ausländerin beschäftigen möchte und lege den ausgefüllten Vermittlungsauftrag bei".
In der Folge kam es aufgrund des erteilten Vermittlungsauftrages zur Zuweisung verschiedener Arbeitskräfte, die jedoch von der beschwerdeführenden Partei nicht eingestellt wurden. Auf dem Bewerbungsbogen eines U.O. ist vermerkt, die Einstellung sei nicht erfolgt, weil "zuwenig Praxis vorhanden ist". Über die Vorstellung anderer Arbeitnehmer wurden vom Arbeitsamt Niederschriften angefertigt, in denen seitens Y.Y. angegeben wurde, bei der Vorstellung sei ihm gesagt worden, es werde in Wien niemand gebraucht, sondern für ein Lager in Mistelbach, einem A.B. sei mitgeteilt worden, daß diese Stelle schon besetzt sei, desgleichen sei einem A.M. vom "Chef" gesagt worden, er brauche niemanden (dasselbe geht auch aus den Niederschriften eines M.A. und A.S. hervor).
Mit Schriftsatz vom 8. April 1994 ersuchte das Arbeitsamt die beschwerdeführende Partei um Stellungnahme zum Ersatzkräftestellungsverfahren und um Mitteilung, warum bisher keine Einstellung erfolgt sei.
Im Schreiben vom 22. April 1994 führte die beschwerdeführende Partei aus, bei ihr seien keine Ersatzkräfte erschienen, welche für die weiterhin freie Arbeitsstelle befähigt, geeignet und gewillt gewesen seien. Die beschwerdeführende Partei sei an der Zuweisung von derart befähigten Ersatzkräften weiter interessiert. Keine der bisher erschienen Ersatzkräfte habe bisher eingestellt werden können.
In weiterer Folge (nach einer Überprüfung der Aufenthaltsberechtigung von H.) erging seitens der belangten Behörde am 12. September 1994 ein Vorhalt an die beschwerdeführende Partei. Darin wurde ausgeführt, die beschwerdeführende Partei suche einen Lagerarbeiter und beantrage deshalb die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung. Derzeit sei die Ersatzstellung durch in- und ausländische Lagerarbeiter, die gegenüber dem Ausländer bevorzugt zu vermitteln seien, möglich. Insgesamt seien 115 Personen zugewiesen worden, zu einer Einstellung sei es jedoch nicht gekommen. Aus den Vorstellungskarten ergebe sich, daß beispielsweise die Bewerber A.S., Mu.A., A.M., A.B. und Y.Y. ohne Angaben von Gründen nicht eingestellt worden seien. Herr U.O. sei abgelehnt worden, weil er zu wenig Praxis habe. Abgesehen davon, daß auch der beantragte H. keine Praxis nachweisen könne, handle es sich bei der Tätigkeit eines Lagerarbeiters um eine Anlerntätigkeit, einer besonderen Ausbildung bedürfe es nicht. Laut den vom Arbeitsamt aufgenommenen Niederschriften seien beispielsweise die Bewerber A.S., Mu.A., A.M. und A.B. mit der Begründung nicht eingestellt worden, daß die Stelle anderweitig besetzt sei. Herrn Y.Y. sei mitgeteilt worden, daß die beschwerdeführende Partei in Wien niemand brauche, sondern für das Lager in Mistelbach. Weiters sei festgestellt worden, daß die bei der beschwerdeführenden Partei beschäftigte Frau O. anläßlich eines Telefonates am 17. März 1994 mit dem Arbeitsamt erklärt habe, daß sie eigentlich aus Vertrauensgründen am beantragten H. vorrangig interessiert sei. Ein mit Frau O. vereinbarter Termin für eine persönliche Vorsprache sei von dieser nicht eingehalten worden. Des weiteren werden im Vorhalt die Voraussetzungen für das erschwerte Verfahren bei Überschreiten der Landeshöchstzahl nach § 4 Abs. 6 AuslBG ausgeführt, dazu das Überschreiten der Landeshöchstzahl 1994 ausführlich dargestellt und hingewiesen, daß somit die Entscheidung auch unter Berücksichtigung des § 4 Abs. 6 AuslBG zu erfolgen habe. Es werde die Möglichkeit eingeräumt, dazu Stellung zu nehmen, ansonsten die Entscheidung aufgrund der Aktenlage getroffen werden müsse.
In der Stellungnahme vom 29. September 1994 verwies die beschwerdeführende Partei zunächst darauf, daß ihr eine Bescheinigung gemäß § 20b AuslBG erteilt worden sei. Aufgrund dieser Bescheinigung sei H. bereits im Unternehmen der beschwerdeführenden Partei als Lagerarbeiter zur vollsten Zufriedenheit tätig. Dies bedeute, daß H. für die freie Arbeitsstelle besonders geeignet, befähigt und gewillt sei. Bei der beschwerdeführenden Partei seien bisher keine Arbeitskräfte erschienen, welche zum Ausdruck gebracht oder ausdrücklich erklärt hätten, tatsächlich die freie Arbeitsstelle besetzen zu wollen. Die erschienenen Ersatzkräfte hätten nur darauf Wert gelegt, das bisher gewährte Arbeitslosengeld weiterhin zu beziehen. Es seien auch 115 Ersatzkräfte "tatsächlich nicht erschienen". Im Vorhalt werde ausgeführt, daß mit nicht eingestellten Bewerbern "Niederschriften" (Anführungszeichen im Original) aufgenommen worden seien. Die beschwerdeführende Partei beantrage hiezu ausdrücklich die Gewährung der Akteneinsicht in der Form, daß die Niederschriften "in leserlicher und vollständiger Ablichtung" an den Rechtsvertreter der beschwerdeführenden Partei zugestellt würden, um dazu innerhalb angemessener Frist Stellung nehmen zu
können. Im Vorhalt werde u.a. auch ausgeführt "... eigentlich
aus Vertrauensgründen ... vorrangig interessiert sei".
Personen, "welche der deutschen Sprache nicht mächtig sind, können derartige Worte auf Deutsch gar nicht zum Ausdruck bringen, im Schreiben vom 12.9.1994 wird jedoch ausgeführt, daß mit Fr. O. persönlich gesprochen worden sei". Aus diesem Grund erübrige es sich, auf eine "derartige Scherzbemerkung" einzugehen. Im gegenständlichen Fall lägen "auf jeden Fall" die positiven Voraussetzungen für die Erteilung der beantragten Beschäftigungsbewilligung vor, weil H. die Stellung einer Schlüsselkraft zur Erhaltung von Arbeitskräften aufweise.
Mit Schriftsatz vom 10. Oktober 1994 lud die belangte Behörde die beschwerdeführende Partei in Entsprechung des "Ersuchens um Übermittlung von Niederschriften" ein, bei der Behörde während der Amtsstunden (in einer datumsmäßig näher bezeichneten Woche) Akteneinsicht zu nehmen, weil nach § 17 AVG keine Übermittlung des Aktes oder von Aktenteilen vorgesehen sei. Seitens der beschwerdeführenden Partei wurde von dieser Akteneinsicht nach der Aktenlage nicht Gebrauch gemacht.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG i.V.m. § 4 Abs. 6 und § 4 Abs. 1 sowie § 13a AuslBG keine Folge. Nach Zitierung der Rechtsvorschriften der §§ 4 Abs. 1 und 4b AuslBG wurde festgestellt, daß vorrangig zu vermittelnde Arbeitskräfte für die beantragte Stelle als Lagerarbeiter zur Verfügung stünden. Gleichlautend dem Vorhalt vom 12. September 1994 wird dazu das Ergebnis des Ersatzkräftestellungsverfahrens dargestellt und darauf hingewiesen, daß die Gelegenheit geboten worden sei, Stellung zu nehmen. Da eine Übersendung der Niederschriften nicht möglich gewesen sei, sei Akteneinsicht in der Woche vom
17. bis 21. Oktober 1994 angeboten worden. Von dieser Möglichkeit sei jedoch kein Gebrauch gemacht worden, sodaß von der Aktenlage auszugehen sei. Nur dann, wenn kein qualifizierter Arbeitnehmer gestellt werden könne, erlaube die Arbeitsmarktlage die Beschäftigung des beantragten Ausländers. Diese Beweisführung erübrige sich jedoch dann, wenn der Arbeitgeber die Stellung von Ersatzkräften von vornherein ohne Angabe von Gründen ablehne oder eine Einstellung aus Gründen nicht zustande komme, die im Bereich des Arbeitgebers liegen und daher von ihm zu vertreten seien. Weiters wird in der Begründung des angefochtenen Bescheides auf die Überschreitung der Landeshöchstzahl 1994 zum Entscheidungszeitpunkt hingewiesen, wodurch zusätzlich zu § 4 Abs. 1 auch die Voraussetzungen des § 4 Abs. 6 AuslBG zu prüfen seien. Es lägen keine Gründe vor, die im erschwerten Verfahren nach § 4 Abs. 6 AuslBG einen Tatbestand erfüllen könnten.
In der Beschwerde werden Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die belangte Behörde hat die Abweisung des Antrages auf Erteilung der Beschäftigungsbewilligung sowohl auf § 4 Abs. 1 AuslBG als auch auf § 4 Abs. 6 AuslBG gestützt. Bereits das Zutreffen eines dieser Versagungsgründe würde die Abweisung der Beschwerde rechtfertigen.
Nach § 4 Abs. 1 AuslBG ist die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung an zwei Voraussetzungen geknüpft, nämlich
1. daran, daß die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zuläßt und
2. wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen.
Bei Fehlen auch nur eines dieser beiden Tatbestandselemente ist die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung verwehrt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. April 1993, Zl. 93/09/0039) darf bei der Auslegung des § 4 Abs. 1 AuslBG nicht außer acht gelassen werden, daß die vom Gesetzgeber angesprochen wichtigen öffentlichen und gesamtwirtschaftlichen Interessen erst dann zum Tragen kommen, wenn feststeht, für welche Beschäftigung konkret die Bewilligung beantragt wurde und ob die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes diese konkrete Beschäftigung zuläßt. Das wird aber immer dann der Fall sein, wenn nicht feststeht, daß für die Beschäftigung wenigstens ein bestimmter Inländer oder im gegebenen Zusammenhang ein einem Inländer gleichgestellter oder begünstigt zu behandelnder Ausländer zur Verfügung steht, der bereit und fähig ist, diese Beschäftigung zu den gestellten (gesetzlich zulässigen) Bedingungen auszuüben.
Diese Beweisführung erübrigt sich dann, denn seitens des Arbeitgebers die Stellung jeder Ersatzkraft von vornherein und unbegründet abgelehnt wird (vgl. in diesem Sinne die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. April 1987, 87/09/0012, vom 25. November 1987, 87/09/0164, u.v.a.).
Von einer solchen, von vornherein erfolgten unbegründeten Ablehnung von Ersatzkräften durch die beschwerdeführende Partei ging die belangte Behörde im nunmehr angefochtenen Bescheid nicht aus. Auch von der beschwerdeführenden Partei wird die Durchführung eines Ersatzkräftestellungsverfahrens seitens der Behörde grundsätzlich nicht bestritten. Die belangte Behörde hat das Ergebnis des (erfolglosen) Ersatzkräftestellungsverfahrens der beschwerdeführenden Partei auch zur Kenntnis gebracht und unter namentlicher Nennung verschiedener zugewiesener Personen zum Ausdruck gebracht, daß die beschwerdeführende Partei an der Einstellung dieser nach Ansicht der Behörde für die zu besetzende Arbeitsstelle geeigneten Arbeitskräfte kein Interesse hatte. In diesem Zusammenhang ist es auch durchaus schlüssig, daß eine fehlende Praxis eines Herrn U.O. für die vorgesehene Tätigkeit eines Lagerarbeiters keine sachlich gerechtfertigte Einengung des Anforderungsprofils darstellen konnte. Ein substantiiertes Vorbringen dazu hat die beschwerdeführende Partei im Verwaltungsverfahren (und auch in der Beschwerde) nicht erstattet. Sie hat auch von der angebotenen Möglichkeit der Akteneinsicht nicht Gebrauch gemacht. Die belangte Behörde konnte daher insoweit zu Recht von der Richtigkeit der durch die Aktenlage gedeckten Ergebnisse des Vermittlungsverfahrens ausgehen und diese ihrer Entscheidung zugrunde legen. Konnte die belangte Behörde damit schon wegen der Ablehnung der namentlich genannten Bewerber von einer von der beschwerdeführenden Partei zu vertretenden Erfolglosigkeit des Ersatzkräftestellungsverfahrens ausgehen, kann es schließlich auch dahingestellt bleiben, ob tatsächlich laut Beschwerdevorbringen "die behaupteten Bemerkungen bei einem 'Telefonat' mangels ausreichender Deutschkenntnisse gar nicht gesagt" werden konnten.
Da sich der angefochtene Bescheid bereits im Grunde des §4 Abs. 1 AuslBG als nicht rechtswidrig erweist, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm § 41 AMSG und der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994. Der Zuspruch des Aufwandersatzes hatte an das Arbeitsmarktservice als Rechtsträger i.S.d. § 47 Abs. 5 VwGG zu erfolgen (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom 4. Juni 1996, 95/09/0261).
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1994090373.X00Im RIS seit
20.11.2000